«Kafka» auf ARDDie Kafka-Serie mit Joel Basman ist ein Fernsehereignis
Die ARD-Serie will das Wesen von Kafkas Literatur erfassen. Es gelingt erstaunlich gut.
Im Kafka-Jahr hat die ARD an zwei Abenden die Primetime freigeräumt für eine sechsteilige Serie, die sich dem Leben dieses wohl rätselhaftesten Schriftstellers des 20. Jahrhunderts widmet. Dort, wo die Zuschauer sonst mit Krimi-Banalitäten unterfordert werden, erwartet sie ausnahmsweise ein biografisch-filmisches Kunstwerk.
Drehbuchautor Daniel Kehlmann, Regisseur David Schalko und ein hochkarätiges Schauspielensemble zielen hoch: etwas vom Wesen der Literatur Kafkas zu fassen zu bekommen, indem man ihren Schöpfer und die Umstände ihrer Entstehung in den Blick nimmt.
Das gelingt erstaunlich gut. Kafkas leibhaftige Erscheinung glaubt man dem jungen Schweizer Joel Basman vom ersten Auftritt an. Er gibt fast nur Kafka-Zitate von sich – aber so, dass sie immer in die jeweilige Situation passen (eine Meisterleistung des Drehbuchautors Kehlmann!).
Man sieht ihn turnen, «fletschern» – jeden Bissen kaut er vierzigmal, ehe er ihn schluckt –, ins Bordell gehen, mit seinem Freund Max Brod palavern, einen brillanten Vortrag halten. Überhaupt hat dieser Kafka nichts von dem nichtswürdigen Wesen, zu dem er sich selbst stilisiert.
Um ihn herum eine bis in die Nebenrollen brillant und originell besetzte Truppe, darunter Lars Eidinger als Rilke, Verena Altenberger (!) als Musil oder Katharina Thalbach als Berliner Vermieterin. Ein Höhepunkt der Serie, die sich in jeder Folge einem Aspekt – der Familie, der Verlobten Felice et cetera – widmet, ist die fünfte Folge. Sie komprimiert die komplizierte Beziehung zu Milena Jesenská (grandios: Liv Lisa Fries) auf einen Nachmittagsspaziergang im Wienerwald: ein Kammerspiel, zwei Personen, alle Höhen und Tiefen, Nähe und Unverständnis, und das grossenteils in Kafka-Prosa.
David Schalkos Team hat die Atmosphäre der K.-u.-k.-Kanzleiwelt wunderbar rekonstruiert, mitsamt ihrem liebenswert-trottelhaften Personal, lässt aber auch die Beklemmung spüren, wie Kafka sie empfand – vor allem in der Familie, wo sein Durchgangszimmer kein wirklicher Rückzugsort war.
Das grösste Wagnis sind die diskret eingesetzten Szenen, in denen vom Erleben auf das Schreiben überblendet wird. Hier stützen sich Kehlmann und Schalko auf die akribische Biografie von Rainer Stach, der die Dreharbeiten als Berater begleitet hat. So sehen wir sogar ganz kurz das «ungeheuere Ungeziefer», in das Gregor Samsa sich verwandelt sieht – es ist eine riesige Kakerlake.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
«Kafka», auf ARD, Dienstag, 26. März, 20.15 Uhr (Teil 1–3), und Mittwoch, 27. März, 20.15 Uhr (Teil 4–6)
Fehler gefunden?Jetzt melden.