Comeback des Ex-Premiers?Boris Johnson ist wieder da
Der gefallene Politiker will offenbar seine Rückkehr an die Spitze vorbereiten. Im Carlton Club, dem Heiligtum der Konservativen, schwor er schon mal jubelnde Parteigänger auf sich ein.
So leicht bringt man Boris Johnson nicht zum Verschwinden. Als jetzt ein übereifriger Mitarbeiter des Wirtschaftsministers Grant Shapps den Ex-Premier aus einem alten Foto wegzuretuschieren suchte, brach die ganze Nation in Gelächter aus. Auf dem ursprünglichen Bild war Shapps im Sommer 2021 mit Johnson, seinem früheren Boss, in einer Raketen-Werkstatt in Cornwall zu sehen gewesen. Auf dem neuen Foto herrschte, wo einst Johnson im Mittelpunkt stand, gähnende Leere. Nur Shapps war übrig geblieben, wie er mit den Werkstattleitern sprach.
Er habe von dieser Fälschungsaktion natürlich nichts gewusst, beteuerte der Minister, als das manipulierte Foto auf seinem Twitter-Account auftauchte. Schliesslich habe er «stolz gedient in Boris Johnsons Kabinett». Schnellstens wurde das neue Bild wieder gelöscht. Johnson andererseits konnte der Vorfall nur freuen. Ganz ohne sein Zutun fand er sich wieder einmal im Zentrum allgemeinen Interesses an diesem Tag. Nicht dass ihn jemand hätte vergessen können – auch wenn er aus Sicht seiner Gegner gern dem Vergessen anheimgefallen wäre.
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Vier Monate nachdem er aus No 10 Downing Street ausziehen musste, taucht Johnson immer von Neuem in den Schlagzeilen der heimischen Presse auf. Mal bestätigt er, dass er bei den nächsten Wahlen wieder als Abgeordneter antreten will. Mal streicht er sein persönliches «Erbe» heraus, das seiner Ansicht nach besser gesichert werden müsste. Dazu gehören der Brexit-Triumph, den er glaubt errungen zu haben; das unter ihm neu gefundene Tory-Interesse an den Arbeiterbezirken Mittel- und Nordenglands und der bedingungslose Rückhalt Londons für die Ukraine in deren «Schicksalskampf».
Wie sehr er die Ukraine als «sein» politisches Territorium betrachtet, hat er jetzt erst wieder deutlich gemacht mit seiner Ankündigung, er werde in Kürze nach Kiew reisen, um dort seine Freunde zu besuchen. In No 10 Downing Street, wo jetzt Johnsons früherer Schatzkanzler Rishi Sunak residiert, löst dieser Plan begreiflicherweise wenig Begeisterung aus. Die Idee ist offensichtlich, Sunak und dessen Regierung aussenpolitisch zu überflügeln und aller Welt zu zeigen, wer international wirklich Respekt geniesst im Vereinigten Königreich.
Millionencheck erhalten
An Geld für die Reise jedenfalls, und für viele weitere spektakuläre Aktionen, fehlt es dem Hinterbänkler Boris Johnson nicht zurzeit. Just hat ihm ein superreicher Brexiteer, der Investment-Boss Christopher Harborne, einen Millionen-Check überreicht, um Boris baldmöglichst wieder in die Regierungszentrale zu katapultieren. Für Harborne wie für viele Brexit-Hardliner ist Johnson der Garant einer kompromisslosen Linie gegenüber der EU, während man an Sunaks Standfestigkeit zweifelt in der Partei.
Dass nur bei ihm der Brexit in sicheren Händen liege, hat er diese Woche auch bei einem grossen Auftritt im Londoner Carlton Club – einem Heiligtum der Konservativen – deutlich gemacht. Menschen in aller Welt, mit denen er spreche, klagten darüber, «dass sie die Art, wie sich das Vereinigte Königreich jetzt präsentiert, manchmal verwirrend finden». Vor allem weil sie wüssten, «wie dynamisch und gut organisiert» seine eigene Regierung bei ihrer Durchsetzung des Brexit noch gewesen sei. Lautstarker Beifall wurde dem Ehrengast für diese und andere kämpferische Bemerkungen in seiner Rede zuteil.
Anlass des Carlton-Besuchs war eigentlich nur die Enthüllung eines Porträts von ihm gewesen, wie es allen Ex-Premiers zusteht in den Clubräumen. Aber die Begeisterung der Anwesenden und die Fülle der Reporter und Fotografen draussen auf der Strasse verliehen dem Ganzen eine zusätzliche Qualität. «Borismania» sei mit einem Mal wieder zu spüren, urteilte der Nachrichtensender Sky News diese Woche. Für Johnsons Fans sei dies der Startschuss seiner Kampagne zur Rückkehr an den ihm zustehenden Platz gewesen.
Interne Opposition gegen Sunak
Die frühere Kulturministerin Nadine Dorries hat erklärt, die Konservative Partei sei «zum Sterben» verurteilt, wenn sie sich nicht von Johnson in die nächsten Unterhauswahlen führen lasse, die spätestens Ende 2024 fällig sein werden. Johnson sei «der politische Rock Star», ohne den es für die Tories nicht gehe. Rishi führe die Partei nur in die Opposition. Lord Cruddas, ein weiterer Vertrauter Johnsons und ebenfalls ein Mäzen der Konservativen, hat just zusammen mit Ex-Innenministerin Priti Patel und anderen Gleichgesinnten eine Art interne Kampfgruppe gegründet, die alle Macht in die Hände der (durchweg rechtslastigen) Parteimitglieder legen will. Die Konservative Demokratische Organisation sucht Sunaks Basis in der Fraktion zu untergraben.
Cruddas’ Organisation plant, über einen Sonderkongress eine Änderung der Statuten durchzusetzen und eventuell sogar einen Misstrauensantrag gegen Sunak einzubringen. Bei den Konservativen Demokraten will man bereit sein für die landesweiten Kommunalwahlen Anfang Mai. Sollten die Konservativen bei diesen Wahlen so schlecht abschneiden, wie es ihnen die Meinungsumfragen derzeit voraussagen, könnte Sunak tatsächlich ins Wanken kommen. Dann hofft die «Bring-back-Boris»-Brigade reelle Aussichten zu haben auf Erfolg. Bei weiterhin geringer Popularität Sunaks, glauben sie, werde die Partei nach einem Retter in der Not Ausschau halten.
Einfach wird es nicht
An Hindernissen fehlt es allerdings nicht. Erst einmal ist nicht klar, ob Johnson seinen Abgeordnetensitz in Uxbridge im Westen Londons bei den nächsten Unterhauswahlen überhaupt wird halten können. Uxbridge ist keineswegs mehr sicheres Gelände für die Tories.
Noch mehr Kopfzerbrechen bereiten dem Ex-Premier zwei separate Untersuchungen, die mit seiner Covid-Politik zu tun haben. Zunächst muss der Unterhausausschuss für parlamentarische Rechte und Privilegien darüber befinden, ob Johnson als Premier in Sachen «Partygate» das Parlament belogen hat. Sollte die (konservative) Ausschussmehrheit zu einem entsprechenden Schluss kommen, könnte sich der Verurteilte zu einer sofortigen Nachwahl in Uxbridge gezwungen sehen – mit ungewissem Ausgang, was seinen Verbleib im Parlament betrifft.
Lang erwartete Pandemie-Untersuchung
Danach beginnt im Frühjahr die lang erwartete öffentliche Untersuchung zur Frage, wie die Pandemie von der britischen Regierung gehandhabt wurde. Bei den Vernehmungen dieses «Tribunals» unter der ehemaligen Top-Richterin Baronin Hallett wird Johnson der Hauptzeuge sein. Er wird sich gegen Vorwürfe verteidigen müssen, mehrfach leichtfertig gehandelt und zum unnötigen Tod Tausender beigetragen zu haben. Auch üble Korruption wird seinem Kabinett zur Last gelegt.
Man könne Boris Johnson jedenfalls nicht ignorieren, findet der frühere Tory-Fraktionschef Mark Spencer, der gegenwärtig Landwirtschaftsstaatssekretär in der Sunak-Regierung ist. Der Ex-Premier sei «ein ganz enorm talentierter Politiker». Er habe schon mehrfach aller Welt gezeigt, was in ihm stecke. Wer Johnson abschreibe, tue das «auf eigene Verantwortung».
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