Kachelmanns WetterSind Sie «wetterfühlig»? Reine Einbildung!
Achtung, Föhn: In den nächsten Tagen fällt der Luftdruck. Wer sagt, das zu spüren, fantasiert. Das sagt hier Jörg Kachelmann.
Am Samstag wird der Luftdruck auf der Alpennordseite bis auf etwa 995 hPa (früher Millibar) fallen. Wenn Ihr Barometer richtig eingestellt ist und Sie noch eines mit Zeiger haben, wird dieser vorwurfsvoll nach links weisen. Und es ist wieder die Zeit gekommen für die eingebildete Beschwerde bei Menschen, die glauben, dass sie bei herannahenden Tiefs oder Hochs durch die Luftdruckveränderungen etwas «spüren».
Das ist eine Besonderheit bei Menschen in den deutschsprachigen Ländern, dass sie zwar nicht mehr wissen als der Rest der Welt, aber ganz sicher mehr fühlen und ahnen. Schon in Frankreich und Italien wird Ratlosigkeit herrschen und in Australien und in den USA sowieso, wenn Menschen behaupten, dass sie «wetterfühlig» seien.
Gleich wie eine Liftfahrt im Hochhaus
Es ist berührend, wenn Menschen diese Beschwerden bekunden, die angeblich durch den fallenden oder steigenden Luftdruck begründet sind. Falls Sie auch dazugehören (in der Schweiz gehört es ebenfalls zum guten Ton beim Smalltalk, dass man sich über die «Bräschte» austauscht, die dieses wechselhafte Wetter bei uns so hervorrufe), möchte ich auf Folgendes hinweisen: Die Luftdruckunterschiede bei einem herannahenden Tief müssten Sie auch durch die Liftfahrt in einem Hochhaus (etwa im Zürcher Triemlispital) simulieren können, wenn sie denn real wären. Die 50 Meter im Bettenhaus reichen für einen dramatischen Luftdruckabfall von rund 8 hPa, wenn Sie mit dem Lift nach oben fahren; das ist schon ein rechtes Tiefdruckgebiet. Sie können auch ein herannahendes Sturmtief in Ihr Sonnengeflecht fahren lassen, wenn Sie in Basel den Roche-Turm von unten nach oben durchfahren.
Und wenn Sie die Wirkung eines Super-Orkantiefs der Kategorie Lothar spüren und darüber womöglich physisch und psychisch zusammenbrechen wollen, dann fahren Sie auf den Zürcher Uetliberg. Schlimmer kann es die Natur nicht machen.
Mein leiser Verdacht ist, dass Sie bei allen Gurten-, Pfannenstiel-, und Basler Hausberg-Besuchen gar nichts Schlimmes spüren. Im Gegenteil: Es ist nicht schlecht, über der Stadt zu sein. Ihr Körper findet das völlig in Ordnung, weil es ja auch evolutionstechnisch unschön wäre, wenn der Körper bei Wetteränderung leiden müsste.
Pro 8 Meter Höhenunterschied nimmt der Luftdruck schon um 1 hPa ab. Wer das weiss, wird sich nicht mehr einbilden, ein verunglücktes Barometer zu sein. Wer es nicht weiss, wird weiterhin etwas spüren. Die gute Nachricht: Es ist nicht der Körper, nur die Fantasie.
* Jörg Kachelmann ist Meteorologe bei Kachelmannwetter.com. Er schreibt hier in den nächsten Tagen in loser Folge über das Wetter, Wetterphänomene und Wettermythen.
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