Kachelmanns WetterWarmer Februar: Natur hat zwei Wochen Vorsprung
Das knospende Blühgut ist dem Fahrplan voraus. Für Frühlings-Freunde mag das gut sein, für die Natur ist es schlimmstenfalls verheerend.
Pollenallergiker habens bemerkt: Wir sind durch den rekordwarmen Februar früh dran mit der Natur. Durch den Klimawandel verlängert sich die Vegetationsperiode deutlich, und dadurch hat das grosse Zittern bei Wein- und Obstbauern schon begonnen: Dass das ganze knospende Blühgut zwei Wochen Vorsprung auf den Durchschnittsfahrplan der letzten 30 Jahre hat, erhöht die Wahrscheinlichkeit für schlimme Frostschäden später im Frühling.
Klimawandel bedeutet nicht, dass es immer warm ist, sondern dass die natürlichen Schwankungen weiterhin stattfinden, aber auf erhöhtem Niveau. Ein Frost Anfang Mai mag nun nicht mehr –5 Grad, sondern –3,5 Grad haben. Aber die –3,5 Grad sind je nachdem schlimmer, weil jetzt schon Dinge im Saft stehen – wegen der zwei Wochen Vorsprung –, die früher noch in Warteposition gewesen wären. Deswegen wird, auch wenn es sich paradox anhört, Frost einer der grössten und schlimmsten Begleiterscheinungen des Klimawandels für die Landwirtschaft sein, auch weil man auf grösseren Flächen nicht so viel tun kann und das Beregnen keine einfache Sache ist. Hier nutzt man die Tatsache, dass gefrorenes Wasser (also Eis) knapp unter 0 Grad aufweist und damit für Blüten aushaltbarer ist als die erwähnten oft letalen –3 Grad und Schlimmeres.
Die Frage ist inzwischen also weniger, ob es kommt, sondern wann und wie schlimm. Landwirtschaftliche Versicherungen sind zurzeit ebenso nervös wie die Landwirte selbst, weil es teuer wird, wenn es zwischen den Hallauer Trauben und den Äpfeln im Thurgau alles erwischen sollte.
Für die nächsten 14 Tage sieht man noch nichts Unangenehmes. Der neue 46-Tage-Trend des Europäischen Zentrums für Mittelfristige Vorhersagen zeigt eine grössere Episode mit unterdurchschnittlichen Temperaturen in den letzten April- und den ersten Maitagen. Das wäre eine unpraktische Zeit. Simuliert wird eine Nordlage. Bevor wir aber mit Wehklagen beginnen, was den 2024er-Jahrgang in Sachen Blauburgunder und suure Moscht betrifft, müssen wir noch warten, ob das erstens so kommt und zweitens, was für eine Art Nordlage das wird. Ist sie feucht mit vielen Wolken, halten wir die drei Grad unter dem Schnitt gut aus. Legt sich nach dem feuchten Beginn ein dickes Hoch über uns und die Nächte werden klar, müssen wir uns Sorgen machen.
Sobald es klar wird, strahlt die Erdoberfläche ihre Wärme ins Weltall aus, und es kann bei Windstille und trockener Luft die ganze Nacht immer kälter werden. Wind und Wolken können das Schlimmste verhindern. Dass kalte Nächte meist klare Nächte sind, hat auch zum Aberglauben geführt, dass die Mondphase Einfluss aufs Wetter habe. Nein, hat sie nicht. Ob Vollmond oder nicht, ist dem Wetter völlig egal. Vollmondnächte sind auch nicht besonders kalt. Man sieht dann nur besser, dass es klar ist. Früher hätte man das Einbildung genannt, aber «selektive Wahrnehmung» hört sich einfach besser an.
* Jörg Kachelmann ist Meteorologe bei Kachelmannwetter.com. Er schreibt hier in den nächsten Tagen in loser Folge über das Wetter, Wetterphänomene und Wettermythen.
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