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Skandal in Schweizer Kirche
Frauen aus sechs Parteien gehen gegen sexuellen Missbrauch vor

Weihrauch wird verstroemt, am Samstag, 8. September 2007, anlaeslich einer Bischofsweihe im Kloster Einsiedeln. (KEYSTONE/Steffen Schmidt)
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Im Bundeshaus zeigen sich viele betroffen über die mehr als 1000 Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, die jüngst bekannt wurden. Nun tun sich Parlamentarierinnen von sechs Parteien zusammen. Ihr Ziel: das Risiko minimieren, dass Kinder und junge Erwachsene Opfer von Übergriffen werden.

Mehrere Nationalrätinnen werden am Donnerstag, kurz vor Ende der Herbstsession, gemeinsam eine Motion einreichen, die dieser Redaktion vorliegt. Initiiert haben diese Tamara Funiciello (SP), Patricia von Falkenstein (LDP/FDP-Fraktion), Priska Wismer (Mitte), Kathrin Bertschy (GLP), Greta Gysin (Grüne) und Liliane Studer (EVP). 

Sie fordern verpflichtende und standardisierte Schutzkonzepte in Kirchen und anderen Institutionen, die mit Kindern arbeiten. Kinder und Jugendliche sollen besser vor «sexuellem, physischem und psychischem Missbrauch» geschützt werden. Neben den Kirchen wären etwa Schulen oder Sport- und Musikvereine betroffen. Die Motionärinnen betonen, dies sei wichtig, weil jüngst beispielsweise auch im Bereich des Leistungssports Fälle von physischer und psychischer Gewalt bekannt geworden seien. 

Vorschlag soll «kein Bürokratiemonster» sein

Einige dieser Organisationen haben heute schon eigene Schutzkonzepte. Künftig sollen diese aber «standardisiert und verbindlich» sein, also klare Kriterien erfüllen müssen. Welche das sind, soll der Bundesrat vorschlagen. SP-Nationalrätin Tamara Funiciello erklärt: «Die Schutzkonzepte der Kirche konnten die vielen Übergriffe nicht verhindern, was zeigt, dass sie bei weitem nicht ausreichen.»

Vom Bundesrat fordern Funiciello und die anderen Nationalrätinnen auch Vorschläge, wie kontrolliert werden kann, dass die Schutzkonzepte eingehalten werden. All dies soll er als neue Gesetzesgrundlage dem Parlament vorlegen. 

Verursacht der Vorschlag nicht viel zusätzliche Bürokratie? EVP-Nationalrätin Lilian Studer widerspricht: «Es gibt sicher eine Lösung, die Kontrollen ermöglicht, ohne dass wir ein Bürokratiemonster schaffen.» Funiciello ergänzt: «Für den Schutz von Kindern ist ein bisschen mehr Bürokratie ja wohl gerechtfertigt.»

«Wir erwarten vom Bundesrat, dass er einen griffigen Vorschlag macht.»

Tamara Funiciello, Präsidentin SP-Frauen

Das Ziel der Parlamentarierinnen ist, dass allen Verantwortlichen klar ist, wie sie vorgehen müssen, wenn ein Übergriff gemeldet wird oder ein Verdacht besteht. Funiciello zieht einen Vergleich zu Sportvereinen: «Wer dort Trainer wird, muss im ersten Jahr einen Kurs beim Förderungsprogramm Jugend & Sport machen und lernt, Nothilfe zu leisten.»

Denkbar seien etwa Schulungen oder Factsheets des Bundes, in denen gezeigt werde, wie man Missbrauch erkennen könne. «Das ist aber nur eine Idee – wir erwarten vom Bundesrat, dass er hier einen griffigen Vorschlag macht», so die Präsidentin der SP-Frauen. 

Mit der Mitte, sprich der früheren CVP, und der EVP sind auch beide Parteien mit einer traditionellen Verbindung zu den Landeskirchen involviert. Geht es um die Kirchen, verweist der Bundesrat in der Regel darauf, dass die Kantone zuständig seien. So auch in dieser Session, in der er mehrere Fragen zum Missbrauch in der katholischen Kirche beantworten musste.

Zum Kantonsargument sagt EVP-Präsidentin Studer: «Der Schutz von Kindern und Jugendlichen geht die ganze Schweiz etwas an. Wir können jetzt nicht warten, bis jeder Kanton einzeln handelt.» Patricia von Falkenstein, die in der FDP-Fraktion politisiert, sagt, sie sehe es in der Regel ungern, wenn sich der Bund in die Aufgaben der Kantone einmische: «Aber bei diesem Thema ist es gerechtfertigt. Denn Kinder können sich nicht gegen Missbrauch wehren, es geht also um den Schutz der vulnerabelsten Gruppe.»

Chancen stehen gut für eine Mehrheit

In der Herbstsession wurden als Reaktion auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche schon mehrere andere Vorstösse eingereicht. Sie stammen allerdings von einzelnen Parlamentariern.  Die Motion der sechs Parlamentarierinnen ist der erste parteiübergreifende Vorschlag, der so breit abgestützt ist. Die Fraktionen von SP und Grünen haben bereits entschieden, ihn zu unterstützen.

Die Mitte-Fraktion diskutiert Vorstösse jeweils nicht vorab, doch Fraktionschef Philipp Matthias Bregy sagt: «Ich persönlich unterstütze den Vorstoss und vermute, dass mindestens eine Mehrheit unserer Fraktion dies ebenfalls tun wird.»

Auch die GLP dürfte Ja sagen. Sie hat sich bereits für eine parlamentarische Initiative von GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy ausgesprochen, die in eine ähnliche Richtung geht, allerdings auf die Kirche beschränkt ist. Darin fordert Bertschy unter anderem Sorgfalts- und Haftungsregeln für die katholische Kirche. Obwohl noch offen ist, wie breit der Rückhalt in der FDP sein wird, stehen die Chancen auf eine Mehrheit im Parlament gut. Einzig von der SVP ist bisher niemand involviert.