Johnson mit grossem Vorsprung zum Tory-Chef gewählt
Der Brexit-Hardliner machte doppelt so viele Stimmen wie Jeremy Hunt. Nun muss er die Briten aus der EU führen.
Johnson setzte sich bei der innerparteilichen Wahl am Dienstag in London mit 92'153 Stimmen gegen seinen Rivalen Jeremy Hunt durch, der 46'656 Stimmen erhielt. Kurz nach Bekanntwerden des Resultates bezeichnete Johnson seine Wahl zum neuen Premierminister als «entscheidenden Moment» in der Geschichte. Dies sei eine «ausserordentliche Ehre und ein Privileg» (hier gehts zum Live-Ticker seiner Rede). Zugleich räumte er am Dienstag in London ein, dass seine Wahl zum Tory- und Regierungschef nicht überall willkommen geheissen werde.
Johnson versprach, das Chaos um den EU-Austritt Grossbritanniens zu beenden und die Spaltung im Land zu überwinden. Die Ziele seien nun, den Brexit zu vollziehen, das Land zu vereinen und Oppositionschef Jeremy Corbyn zu besiegen, sagte der neue Chef der britischen Konservativen. Er wolle den Wunsch nach Freundschaft mit Europa und die Sehnsucht nach demokratischer Selbstbestimmung vereinen.
Johnson ist nach eigenem Bekunden bereit, das Vereinigte Königreich auch ohne Austrittsvertrag bis zum 31. Oktober aus der EU zu führen, sollte Brüssel keine Zugeständnisse machen. Das dürfte erhebliche negative Folgen für die Wirtschaft und viele weitere Lebensbereiche haben.
Oppositionschef Corbyn forderte nach der Wahl Johnsons eine Neuwahl. Dieser sei von weniger als 100'000 Parteimitgliedern der Konservativen unterstützt worden und habe nicht das Land hinter sich gebracht, schrieb der Labour-Politiker via Kurzbotschaftendienst Twitter.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Ein EU-Austritt ohne Abkommen, den Johnson nicht ausschliesst, bringe Jobverluste und steigende Preise. «Die Bevölkerung unseres Landes sollte in einer Parlamentswahl entscheiden, wer Premierminister wird», forderte er.
US-Präsident Donald Trump hat dem künftigen britischen Premierminister Boris Johnson zu seinem neuen Amt gratuliert. «Er wird grossartig sein», erklärte Trump am Dienstag im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Der US-Präsident hatte schon mehrfach seine Sympathien für Johnson und dessen populistischen Politikstil publik gemacht und zugleich dessen Vorgängerin Theresa May scharf kritisiert.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hofft auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem designierten britischen Premierminister Boris Johnson. «Wir müssen viele verschiedene und schwierige Probleme zusammen angehen», betonte die CDU-Politikerin am Dienstag in Paris mit Blick auf den Brexit-Kurs des neuen Tory-Vorsitzenden. «Wir stehen vor anspruchsvollen Zeiten», fügte sie bei einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris hinzu. Deshalb hoffe sie «auf eine gute Arbeitsbeziehung» mit Johnson.
Macron beglückwünschte Johnson zu seiner Wahl. Der Präsident betonte, er werde den Tory-Politiker anrufen, sobald er im Amt sei. Macron würdigte auch die scheidende Premierministerin Theresa May. Sie habe viel «Mut und Würde» bei ihrer Arbeit für den EU-Austritt Grossbritanniens bewiesen.
Offiziell wird Johnson am Mittwoch das Amt des Premierministers übernehmen. May wird sich mittags ein letztes Mal den Fragen der Abgeordneten im Unterhaus stellen. Anschliessend hält sie vor dem Regierungssitz Downing Street eine Abschiedsrede und reicht dann bei der 93-jährigen Queen im Buckingham-Palast ihren Rücktritt ein.
Die Königin wird direkt danach Johnson zum neuen Premierminister ernennen und ihn mit der Regierungsbildung beauftragen. Auch von ihm wird dann eine Rede vor seinem Amtssitz erwartet.
Mit Spannung wird erwartet, wen der umstrittene Politiker zu sich ins Kabinett holt. Der Brexit-Hardliner wird wahrscheinlich viele Regierungsposten neu besetzen. Zeitungen spekulierten etwa über ein Comeback der früheren Brexit-Minister Dominic Raab und David Davis. Kritiker halten Davis jedoch für inkompetent und faul.
Am vergangenen Wochenende hatten bereits Finanzminister Philip Hammond und Justizminister David Gauke die Aufgabe ihrer Ämter im Falle eines Wahlsiegs Johnsons angekündigt. Es wird mit Rücktritten weiterer EU-freundlicher Minister gerechnet.
Ist Johnson nun am Ziel seiner Träume?
Boris Johnson hat es schon lange auf das Amt des Premierministers abgesehen - daran gibt es kaum einen Zweifel. Der britische Ex-Aussenminister und frühere Londoner Bürgermeister hat zuletzt tatkräftig mitgeholfen, Theresa May zu Fall zu bringen.
Sie selbst hatte ihn 2016 nach dem knappen Votum der Briten für den EU-Austritt als Aussenminister in ihr Kabinett geholt. Später löste sich der heute 55-Jährige aus der Umklammerung. Er trat von seinem Kabinettsposten zurück und schrieb fortan in einer wöchentlichen «Telegraph»-Kolumne gegen Mays Brexit-Pläne an.
----------
Bildstrecke: Boris Johnsons Karriere
----------
Ob er tatsächlich einen detaillierten Plan hat, wie er das Brexit-Dilemma lösen will, darf bezweifelt werden. Regeln oder Details interessieren Johnson kaum.
Er ist gewohnt, sich mit Witz und Charme darüber hinwegzusetzen. Diese Strategie hat ihn in Grossbritannien in das höchste politische Amt getragen. Fraglich ist jedoch, ob sein Charme auch in Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten verfängt.
Trotz seines Talents, den vermeintlich einfachen Mann anzusprechen, ist Johnson ein Mitglied der britischen Oberschicht. Er besuchte das Elite-Internat Eton, studierte in Oxford und war zeitweise Präsident des Debattierclubs Oxford Union sowie Mitglied der als dekadent verschrienen Studentenverbindung Bullingdon-Club.
----------
Tories wählen den direkten Weg ins Chaos
----------
sda/afp/red
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch