Best of Mamablog: Zur VereinbarkeitKennen Sie diese Blicke im Büro?
Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehts nicht nur um Kitaplätze und Steuerabzüge. Es geht auch um Betriebskultur – um Halbsätze und Vertrauen.
Unsere Bloggerinnen und Blogger sind in den Ferien. Daher publizieren wir heute diesen Beitrag vom 28. November 2022, der besonders viel zu reden gab.
Nein, das wird jetzt kein Lamento über die angebliche Rückständigkeit der Schweiz in der Familienförderung. Ich will die strukturellen Probleme, die es bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gibt, nicht kleinreden. Aber genauso wenig in die Übertreibungen einstimmen – dass es keine Kitaplätze gibt, sich das Arbeiten wegen der Kosten nicht lohnt usw.
Tatsache ist: Die Krippen sind teuer und Plätze fehlen, vor allem auf dem Land. Aber, und das muss mal gesagt sein: In den Deutschschweizer Städten, wo viele der lautesten Kritikerinnen und Kritiker zu Hause sind, sieht es anders aus. Es gibt genügend Plätze und sie werden für einkommensschwache Familien erheblich subventioniert.
Wir bezahlen voll. Bei zwei betreuten Kindern bedeutet das rund 250 Franken pro Tag. Das ist viel Geld, trotzdem lohnt es sich, dass wir beide arbeiten. Nicht nur emotional, wegen des Umfeldes, der Selbstwirksamkeit, der linearen Berufsbiografie. Auch finanziell – und das im Journalismus, einem Gewerbe, das nicht eben für seine Lohnexzesse bekannt ist.
Die atmosphärische Seite
Natürlich bleibt nicht viel übrig. Aber was jene ausblenden, die lauthals vom dänischen, schwedischen oder deutschen Modell der Gratis-Kitas schwärmen, sind die Steuern. Zwei, drei Jahre lang 25'000 Franken für die Kita zu bezahlen, ist uns beiden lieber, als ein Leben lang unser halbes Einkommen abzugeben. Es ist eine Frage der Kultur: Pauschalreise oder Individualbuchung? Wir denken, dass wir mit dem Schweizer Modell besser fahren.
Eine Frage der Kultur ist auch, wie die Betriebe mit Müttern und Vätern umgehen, und hier gibt es in der Schweiz viel Verbesserungspotenzial. Ich meine nicht gleitende Arbeitszeiten oder Teilzeitpensen. Das bieten unterdessen viele Firmen an, auch auf Kaderstufen, und diese institutionelle Seite von Vereinbarkeit erhält die nötige Beachtung. Übersehen wird, dass es auch eine atmosphärische Seite gibt.
Wie kommt das an, wenn man zum dritten Mal in drei Monaten ausfällt, weil man ein krankes Kind pflegen muss?
Wie blicken einen die Kollegen und die Vorgesetzte im Büro an, wenn man um Punkt 17 Uhr zusammenpackt, um die Kinder in der Kita abzuholen? Wie kommt das an, wenn man zum dritten Mal in drei Monaten ausfällt, weil man ein krankes Kind pflegen muss? Wie wird im Betrieb über den Vaterschafts- und Mutterschaftsurlaub geredet – diese zauberhafte Zeit, die mit Urlaub aber nun wirklich gar nichts zu tun hat?
Wir kennen alle diesen Typus im Büro, der einen spüren lässt, man mache zu wenig. Diese Person, die meint, sie allein opfere sich auf. Ob das nun stimmt oder nicht. Eltern sind den passiv aggressiven Freundlichkeiten solcher Leute besonders ausgesetzt: «Ja dann, einen schönen Feierabend dir», «Geniess dein langes Wochenende». Es sind dieselben Formulierungen, wie sie jene wählen, die es gut mit einem meinen. Das macht es umso schwieriger zu wissen, woran man bei den Kollegen im Büro ist.
Quiet Quitting verhindern
Wenn ich zwei Dinge über arbeitende Eltern weiss, dann das, dass sie besonders effizient und besonders pflichtbewusst sind. Ich sage das mit Überzeugung über alle Eltern, mit denen ich je zusammengearbeitet habe; auch damals, als ich selbst noch keine Verpflichtungen hatte. Eltern sind fokussiert, nutzen ihre Zeit, verlieren sich nicht in Kleinigkeiten – «schaffen fürschi», wie man auf gut Schweizerdeutsch sagt. Dass sie ihre Leistung bringen und das wahrgenommen wird, ist ihnen wichtig. So geht es mir auch.
Vereinbarkeit setzt eine Betriebskultur voraus, in der es selbstverständlich ist, dass Eltern bestimmte familiäre Termine haben und die nicht Anwesenheit und Selbstdarstellung, sondern Leistung und Resultate belohnt. Und Eltern brauchen Anerkennung. Fehlt sie, riskieren Unternehmen, dass Mütter und Väter zum Dienst nach Vorschrift übergehen – zum Quiet Quitting, wie es Neudeutsch heisst. Oder sie kündigen und suchen sich gleich ein Umfeld, in dem nur Minimalisten arbeiten.
Es geht nicht darum, Eltern zu verhätscheln oder sie mit Samthandschuhen anzupacken, sondern darum, ihnen ein ehrliches Feedback zu geben, ihr Engagement zu würdigen und ihnen so auch die eigene Verunsicherung zu nehmen, wie sie entsteht, wenn man tausend Dingen gleichzeitig gerecht werden muss. Es ist jene Dimension der Vereinbarkeit, in der noch viel erreicht werden kann, ohne einen Franken in die Hand zu nehmen.
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