Zum Tod von Jürg RandeggerEr brachte die ganze Schweiz zum Lachen
Jürg Randegger war Mitglied beim Cabaret Rotstift und moderierte über 400 Jass-Sendungen. Nun ist er 88-jährig gestorben. Ein Nachruf auf eine Unterhaltungs-Legende.
Jürg Randegger hatte zeitlebens ein Gefühl für das richtige Timing. Auf der Bühne, wenn es darum ging, eine Pointe zu setzen. Als Kabarettist oder Fernsehmoderator, wenn es galt, unter ein Engagement einen Schlussstrich zu ziehen oder etwas Neues zu wagen.
Wie die Familie dieser Redaktion mitteilte, ist für ihn kurz vor Weihnachten die Zeit gekommen, von der Bühne des Lebens abzutreten. Jürg Randegger ist 88-jährig gestorben. Er hat sich verabschiedet ohne viel Aufhebens um seine Person. Getragen von jenen Personen, die ihm immer das Wichtigste waren: seiner Frau, mit der er fast sechzig Jahre zusammenlebte, seinen beiden Kindern und anderen Menschen, die ihm nahestanden.
Jürg Randegger wurde am 21. März 1935 geboren. Er wuchs im Zürcher Stadtkreis Enge auf und besuchte in Küsnacht ZH das Lehrerseminar. Er sagte gelegentlich von sich: «Ich bin kein besonders initiativer Mensch.» Er gehöre zu den Glückspilzen, denen sich immer wieder im richtigen Moment Türen öffneten.
Eine erste solche Tür öffnete 1956 Jörg Schneider (1935–2015) dem jungen Primarlehrer, als er ihn fragte, ob er im Cabaret Äxgüsi mitspielen wolle. Das brachte Randegger erste Bühnen- und Kabaretterfahrung und eine «Verbannung» ins Zürcher Weinland. Weil solch unernstes Tun gegen die Würde eines Lehrers verstosse, wurde er nach Unterstammheim versetzt.
«Ich hatte keine einzige Pointe»
Was nur bedingt Wirkung zeigte. Nach vier Jahren kehrte er nach Zürich zurück, an eine Schule in Zürich-Albisrieden, an der er bis zu seiner Frühpensionierung 1995 ein volles Pensum bewältigte. Und 1964 stand er wieder in einer kabarettistischen Show auf der Bühne – beziehungsweise auf der «Gass».
Im satirischen Open-Air-Stück «Zürcher Ballade» spielte er an der Seite von Margrit Rainer, Ines Torelli, Stephanie Glaser und Ruedi Walter. Er sei aber – wie es sein Name schliesslich sage – dort nur eine Randfigur gewesen, erzählte Jürg Randegger später. «Ich hatte keine einzige Pointe.»
Die Zürcher Ballade ist die Urfassung des von Christian Jott Jenny 2017 ins Leben gerufenen Singspiels «Trittligass», das 2020 und 2023 vor ausverkauften Rängen in der Zürcher Altstadt gespielt wurde. Mit von der Partie war jeweils – auch noch 2023 – Jürg Randegger. Als Randfigur und heimlicher Star.
1964 hatte ihm Ruedi Walter die Tür zum Schauspielprofi sperrangelweit geöffnet. Doch durchschritt Jürg Randegger sie nicht: «Ich fühlte mich dazu nicht berufen», sagte er auf die Frage, was ihn denn zurückgehalten habe. Ein anderes Mal meinte er in einem Gespräch mit der «Schweizer Familie»: «Vermutlich habe ich zu viele Nächte darüber geschlafen.» Vielleicht aber ahnte er einfach, dass da noch etwas anderes auf ihn wartete.
Denn kurz darauf rief ihn ein Lehrerkollege aus Schlieren an. Werner von Aesch fragte, ob er nicht beim Cabaret Rotstift mitmachen wolle. Diese Formation war 1954 von Schlieremer Lehrerinnen und Lehrern gegründet worden, um mit dem Erlös Kindern aus armen Familien die Teilnahme am Skilager zu ermöglichen.
Das Lehrer-Cabaret startete durch. Noch 2015 wurde es in der NZZ als «erfolgreichstes Unterhaltungscabaret der Schweiz» bezeichnet. Und Jürg Randegger prägte dieses nicht nur als Darsteller, sondern auch als Texte- und Liederschreiber jahrzehntelang.
Im Rückblick sagt Rotstift-Kollege Heinz Lüthi über Jürg Randegger: «Er war der Einzige von uns, der das Zeug zum professionellen Solokabarettisten gehabt hätte.» Und: «Wenn er eine Nummer ablieferte, war diese geschliffen bis zum letzten Ton und bis zur letzten Silbe.»
Ihm habe es an Selbstdisziplin für eine Profikarriere gefehlt, erklärte hingegen Jürg Randegger selbst, wenn man ihn auf dieses Thema ansprach. «Und ich mochte es nicht, die Ellbogen auszufahren.» Er brauche Strukturen und einen Stundenplan, sonst neige er zum Faulenzen. Und er sei harmoniebedürftig.
«Streit hat für mich keine Kultur»
In der «Schweizer Familie» wurde er 2020 mit dem Satz zitiert: «Ärger bin ich immer aus dem Weg gegangen. Und Streitkultur – dieses Wort ist für mich inexistent. Streit hat für mich keine Kultur.»
Tatsächlich war Jürg Randegger im persönlichen Umgang eher zurückhaltend, keine Rampensau. Man konnte ihn zwar durchaus an einem Stammtisch antreffen, wo er auch manchmal die grossen Reden schwang, die aber nie unter die Gürtellinie zielten oder zotig waren.
Von dem Ruck-zuck-zack-zack-Deutschen, den er in der legendären Skiliftnummer des Cabaret Rotstifts spielte, hatte er so ganz und gar nichts.
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Wenn er allerdings auf der Bühne stand, verlangte er volle Disziplin. Das bekam etwa sein jüngerer Kollege Christian Jott Jenny zu spüren. Als er 2015 für sein Stück «Rotstift reloaded» Randegger dazu überreden konnte, in ein paar Szenen sich selbst zu verkörpern. Wenn der zappelige Jenny bei den Proben blödelte oder nicht textsicher war, kassierte er einen Rüffel des ehemaligen Lehrers.
Dabei ärgerte Randegger nicht in erster Linie, wenn er ihm nicht das Stichwort für den Einsatz lieferte, sondern wenn der Text holperte. «Du kannst nicht einfach ein Wort auslassen, Christian, sonst stimmt der Rhythmus nicht!»
Umgekehrt konnte er es sich auch im hohen Alter und aufgrund eines Lungenleidens unter Kurzatmigkeit leidend, nicht verkneifen, beim Zoobesuch vor den Pinguinen wie ein solcher Vogel zu watscheln.
«Tabeditap» eben, wie im Refrain des Pinguinliedes, welches er für den Tonträger «Mir gönd in Zoo» der «Schlieremer Chind» geschrieben hatte. Dieses 1972 aufgenommene Singspiel wird heute noch in manchen Kinderzimmern abgespielt.
1975 begann Randeggers Karriere als Fernsehmoderator: im «Samschtig-Jass», und von 1984 bis 1988 jeweils in den Sommermonaten auch im «Mittwoch-Jass» (heute «Donnschtig-Jass»), bei dem die Sendung in einer Schweizer Gemeinde gedreht wird.
Bis 1999 wirkte er bei über 400 Jass-Sendungen mit. Dann war für ihn die Zeit gekommen, aufzuhören. Gegenüber der Fernsehzeitschrift «Tele» sagte er im Sommer 2020: «Ich glaube, ich war der erste Moderator, der eine erfolgreiche Sendung freiwillig abgegeben hat.»
Ein Grund aufzuhören war wohl, dass insbesondere die Sommerausgabe der Sendung für seinen Geschmack mit der Zeit zu gross angerichtet wurde. Die Show sei immer aufwendiger, schneller und grösser geworden, sagte er einmal.
Ihm behagte es mehr, als sie noch weniger Promis und Glamour, dafür mehr Dorf-Ambiente hatte und der lokale Kinderchor, der Musikverein oder die Frauenriege auftraten.
«Wehmut und Erleichterung»
2002 fand im Salmensaal in Schlieren die allerletzte Vorstellung des Cabaret Rotstift statt. Die drei Rotstifte Werner von Aesch, Heinz Lüthi und Jürg Randegger sassen nach der Vorprobe im Gartenrestaurant und waren sich einig: Sie waren das ideale Team. Drei grundverschiedene Typen, die sich auf der Bühne nie in die Quere kamen und privat freundschaftlich verbunden waren.
Er spüre Wehmut und Erleichterung, sagte Jürg Randegger damals. Doch ihm sei es immer wichtig gewesen, im richtigen Moment abzutreten. 2015 sagte er dann: «Wir haben genau den richtigen Zeitpunkt erwischt.» Das letzte Programm des Cabaret Rotstift trug den Titel «Happy End».
Die Beisetzung findet im engsten Familienkreis statt.
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