Ticker zur Nagra-MedienkonferenzSchweizer Atommüll: Der beste Stein, die politische Frage und Entschädigungen
Die Verantwortlichen für das Atommüll-Endlager informierten über den Entscheid für das Gebiet nördlich von Zürich. Wir berichteten live.
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Das Wichtigste in Kürze
Die Nagra schlägt nach fast 50-jähriger Standortsuche die Region Nördlich Lägern in der Zürcher Gemeinde Stadel für das Endlager von radioaktivem Abfall vor. Details dazu wurden heute bekannt.
Die Nagra informierte in Bern über den Entscheid, der am Samstag nach einer Informationsveranstaltung für die betroffene Bevölkerung durchgesickert war.
Der Entscheid ist eindeutig gefallen, auf Grund der geologischen Verhältnisse. Das sagt Nagra-Chef Matthias Braun heute. «Die Geologie hat gesprochen.» Braun zeigt ein Stück Opalinuston. Dieses Gestein nennt er «die wichtigste geologische Barriere» für das Lager.
Bis voraussichtlich Ende 2024 will die Nagra die Rahmenbewilligungsgesuche für das Tiefenlager beim Bund einreichen. Voraussichtlich ab 2029 werden Bundesrat und Parlament darüber entscheiden. Kommt ein Referendum zu Stande, kann die Stimmbevölkerung mitreden.
Der Zürcher Regierungsrat Martin Neukom widerspricht der Darstellung von Kritikern, wonach der Entscheid der Nagra politisch sei.
Die vom Bau des Endlagers für radioaktive Abfälle betroffenen Gemeinden dürften entschädigt werden.
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Fragen und Antworten: Weshalb braucht es ein Tiefenlager, wie gefährlich ist dieses und wo sind die Abfälle heute?
Den definitiven Entscheid über das Tiefenlager wird wohl das Schweizer Stimmvolk fällen: Soll die direkt betroffene Bevölkerung ein Vetorecht erhalten?
Endlager-Entscheid gefallen: Am Samstag wurden die Grundstücksbesitzer über das Tiefenlager in ihrer Region informiert. Sie sind schockiert.
Schluss
Es sei nun zehn Uhr, sagt eine Vertreterin des Bundesamts für Energie. Man müsse hier die Pressekonferenz abbrechen, da gewisse Exponenten noch zu regionalen Pressekonferenzen zum Tiefenlager-Entschedid aufbrechen müsste.
Die Pressekonferenz ist hiermit beendet.
Auch deutscher Atommüll in Schweizer Endlager?
Es taucht die Frage auf, ob Deutschland nun seinen eigenen radioaktiven Abfall in der Schweiz lagern könnte. Die Fachleute auf dem Podium sagen: Nein. Es sei ein international anerkanntes Prinzip, dass jedes Land seine Abfälle auf dem eigenen Territorium lagere, sagt ein Experte des Bundesamts für Energie.
Warum das Hin und Her um Nördlich Lägern?
Eine Journalistin fragt, warum die Nagra Nördlich Lägern 2015 aus dem Prozess kippen wollte. Braun begründet den damaligen Entscheid mit bautechnischen Unsicherheiten: «Es war ein zu vorsichtiger Entscheid» Dies hätten die nachfolgenden Abklärungen ergeben.
20 Milliarden Franken Kosten
Nun beginnt die Fragerunde:
Nagra-CEO Braun wird gefragt, was der Standort koste. Die Endlagerung koste etwa 20 Milliarden Franken, sagt er. Die Kosten hätten bei der Auswahl keine Rolle gespielt. Es sei nur um die sicherheitskritischen Fragen gegangen
Entschädigungen: Es geht auch ums Geld
Die vom Bau des Endlagers für radioaktive Abfälle betroffenen Gemeinden dürften entschädigt werden. Die Kommunen trügen die Verantwortung für die Lösung einer nationalen Aufgabe, sagt der Zürcher Regierungsrat Martin Neukom.
Die Diskussion um die Abgeltung für das Übernehmen dieser Verantwortung werde intensiv sein, sagt Neukom. Es gehe um die Frage des Radius und die Frage, welche Gemeinde wie viel Geld erhalten solle.
Das Resultat der Abgeltungsverhandlungen sollten zum Beginn der Vernehmlassung vorliegen, ergänzt Monika Stauffer, Leiterin Sektion Radioaktive Abfälle beim Bundesamt für Energie (BFE). Die Abgeltungen sollten in einem Wirkungsperimeter ausbezahlt werden und für regionale Entwicklungen gebraucht werden.
Zu möglichen Abgeltungssummen machen die Referentinnen und Referenten auf dem Podium keine Angaben. Eine ganz andere Frage sei, wie Schäden entschädigt würden, etwa für die Abwertung von betroffenen Liegenschaften. Hier gebe es gesetzliche Regelungen, sagte Stauffer.
Abgeltungen gingen an die Gemeinden, aber nicht an die Kantone Zürich und Aargau, hält Neukom zudem fest. Die Kantone wollten die Gemeinden aber in den Verhandlungen unterstützen.
Zürcher Regierungsrat Neukom: Entscheid nicht politisch
Jetzt ergreift der Zürcher Regierungsrat Martin Neukom das Wort. «Ich bin ein Kritiker der Kernkraft», sagt der grüne Magistrat. Aber «Ob sie die Kernkraft befürworten oder nicht, spielt für die Lagerung der Abfälle keine Rolle. Man kann nicht wirklich gegen die Lagerung sein. Es gibt sowieso ein Lager.» Die Frage sei nur: «Was ist der beste Standort?»
Neukom erläutert, wie sich die Kantone kritisch in den Prozess der Tiefenlagersuche eingebracht hätten. Es habe dabei teils auch Fachstreitigkeiten mit der Nagra gegeben. Neukom attestiert der Nagra gute Arbeit: «Nach allem, was wir beurteilen können, arbeitet die Nagra wissenschaftlich.»
Neukom widerspricht explizit der Darstellung von Kritikern, wonach der Entscheid der Nagra politisch sei. Politisch, weil der regionale Widerstand in Nördlich Lägern als geringer gilt als etwa im Weinland, der Bau eines Tiefenlagers also einfacher sein könnte.
Neukom macht klar: Die Zürcher Regierung hat sich nicht gewünscht, Standort zu sein. «Aber wir haben schon zu Beginn gesagt: Sicherheit muss Vorrang haben. Wenn wir das sagen, dann müssen wir akzeptieren, dass wir den Standort entsprechend auswählen.»
Antwort auf Bedenken wegen Strahlung des radioaktiven Abfalls
Nun spricht Felix Altorfer vom eidgenösssichen Nuklearinpsektorat Ensi. Die Nagra reicht das Rahmenbewilligungsgesuch voraussichtlich 2024 ein. Daraufhin Ensi prüft Standortwahl und Sicherheit des vorgeschlagenen Tiefenlagers. Das Ensi wird dabei auch deutsche Experten beiziehen, wie Altorfer erklärt. Er versucht, Bedenken wegen der Strahlung des radioaktiven Abfalls zu zerstreuen. Der Opalinuston sei so gut, dass die betroffene Bevölkerung beim Tiefenlager pro Jahr nur eine Dosis von einem hunderttausendstel Millisievert abbekomme - durch natürliche Strahlung sei es weit mehr, nämlich sechs Millisievert.
Auf dem Gebiet der Gemeinde Stadel
In Nördlich Lägern sei die Qualität des Steinstapels die beste, die Distanz zur den Einflüssen von aussen ausgesetzte Oberfläche die grösste und der für die ungestörte Lagerung der radioaktiven Abfälle geeignete Bereich am grössten. «Auch ein Haus lässt sich ja auf einer flachen Parzelle besser bauen», sagt Nagra-Chef Braun.
Dass die Verpackungsanlagen beim Zwischenlager Würenlingen erstellt werden könnten, schone Ressourcen und sei raumplanerisch die beste Lösung, sagte Braun.
Fortschritte werden berücksichtigt
Für die Nagra stünden die Sicherheit, die Lernfähigkeit und die Zusammenarbeit vor Ort an oberster Stelle, sagte Braun. Bei dem sehr langfristigen Projekt würden neue Erkenntnisse in Technologie und Wissenschaft mitgenommen. «Das Projekt wird sich noch verbessern».
Bis voraussichtlich Ende 2024 will die Nagra die Rahmenbewilligungsgesuche für das Tiefenlager beim Bund einreichen. Voraussichtlich ab 2029 werden Bundesrat und Parlament darüber entscheiden. Kommt ein Referendum zu Stande, kann die Stimmbevölkerung mitreden.
«Ein wichtiger Meilenstein»
Der Entscheid für das Gebiet Nördlich Lägern ist eindeutig gefallen, auf Grund der geologischen Verhältnisse. Das sagt Nagra-Chef Matthias Braun. «Es war ein eindeutiger Entscheid, die Geologie hat gesprochen», sagte er.
Es lasse sich sagen, dass Nördlich Lägern, das Gebiet bei der zürcherischen Gemeinde Stadel, der beste Standort mit den grössten Sicherheitsreserven sei, so Braun. Er zeigt den Medienleuten ein Stück Opalinuston. Dieses Gestein nannte er «die wichtigste geologische Barriere» für das Lager.
175 Millionen Jahre altes Gestein
Opalinuston sei 175 Millionen Jahre alt und «unscheinbar grau und geologisch langweilig», sagt Braun. Das gebe Vertrauen für gute Prognosen, auch für die Zukunft. Das Gestein sei sehr dicht, binde radioaktives Material und heile sich bei Brüchen selber. An allen drei Standorten sei der Opalinuston in andere Schichten eingebettet.
In der 100 Meter dicken Schicht Opalinuston fänden sich Spuren uralten Wassers. In Nördlich Lägern sei dieses am ältesten, schildert Braun die Verhältnisse vor Ort. «Die Natur hat den Einschluss schon getestet, über Millionen von Jahre.»
«Ein Schritt der Transparenz»
Roman Meier, Vizedirektor des Bundesamts für Energie, rekapituliert die Geschichte der bisherigen Suche nach einem geologischen Tiefenlager. «Die heutige Bekanntgabe des Standorts ist ein Schritt der Transparenz», sagt Meier. Der Entscheid der Nagra sei noch nicht der von den Behörden geprüfte Standort.
Die Nagra werde nun mit den betroffenen Standorten und Regionen ihren Entscheid besprechen und dann ein Gesuch zuhanden der Behörden ausarbeiten, sagte Mayer am Montag vor den Medien in Bern. Das Gesuch werde anschliessend materiell durch den Bund geprüft.
Ausgangslage
Die Nagra schlägt nach fast 50-jähriger Standortsuche die Region Nördlich Lägern in der Zürcher Gemeinde Stadel für das Endlager von radioaktivem Abfall vor. Details dazu werden am Montag bekannt.
Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) informiert um 9 Uhr in Bern über den Entscheid, der am Samstag nach einer Informationsveranstaltung für die betroffene Bevölkerung durchgesickert war. Fest steht auch, wo die sogenannte «Heisse Zelle» gebaut wird: Die Brennelement-Verpackungsanlage soll beim Zentralen Zwischenlager in Würenlingen AG entstehen.
Erste Einlagerung etwa im Jahr 2050
Nach dem Standortentscheid vom Montag wird die Nagra gegen Ende 2024 ihr Gesuch bei den Bundesbehörden einreichen. Voraussichtlich erst 2029 wird der Bundesrat den definitiven Standortentscheid fällen. Danach muss das Bundesparlament das Lager genehmigen. Es ist absehbar, dass es danach eine Volksabstimmung geben wird.
Baustart ist für das Jahr 2045 vorgesehen. Gemäss Planung der Nagra könnten erste Abfälle dann um das Jahr 2050 eingelagert werden. Danach folgt eine «Beobachtungsphase», die 50 Jahre lang dauern soll. Im Jahr 2115 soll das Lager dann verschlossen werden.
Opalinuston laut Expertengruppe am besten geeignet
Nördlich Lägern ist laut dem Präsidenten der Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung, Simon Löw, der sicherste Standort für ein Tiefenlager für radioaktiven Abfall. Das dort vorhandene Gestein im Untergrund, der Opalinuston, schliesse radioaktiven Abfall langfristig am besten ein.
Opalinuston sei ein dichtes Gestein, nicht ein Ton, erklärte Löw am Montagmorgen dem Schweizer Radio SRF. In dem sehr alten Gestein zirkuliere nur sehr wenig Wasser in geringen Mengen. Das Gestein halte Radionuklide zurück und binde sie. Und schliesslich sei der Opalinuston extrem homogen.
Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) begründet am Montag in Bern ihren Standortentscheid für das Endlager von radioaktivem Abfall in der Region Nördlich Lägern in der Zürcher Gemeinde Stadel.
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