Airline hat sich verkalkuliertKehrtwende bei der Swiss – Angebot an Entlassene
Im Sommer mussten 334 Flugbegleitende gehen. Bald dürften sie überraschend Post von der Schweizer Airline erhalten.
Die Fluggesellschaft Swiss hat sich verkalkuliert: Im Sommer 2021 hat sie 550 Angestellten im Rahmen einer Massenentlassung gekündigt. 334 davon waren Flugbegleiterinnen. Nur wenige Monate später fragt die Airline diese nun an, ob sie zurückkehren wollen.
In einem Schreiben, das die Swiss an alle Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter geschickt hat und das dieser Redaktion vorliegt, steht: «Alle Kolleg:innen, von welchen wir uns im Rahmen der Restrukturierungsmassnahmen trennen mussten, werden seitens HR im Januar 2022 mit dem Angebot eines Rückkehrrechts ab April 2022 angeschrieben.»
Mit Blick auf den kommenden Sommerflugplan wolle und müsse die Swiss sicherstellen, dass sie das zurzeit prognostizierte Flugvolumen ohne personelle Engpässe in der Kabine abdecken könne. Die Swiss geht davon aus, im kommenden Sommer etwa 80 Prozent der Vorkrisen-Kapazität anbieten zu können.
Aktuell liegt sie bei rund 60 Prozent und schreibt damit, davon ist nach vergangenen Aussagen der Geschäftsleitung auszugehen, schwarze Zahlen. Zumindest die Anzahl Flüge hat auch nicht unter den verschiedenen Reisebeschränkungen gelitten, die der Bundesrat seit dem erstmaligen Auftreten der Omikron-Variante Ende November eingeführt hat.
Der Grund für die Personal-Rückholaktion ist allerdings nicht, dass sich die Verkehrsprognosen verändert hätten. Der Schritt erfolgt vielmehr, weil sich der Personalbestand anders entwickelt, als es die Swiss geplant hatte. So hätten «deutlich mehr Kolleg:innen als erwartet von der Möglichkeit einer freiwilligen Frühpensionierung profitiert», heisst es. Weiter habe sich die reguläre Fluktuation nicht so entwickelt, wie es die Firma erwartet hatte.
Zudem verliere man wegen des per Anfang Dezember eingeführten Impfobligatoriums zusätzliche Mitarbeitende, was man zum Zeitpunkt der Massenentlassung im Sommer so nicht vorausgesehen hatte. Im Moment dürfen rund 200 Flugbegleiterinnen nicht arbeiten, da sie sich nicht impfen lassen, wie diese Zeitung erfahren hat. Wenn sie sich der Impfung weiterhin verweigern, erhalten sie im Januar die Kündigung. Die Swiss-Medienstelle bestätigt die Zahl nicht, schreibt aber: «Wir rechnen mit möglichen Abgängen im niedrigen dreistelligen Bereich.»
Per sofort dürfen Flugbegleiterinnen als weitere Massnahme ihr Pensum nicht mehr reduzieren. Im Gegenteil können sie ihr Pensum unkompliziert erhöhen, wie die Swiss schreibt. Zudem können Temporäre einfacher einen Wechsel in den Festangestellten-Status beantragen. Je nach Erfolg dieser Massnahmen und der Rückholaktion wird die Swiss im kommenden Jahr darüber hinaus weitere Flugbegleiter rekrutieren.
«Ich habe Kolleginnen, die wurden sowohl nach dem Swissair-Grounding als auch bei der Restrukturierung 2006 entlassen und danach zurückgeholt. Die Swiss lernt einfach nichts aus der Geschichte.»
Für die verkehrsreichen letzten Tage des Jahres dürfte das alles keinen grossen Einfluss mehr haben. «Dies alles führt aktuell dazu, dass eure Einsatzpläne insbesondere jetzt im Dezember mit dem Feiertagspeak streng sind», schwört die Swiss das Personal deswegen darauf ein. Und schreibt gleichzeitig, dass sie sich bei allem Bedauern über die vielen Abgänge darüber freue, vielen anderen Personen eine Erhöhung des Pensums oder eine Rückkehr ermöglichen zu können.
Sandrine Nikolic-Fuss, Chefin der Kabinenpersonalsgewerkschaft Kapers, freut sich einerseits für ihre Ex-Kolleginnen, dass sie zurückkehren dürfen. Andererseits ist sie enttäuscht von der Swiss: «Wir haben den Swiss-Chefs im Frühsommer gesagt, dass die Entlassungen keinen Sinn haben, weil sie die Leute beim Aufschwung bald zurückholen müssen.»
Man habe ihnen aber nicht geglaubt. Dabei sei es schon bei den letzten Entlassungswellen so gewesen. «Ich habe Kolleginnen, die wurden sowohl nach dem Swissair-Grounding als auch bei der Restrukturierung 2006 entlassen und danach zurückgeholt», sagt Nikolic-Fuss. «Die Swiss lernt einfach nichts aus der Geschichte.»
Schon im Sommer Personalmangel
Die Swiss bestätigt auf Anfrage, dass man sich zu den genannten Schritten entschieden habe, und schreibt: «Diesen Entscheid musste die Swiss im Frühling 2021 auf der Basis der zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen und der damals geplanten Kapazität für den Sommer 2022 fällen.»
Schon im vergangenen Hochsommer, nur wenige Wochen nach der Massenentlassung und mitten in der Hauptferienzeit, beklagte die Swiss vorübergehend an Wochenenden einen Personalmangel. Grund war laut Swiss damals aber nicht die Massenentlassung, sondern unter anderem, dass viele Angestellte wegen Impfterminen ausfielen. Auch hatte der Verkehr auf gewissen Strecken sprunghaft angezogen. Zudem tauchten deutlich mehr Mitarbeiterinnen als normal nicht zur Arbeit auf. Teilweise mussten deswegen Maschinen mit weniger Kabinenpersonal als geplant abheben.
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