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Lage in der Ostukraine
Falls Sjewjerodonezk fällt, wäre dies ein wichtiger Erfolg für Moskau

Rauchwolken steigen aus der schwer umkämpften Stadt Sjewjerodonezk.
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Russische Truppen haben nach ukrainischen Angaben im Gebiet Luhansk inzwischen die Hälfte der umkämpften Gebietshauptstadt Sjewjerodonezk eingenommen. Die Frontlinie verlaufe in der Mitte, sagte der Chef der lokalen Militärverwaltung, Olexandr Strjuk, am Dienstag. Die Kämpfe seien weiter in Gang. Die Stadt ist die letzte Bastion im Gebiet Luhansk unter ukrainischer Kontrolle. Fällt sie, haben die Militärführung in Moskau und die prorussischen Separatisten ein für sie wichtiges Etappenziel des Krieges erreicht, die volle Kontrolle über das Gebiet Luhansk.

Strjuk hatte zuvor gesagt, dass Sjewjerodonezk zu zwei Dritteln eingekesselt sei von russischen Truppen. Zudem seien 90 Prozent der Gebäude beschädigt oder zerstört. Von einst 100’000 Einwohnern hielten sich heute nur noch 12’000 in der Stadt auf. Seit Beginn des russischen Beschusses seien etwa 1500 Menschen dort getötet wurden.

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Der Gouverneur der Region Luhansk, Serhi Gajdaj sagte in einem Telefonat mit BBC Radio 4, dass die Russen versuchten, die Stadt von vielen Seiten anzugreifen. «Leider sind sie bereits in die Stadt eingedrungen», die Situation sei ernst. Weiter berichtete Gajdaj von Spitalautos, die beschossen worden seien. «Wir wissen nicht, was mit den Ärzten passiert ist. Sie gehen nicht ans Telefon.» Auch ein Spital sei zerstört worden. «Aber die ukrainischen Truppen sind nicht abgezogen. Im Moment wird in der Stadt gekämpft», so Gajdaj.

Der ukrainische Generalstab teilte in seinem Lagebericht am Dienstag ebenfalls mit, dass der Feind im Raum Sjewjerodonezk Sturmaktivitäten im Bereich der Ortschaften Sjewjerodonezk und Toschkiwka durchführe. 

Der Anführer der prorussischen Separatistenregion Luhansk, Leonid Pasetschnik, kam in der russischen Nachrichtenagentur Tass zu Wort. Man habe etwa ein Drittel der Stadt unter Kontrolle,  die eigenen Truppen kämen aber nicht so schnell voran, wie man es sich erhofft habe. Die durch einen Fluss getrennten Städte Sjewjerodonezk und Lissitschansk sind noch die letzten von der Ukraine kontrollierten Städte in der Region Luhansk. Sjewjerodonezk ist jedoch schon seit Wochen heftig umkämpft. Die für die ukrainische Chemieindustrie bedeutende Stadt ist bereits schwer zerstört.

Die Eroberung hätte für Moskau nach dem Rückzug der eigenen Truppen vor Kiew grosse symbolische Bedeutung, um die «Befreiung der Region Luhansk» verkünden zu können. Moskau hat die beiden selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk bereits als unabhängige Staaten anerkannt. Ihre Einnahme zählt zu Russlands Kriegszielen.

Risiken für Russlands Armee

Von Strassenkämpfen in den Randgebieten berichtete der britische Geheimdienst. Der MI6 bewertet die verstärkte Offensive der Russen in der Region Luhansk mit einer Akzeptanz Moskaus, in anderen besetzen Gebieten grössere Risiken einzugehen. Russland habe in Luhansk zwar langsame, aber grössere Fortschritte gemacht als in früheren Phasen des Krieges, da es seine Truppen und Waffen in einer relativ kleinen Region konzentriert habe, hiess es am Dienstag in einem Update des britischen Verteidigungsministeriums. 

Der Fokus auf Luhansk bedeute, dass Russland in anderen besetzen Gebieten seine Kontrolle riskiere. Um die Regionen Luhansk und Donezk vollständig zu besetzen, wie es Moskau wohl anstrebe, müssten die Russen neben Sjewjerodonezk auch die wichtige Stadt Kramatorsk und die Hauptverkehrsader zwischen Dnipro und Donezk unter ihre Kontrolle bringen, hiess es weiter.

Schon seit Beginn des Krieges veröffentlicht die britische Regierung in ungewöhnlich offener Art und Weise regelmässig Geheimdienstinformationen zum Verlauf des Angriffskriegs. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.

Organisation: Tausende Zivilisten in Sjewjerodonezk brauchen Hilfe

Internationale Helfer warnen, dass die humanitäre Lage vor Ort immer katastrophaler werden könnte. Die Nachrichtenagentur dpa zitierte den Generalsekretär der Hilfsorganisation Norwegian Refugee Council (NRC), Jan Egelenand, mit den Worten: «Wir befürchten, dass bis zu 12’000 Zivilisten in der Stadt im Kreuzfeuer gefangen sind, ohne ausreichenden Zugang zu Wasser, Lebensmitteln, Medikamenten oder Strom.»

In Zusammenarbeit mit örtlichen Partnern habe der NRC in der vergangenen Woche Lebensmittel und Hygieneartikel an die in der Region verbliebene Zivilbevölkerung verteilt, hiess es weiter. Die sich zuspitzenden Gefechte machten nun die Lieferung von Hilfsgütern unmöglich. Der nahezu ununterbrochene Beschuss zwinge die Zivilisten dazu, in Luftschutzräumen und Kellern Zuflucht zu suchen. Es gebe nur noch wenige Fluchtmöglichkeiten.

«Wir können im Granatenhagel keine Leben retten», so Egeland. Er forderte alle Beteiligten auf, Organisationen unverzüglich Zugang zu gewähren. So könnten Mitarbeiter Zivilisten dabei helfen, die Stadt sicher zu verlassen, und lebensrettende Unterstützung leisten.

Verluste für russische Armee

Weitere russische Bodenangriffe werden aus dem etwas weiter westlich gelegenen Raum Bachmut gemeldet. Dort hätten die Russen die Ortschaften Solote, Komischuwacha, Berestowe, Pokrowske und Dolomitne angegriffen. Im Lagebericht heisst es zwar, die Attacken seien erfolglos verlaufen, gleichzeitig jedoch, dass sie fortgesetzt würden. Die Angriffe rund um Bachmut bezwecken offenbar, den letzten von der Ukraine gehaltenen Ballungsraum in der Region Luhansk, Sjewjerodonezk – Lissitschansk, abzuschneiden und so die dort stationierten Truppen aufzureiben.

An anderen Frontabschnitten verlief die Nacht ruhiger. So meldet der ukrainische Generalstab im Raum Slowjansk, der als Zentrum der kiewtreuen Truppen im Donbass gilt, nur vereinzelte Gefechte. Der russische Angriff auf die Ortschaft Dowgenke sei abgewehrt worden. Auch beim Versuch, aus der jüngst vom russischen Militär eroberten Kleinstadt Liman heraus neue Angriffsrouten zu erkunden, habe der Feind Verluste erlitten und sich zurückgezogen. Unabhängig sind die Angaben nicht zu überprüfen.

Slowjansk wurde nach Angaben des Chefs der Militärverwaltung von Donezk, Pawlo Kirilenko, in der Nacht von einem Raketenschlag getroffen. Dabei seien eine Schule und sieben Wohnhäuser getroffen worden, teilte er am Dienstag mit. Seinen Angaben nach wurden drei Menschen getötet und sechs verletzt.