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KI-Skandal um «Sports Illustrated»
So manipulierten frei erfundene Journalisten die Leserinnen

MIAMI, FL - JANUARY 23: In this photo illustration, Sports Illustrated magazines are seen on January 23, 2015 in Miami, Florida. Time Inc. the parent company of the magazine announced today it was laying off all six of its staff photographers and will rely more on freelancers. (Photo Illustration by Joe Raedle/Getty Images)
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Drew Ortiz wirkt vertrauenswürdig. Aufgewachsen auf einem Bauernhof irgendwo in den USA, umgeben von Wäldern, Feldern und einem Bach, hat er schon als Kind viel Zeit im Freien verbracht. «Er freut sich darauf, Sie durch seine unendliche Liste der besten Produkte zu führen, die Sie vor den Gefahren der Natur bewahren», hiess es auf der Website von «Sports Illustrated». «Heutzutage vergeht kaum ein Wochenende, an dem Drew nicht beim Campen, Wandern oder auf der Farm seiner Eltern ist.»

Das Foto auf dem Autorenprofil des Journalisten zeigte einen Mann Mitte dreissig. Einen, der offenbar weiss, wovon er spricht. Die Produkte, die er im Namen des ehemals prestigeträchtigen Sportmagazins empfiehlt, scheinen also zu taugen. Der Haken: Drew Ortiz ist kein Mensch aus Fleisch und Blut, sondern ein Produkt der künstlichen Intelligenz. Sein Porträtfoto ist zu kaufen auf einer Website (Generated Photos), die KI-generierte Gesichter kreiert. Dort ist er beschrieben als «neutraler weisser junger Erwachsener mit kurzen braunen Haaren und blauen Augen».

Das Fake-Profil von Drew Ortiz, einem imaginären Produktetester bei «Sports Illustrated».

Auch die Empfehlungen von Ortiz, beispielsweise die besten Volleybälle, sind KI-generiert. Immerhin deklariert «Sports Illustrated» offen, dass es daran verdient, wenn die Websites der empfohlenen Produkte dank ihrer «Tests» angeklickt werden.

Ortiz war nicht das einzige Fake-Profil. Auch eine Asiatin namens Sora Tanaka gab angeblich ihre Expertise ab. «Sora war schon immer ein Fitness-Guru und liebt es, verschiedene Lebensmittel und Getränke auszuprobieren», heisst es. «Frau Tanaka ist begeistert, ihr Fachwissen über Fitness und Ernährung in das Produktbewertungsteam einzubringen.» Auch ihr Foto ist zu erwerben, dazu steht «fröhliche asiatische junge Erwachsene mit langen braunen Haaren und braunen Augen».

«Sports Illustrated» weist Täuschung von sich

Das Onlinemedium «Futurism» deckte den Skandal auf und konfrontierte «Sports Illustrated» damit, worauf das Magazin alle Fake-Profile und Fake-Produktetests von seiner Website entfernte und den Vorwurf der gezielten Täuschung entrüstet von sich wies. Der Inhalt sei eingekauft von einem Drittanbieter (AdVon Commerce), der versichert habe, er sei von Menschen geschrieben worden. Das Magazin beendete darauf die Zusammenarbeit mit AdVon.

KI-generierte Texte sind im Journalismus inzwischen an der Tagesordnung. Problematisch wird es, wenn dem Publikum vorgegaukelt wird, sie seien von Menschen mit einer spezifischen Expertise verfasst worden. Drew Ortiz, Sora Tanaka und andere Fake-Autoren manipulierten die Leserinnen und Leser und deren Kaufverhalten. Dass man bei «Sports Illustrated» nichts von diesem Täuschungsmanöver gewusst haben soll, scheint nicht plausibel. Und früher oder später musste es auffliegen.

Beim Sportmagazin gibt es auch noch echte Journalistinnen und Journalisten. Diese drückten in einem Statement ihre Empörung aus: «Wir verlangen von der Geschäftsführung Antworten und Transparenz darüber, was genau unter dem Namen SI veröffentlicht wurde. Wir verlangen, dass sich das Unternehmen zur Einhaltung grundlegender journalistischer Standards verpflichtet, wozu auch gehört, keine vom Computer geschriebenen Geschichten von erfundenen Personen zu veröffentlichen.»

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Das Beispiel von «Sports Illustrated» zeigt abermals, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Journalismus ein zweischneidiges Schwert ist. Denkbar ist, dass man testen wollte, wie weit man inzwischen gehen kann. Doch der Imageschaden ist beträchtlich für das Magazin, das einst als Perle des Sportjournalismus galt. 2018 wurde es von der Time Inc. an den Medienkonzern Arena Group verkauft. Inzwischen erscheint es in Papierform nur einmal im Monat statt wöchentlich, die Zahl der Abonnenten ist von drei Millionen auf eine gesunken.

Der Aufschrei über das Täuschungsmanöver von «Sports Illustrated» war in den US-Medien gross – von der «New York Times» bis zur «Washington Post». In der Post beklagte Rick Reilly, der 23 Jahre für das Sportmagazin geschrieben hatte, den Niedergang des Journalismus: «Wir lebten, um die Wahrheit zu schreiben. Wenn wir einen verrückten Ex-Vietnamkriegspiloten anheuern mussten, der uns durch einen Schneesturm in die Ostantarktis flog, um den grössten lebenden Bergsteiger zu interviewen, dann taten wir das. Es wäre viel einfacher gewesen, Chat-GPT zu bitten, das zu tun, und an die Bar zu gehen.»

Um Fake-Reporter Drew Ortiz mache er sich übrigens keine Sorgen, schrieb Reilly. Der werde bald wieder einen Job bekommen. Um die Menge aufzufüllen bei Donald Trumps nächster Amtseinführung als US-Präsident. Bei seiner ersten hatte der ja fälschlich behauptet, es seien so viele Menschen vor Ort gewesen wie noch nie.