KI-Uhren statt SmartwatchesZweite Chance für die Schweizer Uhrenindustrie
Nachdem Chat-GPT und andere künstliche Intelligenzen das Internet erobert haben, schielen die Firmen dahinter auf eigene Hardware-Geräte – der AI Pin von Humane ist erst der Anfang.
Je nachdem wen man fragt, hat die Schweizer Uhrenindustrie den Smartwatch-Boom verschlafen oder den Smartwatch-Hype ausgesessen. Egal wie man die Situation einschätzt, fest steht: Der nächste Hype steht vor der Tür und damit die nächste Chance, einzusteigen oder erneut eine Entwicklungsstufe auszusitzen.
Die Rede ist natürlich von Hardware für künstliche Intelligenz (KI). Letzte Woche hat Humane, eine Firme die aus zahlreichen Ex-Apple-Leuten besteht, ihr erstes Produkt vorgestellt. Der AI Pin ist ein Kästchen, das man sich auf Herzhöhe ans T-Shirt, den Pullover oder jedes andere Kleidungsstück heftet.
Ein Laserbeamer projiziert Informationen in die Handfläche. Doch hauptsächlich interagiert man mit dem Gerät per Stimme. Denn es ist ein rundum neues Gerät fürs KI-Zeitalter. Sagen die Erfinder.
Warum keine Uhr?
Beim Betrachten der Ankündigung drängt sich mir aber ständig eine Frage auf: Warum ist das keine Uhr? Warum soll man sich so was an die Kleider heften, wenn man es bequem und diskret am Handgelenk tragen könnte?
Das Handgelenk hat gegenüber dem Oberkörper so viele Vorteile, wenn es um Interaktion geht. Den Beamer kann man sich sparen, weil man am Handgelenk mit einem Zifferblatt oder Bildschirm wunderbar Informationen anzeigen kann. Zudem kann man auf einer Uhr zur Not auch ein paar Knöpfe drücken oder sie sogar an ein Bezahlterminal halten.
Telefonieren kann man damit auch wunderbar und sicher nicht schlechter als mit dem AI Pin. Aber sinnvollerweise greift man bei beiden Geräten zu Funkkopfhörern.
Die Google-Uhr machts vor
Dass die Uhr ein idealer Ort für ein KI-Gerät ist, hat auch der Test der neuen Pixel-Uhr gezeigt. Da der Google Assistent heute schon ziemlich gut ist, habe ich im Alltag viel weniger Apps genutzt und kaum auf der Uhr rumgedrückt. Ich habe immer den Assistenten gefragt.
Genau dieses Konzept schwebt auch Humane vor. An der Präsentation erwähnten sie sogar ausdrücklich, dass sie keine Apps wollen. Die künstliche Intelligenz kläre alle Fragen im Hintergrund und erledigte alles ganz ohne den Umweg über Apps.
Wenig herausfordernde Hardware
Und auch das Betriebssystem spielt eine untergeordnete Rolle. Als Nutzerin oder Nutzer bekommt man das gar nicht zu sehen. Wie auch. Der AI Pin hat ja kein Display.
Da der AI Pin erst nächstes Jahr in den Handel kommt, hat ihn noch niemand geöffnet. Aber die Vermutung liegt nahe, dass die Hardware nicht besonders aufwendig oder gar revolutionär sein dürfte.
Gerade Schweizer Uhrenfirmen, deren Expertise nicht in Computern und Software liegt, dürfte sich hier eine Möglichkeit bieten.
Um künstliche Intelligenzen wie Chat-GPT nutzen zu können, reichen ein Vertrag mit Open AI (der Firma hinter Chat-GPT), eine Internetverbindung, etwas Speicher, ein mittelprächtiger Prozessor, ein Akku und natürlich ein Mikrofon. Kameras und Laser-Beamer, wie sie der AI Pin hat, sind nicht zwingend nötig. Dürften aber die Nutzung vereinfachen.
Wenn man sich diese technisch nicht sehr herausfordernde Anforderungsliste anschaut, ruft das förmlich nach einer KI-Uhr. Gerade Schweizer Uhrenfirmen, deren Expertise nicht in Computern und Software liegt, dürfte sich hier eine Möglichkeit bieten. Eine schöne Uhr mit KI-Funktion statt ein geschrumpftes Smartphone mit grossem Display hätte doch Potenzial? Und ein Vertrag mit den geschäftstüchtigen KI-Firmen ist schnell geschlossen. Ja, die dürften sich über erfahrene Hardware-Partner freuen.
Haufenweise schlechte Erfahrungen
Dagegen sprechen die schlechten Erfahrungen, die Schweizer Uhrenhersteller in der Vergangenheit mit US-Techkonzernen gemacht haben. Man erinnere sich nur an die gescheiterte Zusammenarbeit von Microsoft und Swatch oder wie Google und vor allem Intel den Schweizer Hersteller TAG Heuer haben hängen lassen.
Aber ob mit oder ohne Schweizer Beteiligung, die erste KI-Uhr wird kommen. Und wer sich ärgert, vor fast 10 Jahren Apple und Garmin das Feld fast kampflos überlassen zu haben, dürfte nun eine neue Chance bekommen.
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