Anhörung zu PartygateJohnson weist den Vorwurf der Lüge zurück
Er habe das Parlament zu den Lockdown-Partys am Regierungssitz nicht belogen, beteuert Boris Johnson vor einem Ausschuss. Dessen Urteil könnte sein politisches Comeback zunichtemachen.
Kampfbereit, aber auch ausgesprochen ernst, stellte sich Boris Johnson am Mittwoch den sieben Abgeordneten, die ihn an diesem Tag im Auftrag des Parlaments zur Rechenschaft zu ziehen suchten. Er werde, erklärte der Ex-Premierminister vor dem Unterhausausschuss für parlamentarische Rechte und Privilegien, «die Wahrheit, die volle Wahrheit und nichts als die Wahrheit» sagen. «Hand aufs Herz, ich habe das Unterhaus nicht belogen», versicherte er.
Drei Stunden währte Johnsons Verhör. Es wurde live auf allen Nachrichtenkanälen im Fernsehen übertragen. Die ganze Nation war gespannt darauf, wie Boris Johnson diesmal den Kopf aus der Schlinge ziehen würde – oder ob sich abzeichnen würde, dass sein Schicksal diesmal besiegelt, dass ein politisches Comeback unmöglich war. Sechzehn Monate nachdem die ersten Nachrichten über «Lockdown-Partys» in der Regierungszentrale ans Tageslicht gekommen waren, wollte der Ausschuss Klarheit schaffen in der Frage, ob der Tory-Politiker, der zu Covid-Zeiten in 10 Downing Street das Sagen hatte, das Parlament damals in Bezug auf die Partys vorsätzlich zu täuschen suchte oder ob es sich um eine unbeabsichtigte, nicht gewollte Irreführung handelte, die man ihm im Nachhinein vergeben kann.
Fidele Zusammenkünfte
Dass es während der Lockdown-Phasen relativ fidele Zusammenkünfte in der Regierungszentrale gab, während das gemeine Volk keine Feste feiern durfte, wird inzwischen auch von Boris Johnson nicht länger abgestritten. Und dass er das Parlament seinerzeit falsch informierte, tut Johnson heute «ausgesprochen leid». Fahrlässig oder gar absichtlich habe er aber zu keinem Zeitpunkt gehandelt, beteuerte der ehemalige Regierungschef vor dem Ausschuss. Er habe stets dem Rat von Mitarbeitern vertraut, die keinen Regelverstoss erkennen konnten.
Vor allem, meinte Johnson weiter, müsse man bedenken, dass der Kampf gegen die Pandemie in 10 Downing Street von seinem Mitarbeiterstab in harter Arbeit rund um die Uhr geführt wurde. Niemand habe bei diesen für das Land so wichtigen Treffen einen Zentimeter-Massstab angelegt, um herauszufinden, ob jeweils der rechte Mindestabstand eingehalten wurde – oder ob es etwas zu essen oder zu trinken gab.
Ob denn auch Weinflaschen, wie man sie auf Fotos sah, nötig gewesen seien für eine solche Arbeit, wollte der Ausschuss wissen. Oft habe es sich um Dank- oder Abschiedssitzungen gehandelt, erwiderte Johnson: «Und in unserem Land ist es schliesslich üblich, dass man auf jemanden einen Toast ausbringt. Anzeichen von Trunkenheit habe ich nie gesehen.» Als echte Regelverstösse habe er das alles tatsächlich nie betrachtet, meinte Boris Johnson: Sonst hätte er sich ja nicht entsprechend geäussert im Unterhaus. Ungläubig fixierten die sieben Ausschussmitglieder – vier Tories, zwei Labour-Leute und ein Mitglied der Schottischen Nationalpartei – den sich nach Kräften wehrenden Ex-Premier.
Gefährdetes Comeback
Ob das Gremium es nun als erwiesen ansieht, dass Boris Johnson dem Unterhaus vorsätzlich Lügen auftischte, wird sich voraussichtlich im Mai zeigen, wenn ein Verdikt erwartet wird von den Ausschussmitgliedern. Sollten sie Johnson «Missachtung des Parlaments» vorwerfen und seine Suspendierung verlangen, müsste das Unterhaus als Ganzes darüber beschliessen. Das könnte mit einer erzwungenen Nachwahl in Johnsons Wahlkreis enden – und mit dem Ende seiner Hoffnungen auf eine Rückkehr an die Macht. Sicher kann man sich aber nicht sein, dass es so weit kommt.
Johnson selbst schien jedenfalls überzeugt davon, bei seinem Auftritt genug getan zu haben, um das Schlimmste abzuwenden. Er suchte nach Kräften sich lockerer Bemerkungen und der für ihn typischen Witzeleien zu enthalten und sich als seriöser Staatsmann in Szene zu setzen. Sein Auftritt sollte suggerieren, dass er und seine Mitarbeiter sich in der Covid-Krise an Ort und Stelle monatelang Tag und Nacht für die Nation abgemüht hatten und dass ein paar Kleingeister und Querulanten nun alles zu verdrehen suchten.
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