Katholischer MissbrauchsskandalKirchensteuer-Aufstand: Landeskirche pfeift aufmüpfige Gemeinden zurück
Sieben Luzerner Kirchgemeinden überweisen ihrem Bischof keine Kirchensteuern mehr. Jetzt sagt ihre vorgesetzte Behörde: Der Zahlungsboykott ist nicht rechtens.
Der Zorn der Gläubigen ist gross. Sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche und dessen Vertuschung durch die Kirchenoberen führen zu einer Austrittswelle. Zudem diskutiert die Kirchenbasis, wie sie auf die Bischöfe Druck ausüben kann.
Im Kanton Luzern haben die Kirchenräte von sieben Kirchgemeinden gehandelt: Adligenswil und die sechs Kirchgemeinden des Pastoralraums Willisau haben beschlossen, dem für sie zuständigen Bischof von Basel, Felix Gmür, kein Geld mehr aus der Kirchensteuer zu überweisen.
Vier Forderungen
Die Gelder sollen erst wieder fliessen, wenn vier Forderungen erfüllt sind: die Durchführung einer unabhängigen Untersuchung der Missbrauchsfälle, die Einrichtung einer Meldestelle, der Stopp der Aktenvernichtung und die Öffnung der kirchlichen Archive.
Eine Vertreterin des Pastoralraums Willisau sagte der «Luzerner Zeitung»: «Wir spüren den Druck der Basis.» Der dem Bistum Basel geschuldete Betrag von 48’000 Franken wird nun auf ein Sperrkonto einbezahlt. «Wir sind uns bewusst, dass der Betrag eher symbolisch ist», sagt die Sprecherin, «aber es geht darum, ein Zeichen zu setzen.»
Dieses Zeichen kommt allerdings bei der übergeordneten Kirchenbehörde schlecht an. Die Leitung der katholischen Landeskirche Luzern berief am Montag eine Sondersitzung ein und verfasste eine schriftliche «Empfehlung», die sie am Dienstag an die Pfarreien verschickte.
Zuständig ist das Kirchenparlament
Darin erinnert die kantonale Kirchenleitung die Kirchgemeinden daran, dass die lokalen Kirchenbehörden nicht selbst über die Zahlungen an das Bistum entscheiden können: «Die Synode, das 100-köpfige Kirchenparlament, legt die Höhe der Bistumsbeiträge fest.»
Die Leitung der Luzerner Landeskirche zeigt aber auch Sympathie für den Unmut der sieben Kirchgemeinden. Die Boykottbeschlüsse zeigten das Unverständnis und die Wut der Gläubigen über die Ergebnisse der Studie zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche.
Die Kirchenleitung empfiehlt den rebellierenden Gemeinden, ihre Anliegen bei der nächsten Sitzung des Kirchenparlaments am 8. November vorzutragen. Die Synode entscheidet dann über die Gesamtbeiträge der Luzerner Kirchgemeinden an die Landeskirche und damit auch über die Beiträge an das Bistum.
Aufruf verhallt ungehört
Die protestierenden Kirchenräte hatten in ihren Boykottbeschlüssen weitere Kirchgemeinden dazu aufgerufen, sich ihnen anzuschliessen. Davon ist bisher wenig zu spüren. Auch im Kanton Zürich, dessen Katholiken dem Bistum Chur angehören, wird kein Zahlungsboykott diskutiert. Eine Sprecherin der Zürcher Landeskirche sagt: «Aktuell sind uns keine Vorstösse in dieser Richtung bekannt.»
Doch auch die Zürcher Kirchenleitung formulierte am Mittwoch Forderungen an die Schweizer Bischöfe. Sie sollen den Missbrauchsskandal aufarbeiten, Meldestellen einrichten und sich in Rom für die Aufhebung des Zölibats und für den gleichberechtigten Zugang von Frauen und Männern zum Pfarramt einsetzen.
Ganz vom Tisch ist der Zahlungsboykott jedoch nicht. Die kantonalen Kirchenleitungen von Luzern und Zürich sprechen von «weiteren Massnahmen», die sich aufdrängen würden, sollten die Schweizer Bischöfe nicht auf ihre Forderungen eingehen.
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