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Chefin der Schweizer Jugendherbergen im Interview
«Wir sind eine Einstiegsdroge für Reisende»

CEO der Schweizerischen Jugendherbergen Janine Bunte posiert in der neuen Jugendherberge im Schloss Burgdorf am 10.06.2020 in Burgdorf.  Foto: Christian Pfander / Tamedia AG
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Frau Bunte, welches ist die schönste Jugi, in der Sie je übernachtet haben?

Uuuh, sehr schwierige Frage. Ich finde natürlich jede auf ihre Art schön. (lacht) Aber die speziellste ist wohl schon die im Schloss Burgdorf. Das Gebäude ist über 800 Jahre alt; wer ein bisschen affin ist für gewisse Schwingungen, spürt, dass in diesen Mauern schon viel passiert ist. Mein Lieblingszimmer ist das «Loch», wo noch immer die Strichlein an der Wand zu sehen sind, mit denen die Insassen des einstigen Gefängnisses ihre Hafttage zählten.

Wie viele Nächte pro Jahr schlafen Sie in Jugi-Betten?

Sicher so 30, 40… Jesses, das ist ja insgesamt mehr als ein Monat!

Sie haben vor fast 30 Jahren als Buchhalterin bei den Jugis angefangen. Heute sind Sie CEO. Wie hat sich die Marke in dieser Zeit verändert?

Einerseits total, andererseits gar nicht. Das gilt verblüffenderweise für die ganzen 100 Jahre, die es uns nun schon gibt. In Vorbereitung auf das Jubiläum haben wir unsere Geschichte aufgearbeitet und im Archiv historisches Filmmaterial entdeckt, das man eigentlich – übersetzt in zeitgemässe Sprache – wieder genau so bringen könnte. Schon damals sahen es die Jugendherbergen als ihre Aufgabe, jungen Menschen eine sinnvolle Freizeitgestaltung zu ermöglichen, denn schon damals fand man, die Jungen hätten sonst nichts Schlaues mit ihrer Zeit anzufangen. (lacht) Auch sehr aktuell ist die Idee der Friedensförderung: Bereits im Zweiten Weltkrieg wollten die Jugendherbergen das friedliche Miteinander durch das Kennenlernen von anderen Ländern und Kulturen anregen. Mit dem Ukraine-Krieg ist dieser Gedanke auch in Europa wieder in den Fokus gerückt.

Jugis stehen für geselliges Miteinander, aber auch bei Ihnen gibt es immer mehr Familien- oder Zweierzimmer zu buchen. Das geht eher in die Richtung «jeder für sich».

Diese Zimmer machen nur 25 Prozent unseres Angebotes aus. Und sie sind gerade mal so gross, dass man einigermassen bequem aneinander vorbeikommt, mehr nicht. Der eigentliche Aufenthalt soll in den Gemeinschaftsräumen stattfinden: Nur dort hat es Sofaecken oder Tische, wo man sich bequem austauschen, spielen, essen kann.

Was machen die Schweizer Jugis besser als die im Ausland? Und umgekehrt: Was können sich die Schweizer vom Ausland abschauen?

Punkto Qualität gehören wir klar zu den führenden Ländern. Dafür sehen wir uns mit der Herausforderung konfrontiert, günstiges Reisen in einem Hochpreisland zu propagieren. Mit den 42 Franken, die man bei uns für eine Übernachtung im Mehrbettzimmer plus Frühstück bezahlt, kommt man im Ausland natürlich einiges weiter.

Das Schloss Burgdorf beherbergt die mutmasslich speziellste Jugendherberge der Schweiz.

Wer machts im Ausland besonders gut?

Australien! Das Land der Backpacker und eins, das wohl auf der Bucket List von jedem jungen Menschen steht. Dessen ist man sich dort bewusst und bewirtschaftet das auch sehr gut. Dann: England und Wales. Deutschland. Und Frankreich!

Die Pandemie hat viele Schweizer gezwungen, zu Hause Ferien zu machen und sich auf hiesige Angebote zu besinnen. Rückblickend: War Corona Fluch oder Segen für die Jugis?

Definitiv kein Segen. Unsere Kundschaft besteht zu einem grossen Teil aus Schulklassen und anderen Gruppen – und genau die durften ja nicht mehr kommen. So waren wir von den Restriktionen doppelt betroffen: Uns fehlten nicht nur die Gäste aus dem Aus-, sondern auch die aus dem Inland. Im Beherbergungsbereich waren wir wohl einer der grössten Verlierer der Pandemie. Das einzig Positive: Uns allen wurde bewusst, was wir vermisst haben. Die Gäste sind mit Freude und Dankbarkeit zurückgekehrt.

Die Zahlen sind auch gut.

Ja, es läuft erfreulich. 2023 verzeichneten wir ein Gästeplus von zehn Prozent gegenüber 2022 und von fünf Prozent gegenüber dem starken 2019. Was auch daran liegt, dass wir die Preise nochmals attraktiver gestaltet haben, vor allem für Familien und Gruppen.

Wenn das Angebot günstiger ist – wo haben Sie dann Einsparungen gemacht?

Nirgends. Unser Ergebnis wird schlechter sein. (lacht) Unsere Non-Profit-Ausrichtung erlaubt uns, nicht die Gewinnmaximierung an die erste Stelle zu setzen. Wir versuchen, mit Preisreduktionen das Volumen zu steigern. Und je mehr Schulen zu uns kommen, desto günstiger können wir sein. Da funktionieren wir genau umgekehrt wie gewinnorientierte Unternehmen: Wenn die merken, dass ein Angebot gefragt ist, erhöhen sie die Preise.

Unlängst gab das neue Jugi-Gastrokonzept zu reden: Vegan ist Standard, Fleisch gibts nur noch auf ausdrücklichen Wunsch.

Das wurde, ehrlich gesagt, medial etwas falsch dargestellt. Die Jugendherberge war noch nie der Ort, wo man hinging, um ein grosses Steak aufgetischt zu bekommen. Täglich gibt es ein vegetarisches Gericht, welches auch vegan erhältlich ist, meist auch ein Menü mit Schweizer Fleisch.

Wo kann die klassische Hotellerie von den Jugis lernen?

Wie man sich permanent den verändernden Gästebedürfnissen anpasst. In den 28 Jahren, die ich für die Jugendherbergen arbeite, ist es mir nicht einen Tag langweilig geworden: Wir pröbeln ständig an Neuem herum. Man muss die Lust, flexibel zu bleiben, kultivieren. Aber abgesehen davon finde ich, dass die hiesigen Hoteliers stolz sein dürfen. Ich könnte Ihnen zig Beispiele aus der klassischen Hotellerie nennen, wo man es schlicht grossartig macht. Dort ist die Freude am Beruf förmlich zu spüren, und das ist auch gut so, schliesslich haben wir den schönsten Beruf der Welt: Die Menschen kommen zu uns, um die beste Zeit ihres Lebens zu verbringen!

Jetzt mal ehrlich. Eigentlich ist doch gut für Sie, wenn die Konkurrenz nicht ganz so reaktiv ist…

Hotels und Jugendherbergen konkurrieren nicht wirklich. Dafür unterscheidet sich unser Angebot zu stark. Klar, wenn irgendwo eine neue Jugendherberge entsteht, werden die lokalen Hoteliers immer erst etwas unruhig. Aber dann ist es meist so, dass sie die Präsenz der Jugi schätzen lernen: Wir bringen eine andere Klientel an einen Ort. Nicht zuletzt auch eine, die später mal an den Ort zurückkehren und dann im Hotel buchen wird. Wir sind gewissermassen eine Einstiegsdroge für Reisende.

Welches ist Ihre früheste Erinnerung an ein Hotel?

Ich war etwa 10, als mich mein Grosi nach Ascona ins Riposo mitnahm, wo sie Stammkundin war. Die Besitzer liessen mich an der Réception die Schlüssel herausgeben – und da wusste ich: Das will ich auch mal machen. Ein Schlüsselmoment, im wahrsten Sinne des Wortes! Auch die Wäscherei durfte ich damals anschauen, die dortigen Maschinen haben mich irrsinnig beeindruckt. Mein Vater musste danach immer «Lingerie» mit mir spielen, so beeindruckt hatte mich das.

Apropos: Sie und Ihr Mann haben sich die Betreuung Ihrer Kinder 50-50 aufgeteilt, haben immer beide gearbeitet. Im Verband Hotelleriesuisse setzten Sie sich für die Einführung der Frauenquote auf Führungsebene ein. Ohne Erfolg. Enttäuscht?

Eben nicht! Eigentlich bin ich eine absolute Gegnerin von solchen Quoten und hatte, als man mich fragte, ob ich mich dafür engagieren wolle, erst abgesagt. Ich merkte aber in den Diskussionen, dass doch etwas geschehen muss, weil in der Hotellerie zwar mehr als die Hälfte der Angestellten Frauen sind, wir aber nicht mal vier Prozent der Kadersitze innehaben. Also habe ich den Antrag zähneknirschend unterzeichnet. Er scheiterte dann knapp, aber meine Mission ist erfüllt: Wir haben ein Umdenken erreicht.

Darf es für Sie privat eigentlich auch mal ein 5-Stern-Hotel sein?

Ganz ehrlich: lieber nicht. Ich gehe zwar extrem gern in die Bar eines 5-Stern-Hotels auf einen Drink und könnte mir vorstellen, wie vor meiner Jugi-Karriere wieder in einem gehobenen Hotel zu arbeiten. Aber in meiner Freizeit bin ich sehr gern aktiv, am liebsten unter freiem Himmel, und am Abend jeweils hundemüde. Dann schätze ich eine relaxte Umgebung, wo ich ungeniert in Flipflops unterwegs sein kann.

Was haben Sie immer im Gepäck?

Meinen Tolino. Am liebsten lese ich diese ganz schwarzen Krimis, nach denen man kaum noch schlafen kann. (lacht)

Hinweis der Redaktion: Dieses Interview erschien ursprünglich am 8.9.2023 und wurde am 18.4.2024 aktualisiert.