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Bye-bye Theresa May, Hello Mister Prime Minister

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Warum wechselt die Regierung in London diese Woche?

Weil die britische Regierungspartei, die Partei der Konservativen, ihre Vorsitzende Theresa May zum Rücktritt gezwungen hat. Mit May an der Spitze glauben die Tories, ihr Brexit-Problem nicht lösen zu können. Ob das mit einem «frischen Gesicht» gelingt, ist allerdings sehr fraglich. Die Hardliner der Parteibasis wollen May nur endlich mit einem der ihren ersetzen. Proeuropäer der Fraktion dagegen scheinen inzwischen bereit, eine kompromisslos zum Exit hastende Regierung ebenso kompromisslos wieder zu Fall zu bringen. Die Kluft in der Partei hat sich eher geweitet mit dem Abgang Mays.

Er ist der Favorit: Boris Johnson. Foto: Keystone

Wann findet der Wechsel statt?

An diesem Mittwoch. Am Dienstag wird man zunächst erfahren, wer per Briefwahl von der Partei zum neuen Parteichef gewählt worden ist. Aussenminister Jeremy Hunt und sein Vorgänger im Amt, Boris Johnson, standen zur Wahl. Der Kandidat, für den sich die rund 160'000 eingeschriebenen Tory-Mitglieder entschieden haben, ist neuer Parteichef und wird automatisch Premierminister. Die Ernennung zum Premier, durch die Queen, findet am Mittwochnachmittag statt.

Wie demokratisch ist dieses Verfahren?

Es ist völlig legitim, finden die Beteiligten. Wer über genug Unterhaussitze verfügt, stellt den Regierungschef. Oppositionspolitiker dagegen halten einen «fliegenden Wechsel» wie diesen, zu einem so entscheidenden Zeitpunkt der britischen Geschichte, für total unakzeptabel. Hier werde, klagen sie, von einer winzigen, rechtslastigen, völlig nicht repräsentativen Minderheit der Bevölkerung jemand zum Regierungschef erkoren, der mit seiner Politik keinerlei Mandat der britischen Wählerschaft habe.

Und wer wird die Wahl gewinnen?

Mit grösster Sicherheit Boris Johnson. Dem Ex-Minister und früheren Bürgermeister Londons sagen parteiinterne Meinungsfragen mehr als zwei Drittel aller Stimmen voraus. Auch US-Präsident Donald Trump, der mit Johnson Kontakt hält, geht ja davon aus, dass sein «Freund» Boris «es» sein wird. Und viele der früheren Kritiker Johnsons in Westminster haben inzwischen begonnen, sich bei ihm einzuschmeicheln. Für Johnson gefährlich ist nur jene kleinere Zahl prinzipieller Gegner in der Fraktion, die sich einem parlamentarischen Misstrauensantrag der Opposition anschliessen könnten. Darunter befinden sich mehrere Minister wie Schatzkanzler Philip Hammond, die von nächster Woche an auf den Hinterbänken sitzen werden. Wie viele potenzielle Rebellen es insgesamt sind, weiss freilich niemand genau.

Aussenminister Jeremy Hunt fordert Boris Johnson heraus. Foto: Keystone

Was bedeutet dieser Führungswechsel für den Brexit?

Hunt und Johnson haben gleichermassen erklärt, dass sie zum Ablauf der Brexit-Verlängerungsfrist am 31. Oktober «notfalls» auch ohne Vereinbarung mit Brüssel aus der EU austreten würden. Beide bestehen darauf, dass der «backstop», die heftig umstrittene Irland-Garantie, aus dem bestehenden Austrittsvertrag gestrichen werden muss – was die EU für unmöglich hält. Johnson hat ausserdem nicht ausgeschlossen, dass er das Parlament im Oktober suspendieren könnte, damit es sich nicht querlegt zu seinen Plänen. Dagegen versuchen sich Abgeordnete, darunter auch Tories, mit diversen parlamentarischen Manövern zu wehren.

Könnte es zu Neuwahlen kommen?

Eine Johnson-Regierung stünde im Unterhaus auf wackeligen Beinen. Insofern wäre es logisch, dass der neue Premier zu vorgezogenen Neuwahlen ruft – zumal, wenn er glaubt, dass er zum Start seiner Amtszeit gegen Labours Jeremy Corbyn eine Chance hätte. Bei Neuwahlen vor dem vollzogenen Austritt aus der EU besteht für die Tories jedoch die Gefahr, dass die Stimmen vieler Unzufriedener, wie bei den Europawahlen, wieder Nigel Farages Brexit-Partei zugutekommen. Spekuliert wird darum über Neuwahlen später im Herbst oder vielleicht im nächsten Frühjahr. Entscheidend ist natürlich, wie lange die parlamentarische Basis einer Johnson-Regierung hält.

Gibt es noch Chancen für ein neues Brexit-Referendum?

Die gibt es noch. Denn der Konflikt zwischen einer «No Deal»-Regierung und einem «Nicht ohne Deal»-Parlament ist letztlich kaum zu lösen. Gerät die britische Politik total ins Stocken, könnte sich ein neues Referendum als einzige Möglichkeit anbieten, um sich aus dieser Lage zu befreien. Denkbar ist auch, dass eine immer grössere Zahl moderater Tories zum Schluss kommt, dem «Brexit-Spuk» könne nur mit einer neuen Volksabstimmung ein Ende bereitet werden. Voraussetzung wäre natürlich, dass dann auch die Labour-Opposition geschlossen hinter dieser Entscheidung steht.