Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Überlastete Behörde
90 Fälle pro Tag – Zürcher Staatsanwaltschaft versinkt in Arbeit

Die Aktenberge wachsen bei der Zürcher Staatsanwaltschaft: 2023 nahm die Zahl der neu eingehenden Fälle erneut zu. (Symbolbild)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Die Zürcher Staatsanwaltschaft sieht sich mit einem «ungebremsten Fallwachstum» konfrontiert: Im vergangenen Jahr gingen bei ihr 32’270 Geschäfte neu ein – das waren durchschnittlich rund 90 pro Tag. Die Fälle würden zugleich immer komplexer.

Vergangenen Sommer enthüllte diese Redaktion, dass die Schweizer Justiz kurz vor dem Kollaps steht. Der Zürcher Strafverteidiger Thomas Fingerhuth sagte: «Es ist dramatisch, wir warten ein Jahr oder mehr auf das Hauptverfahren.» Weil die Behörden überlastet sind, werden Kriminelle milder bestraft – oder gar nicht.

15 Prozent mehr Fälle

Die Zahl der neuen Fälle im Kanton Zürich nahm innert zweier Jahre um über 15 Prozent zu und liegt heute deutlich über dem Niveau der Vor-Pandemiejahre. Teilweise hätten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte rund 100 pendente Fälle. «Das ist zu viel», sagte Andreas Eckert, Chef der Staatsanwaltschaft Zürich, am Donnerstag vor den Medien.

Das vergleichsweise neue Phänomen der Intensivtäter aus dem Maghreb, die etwa durch Diebstähle aus Autos heraus auffallen, schlägt sich gemäss Eckert bereits in den Fallzahlen nieder. In Zürich und im Limmattal werden den Staatsanwaltschaften auch wegen dieser Fälle 20 bis 30 Verdächtige zugeführt – pro Tag.

Stark beschäftigt die Staatsanwaltschaften auch der Telefonbetrug. Erwischt werden dabei meist nur die «kleinen Fische», etwa die Abholer. Im letzten Jahr konnten dank internationaler Zusammenarbeit aber auch mehrere Hintermänner in der Türkei festgenommen werden.

Weitaus am meisten beschäftigten Vermögensdelikte und Vergehen im Strassenverkehr die Staatsanwaltschaften – sie machten im letzten Jahr rund 42 Prozent der Fälle aus.

Mehr unerledigte Fälle

Einen besonders starken Anstieg gab es 2023 bei den Urkundenfälschungen. Um rund 67 Prozent nahmen diese Delikte zu. Das könne auf die Corona-Pandemie zurückgeführt werden, sagte Eckert. Genauer auf gefälschte Corona-Zertifikate.

So nannte er die Fälle einer medizinischen Praxisassistentin aus dem Oberland oder einer Ärztin aus Zürich, die Hunderte falsche Zertifikate ausgestellt haben sollen. Strafrechtlich verfolgt werden dabei nicht nur sie, sondern auch die «Kunden».

Im vergangenen Jahr hätten sich zwar die zusätzlichen Stellen positiv ausgewirkt, die von der Politik bewilligt worden seien. So konnten knapp 31’000 Fälle abgeschlossen werden – 2,2 Prozent mehr als im Jahr davor. Doch weil auch die Menge der neuen Geschäfte um 6 Prozent zunahm, stieg die Zahl der offenen Fälle per Ende Jahr auf 12’586. Dies entspricht einem Plus von 11,3 Prozent.

Die Strafverfolger versuchen, sich gegenseitig auszuhelfen. So kümmern sich die Stadtzürcher Staatsanwältinnen seit Anfang 2023 um alle Fälle, die sich am Flughafen ereignen. Dadurch soll die eigentlich zuständige Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland entlastet werden.

Schweizer Justiz vor dem Kollaps

Die zunehmende Arbeitslast ist kein spezifisches Zürcher Phänomen. Auch die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) warnte kürzlich, die Schweizer Justiz stehe vor einem Kollaps. Es gebe über 100’000 offene Fälle.

Die KKJPD vermutet die Ursache unter anderem in einer «Verkomplizierung des Strafverfahrens» seit der Einführung der neuen Strafprozessordnung vor zwölf Jahren. Diese habe die Bestimmungen immer komplexer ausgestaltet.

Trotz der hohen Belastung bei gleichzeitig immer mehr offenen Verfahren müsse die Staatsanwaltschaft Zürich noch keine Triage bei den zu bearbeitenden Fällen vornehmen. «So weit sind wir noch nicht», sagte der leitende Oberstaatsanwalt Eckert.

Doch sollten in den nächsten ein, zwei Jahren noch mehr Fälle eingehen, werde auch eine Triage, also eine Priorisierung, ein Thema. Momentan wirbt die Staatsanwaltschaft Zürich bei der Politik um zusätzliche Stellen. Einen Entscheid dafür gebe es noch nicht, so Eckert.

SDA/sak/rla