Ukraine gerät unter DruckRussen beschiessen Dutzende Städte im Donbass
Die Invasoren verstärken ihre Angriffe im Osten der Ukraine. Gleichzeitig will der Kreml die Bewohner der besetzten Südukraine mit Pässen an sich binden.
Die Ukraine versucht sich im Krieg mit Russland gegen zunehmenden Druck der russischen Streitkräfte zu stemmen. Nach ukrainischen Angaben hat Russland im Donbass zuletzt mehr als 40 Städte angegriffen. Schwierig ist die Lage rund um die strategisch wichtige Stadt Sjewjerodonezk, deren wichtige Zufahrtsstrasse durch Beschuss gefährdet ist – und damit auch ein Fluchtweg für die Zivilbevölkerung.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski wies in einer Videobotschaft darauf hin, dass die russischen Truppen bei der Zahl der Soldaten und der Ausrüstung den eigenen zum Teil überlegen seien. Sein Berater Olexi Arestowitsch sprach von «einigen taktischen Erfolgen» der Russen, die zu einem grösseren Problem zu werden drohten.
Invasoren stossen immer tiefer vor
«Der Kampf hat seine maximale Intensität erreicht», sagte Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar am Donnerstag zur Lage im Donbass. «Die feindlichen Truppen stürmen die Positionen unserer Truppen gleichzeitig aus mehreren Richtungen.» Angesichts dieses Vorrückens der russischen Armee hätten die ukrainischen Soldaten «eine extrem schwierige und lange Kampfphase» vor sich.
Russland hat seine Truppen aus dem Zentrum und dem Norden der Ukraine in den Osten verlagert, um dort seine militärischen Erfolge zu konsolidieren. Seitdem dringen russische Soldaten langsam, aber stetig immer tiefer in die Donbass-Region vor. Strategisch wichtige Städte wie Sjewjerodonezk werden von den Russen belagert. «Die Lage bleibt schwierig, und es gibt Anzeichen für eine weitere Verschärfung», sagte Maljar.
Der Gouverneur der zum Donbass gehörenden Region Luhansk, Serhi Gajdaj, schilderte in einer Videobotschaft im Messengerdienst Telegram, schwere russische Bombardements auf Lyssytschansk hätten schwere Schäden an ziviler Infrastruktur angerichtet, darunter an einem Zentrum für humanitäre Hilfe. Bei den jüngsten russischen Angriffen kamen drei Menschen ums Leben. «Es ist sehr hart für unsere Jungs», sagte Gajdaj mit Blick auf die ukrainischen Soldaten. «Extrem schwierig. Aber sie halten die Stellung.»
Russland lässt Pässe verteilen
Russland erhöht ausserdem den Druck, indem es im bereits von ihm kontrollierten Cherson sowie im Gebiet Saporischschja den Bewohnern russische Pässe anbietet. Präsident Wladimir Putin unterzeichnete am Mittwoch ein entsprechendes Dekret für eine erleichterte Einbürgerung. Putin hatte bereits 2019 den Einwohnern der abtrünnigen ukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk die Einbürgerung vereinfacht. Die ukrainische Regierung befürchtet, dass Russland sich die Regionen Luhansk, Donezk und Cherson nach dem Vorbild der 2014 annektierten Schwarzmeerhalbinsel Krim einverleiben könnte.
Zugleich deutet allerdings auch Moskau an, dass der Krieg gegen die Ukraine für Russland deutlich schwieriger verläuft als erwartet. Das russische Parlament hat das Höchstalter für den Einzug von Soldaten von 40 auf 50 erhöht. Unterdessen machte der Kreml den Westen für die in der Ukraine blockierten Getreideexporte verantwortlich und forderte die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland: «Sie sollen jene illegalen Entscheidungen aufheben, die die Frachtschiffe, die Ausfuhr von Getreide und so weiter und so fort behindern», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.
Putin habe in der Ukraine schon jetzt alle strategischen Ziele verfehlt, sagte Scholz in Davos.
Deutschlands Kanzler Olaf Scholz betonte beim Weltwirtschaftsforum in Davos, man werde den «imperialistischen Angriffskrieg Russlands» nicht hinnehmen. «Das ist der Versuch, uns zurückzubomben in eine Zeit, als Krieg ein gängiges Mittel der Politik war.» Russlands Präsident Putin habe schon jetzt alle strategischen Ziele verfehlt: «Eine Einnahme der gesamten Ukraine durch Russland scheint heute weiter entfernt als noch zu Beginn des Krieges.»
Kiews Bürgermeister Witali Klitschko hatte zuvor in Davos an die deutsche Regierung appelliert, seinem Land unverzüglich weitere Waffen zu liefern. «Wir brauchen schnelle Entscheidungen», sagte er. «Wir verteidigen nicht nur die Ukraine, sondern wir verteidigen Europa, die Welt, jeden von Ihnen.»
Doch Scholz gab keine neuen Zusagen. Dafür betonte er die zusätzlichen Ausgaben für das deutsche Militär, die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine und die bislang verhängten Sanktionen – auf Deutschland sei Verlass. «Wir machen Deutschland und Europa unabhängig von Energieimporten aus Russland.»
Informelle Waffenabsprachen der Nato
Internationale Kooperation und Austausch seien die Antwort auf Krieg, Pandemie und Klimawandel, sagte Scholz – dabei müssten auch Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika einbezogen werden. Er glaube nicht an eine neue Bipolarität zwischen China und den USA und halte es auch für falsch, China zu isolieren.
Innerhalb der Nato gibt es nach Informationen der Nachrichtenagentur DPA informelle Absprachen zum Verzicht auf die Lieferung bestimmter Waffensysteme an die Ukraine. Wie der DPA aus Kreisen der Militärallianz in Brüssel bestätigt wurde, soll damit das Risiko einer direkten militärischen Konfrontation zwischen Nato-Staaten und Russland möglichst gering gehalten werden.
Befürchtet wird, dass Russland die Lieferung westlicher Kampfpanzer und Kampfflugzeuge als Kriegseintritt werten könnte und Vergeltungsmassnahmen ergreift. Waffensysteme dieser Art wurden bislang nicht in die Ukraine geliefert.
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