Einbürgerung dreimal verweigertJetzt endlich ist sie Schweizerin
Eine 33-jährige Kosovarin, die als Zehnjährige in die Schweiz kam, ist in ihrer Luzerner Gemeinde doch noch eingebürgert worden. Warum dauerte das so lange?
Yllka Gashi, wie wir sie nennen möchten, ist erleichtert und freut sich: Mitte Dezember hat ihr der Kanton Luzern das Schweizer Bürgerrecht bestätigt. Ihre Freude ist umso grösser, als sie lange daran gezweifelt hat, ob ihre Einbürgerung jemals bewilligt wird. «Weder ich noch meine Schweizer Freunde haben verstanden, warum sich die Gemeinde so schwertat.» Trotzdem habe sie den Glauben «an die Schweizer Werte» nie aufgegeben, sagt die gebürtige Kosovarin, die auf dem zweiten Bildungsweg Jus studiert hat.
Dreimal hatte ihr die Gemeinde Hochdorf die Einbürgerung verweigert. Im Mai berichtete diese Zeitung ein erstes Mal über den Fall. Erst anderthalb Jahre nach der letzten Absage kam nun die Bewilligung. Das war nach einer Verwaltungsbeschwerde und der darauffolgenden rechtlichen Anhörung.
«In Hochdorf freuen wir uns über engagierte und integrierte Neubürger/innen», schreibt der Gemeinderat Daniel Rüttimann auf Anfrage; er hat als Mitglied der Bürgerrechtskommission mehrmals gegen den Antrag der heute 33-jährigen Kosovarin mitentschieden. Der letzte Entscheid zu diesem langjährigen Fall bestätige ihn darin, dass die Kommission ihre Arbeit «stets korrekt, fair und den Vorgaben entsprechend» abgewickelt habe.
Wer hielt die Rede zum 1. August?
Yllka Gashi war 1998 als zehnjähriges Mädchen mit ihrer Familie in die Schweiz gekommen. Heute hat sie mit ihrem Partner zwei Kinder, spricht Dialekt und empfindet die Schweiz als ihre Heimat. Als 22-Jährige, nachdem sie ein Dutzend Jahre in Hochdorf gelebt, die Schule und eine Lehre abgeschlossen hatte, versuchte sie ein zweites Mal, sich einbürgern zu lassen. Einen ersten Antrag hatte sie selber zurückgezogen, man hatte ihr davon abgeraten. Grund: Sie war wegen einer kleinen Verkehrsübertretung gebüsst worden.
Bei der Anhörung zu ihrer zweiten und dritten Bewerbung wollten die zehn Mitglieder der Bürgerrechtskommission unter anderem Folgendes wissen: Welche Regierungsräte stammen aus dem Seetal? Wer hat in Ihrer Gemeinde die letzte 1.-August-Rede gehalten? Was versteht man unter dem Koordinationsabzug im BVG? Welche finanziellen Risiken sichert die EO ab? Ausserdem musste Yllka Gashi Hügel, Wälder, Kapellen und Schlösser der Umgebung benennen. (Würden Sie einen Einbürgerungstest bestehen? Hier finden Sie unser Quiz.)
Zu den Gründen, warum die Kommission das dritte Gesuch der Kosovarin ablehnte, gehörte die Frage nach dem Lebensmittelpunkt. Yllka Gashi hatte ihr Gesuch im April 2018 eingereicht, das war während ihres Jus-Studiums. Sie hatte sich auf Menschenrechte spezialisiert, machte ein dreimonatiges Praktikum am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag und wohnte im Sommer dem Kriegsverbrechertribunal in Kosovo bei. Zwischendurch war sie in Konstanz an der Uni und in Zürich bei ihrem Freund. Aber dazwischen lebte sie in Hochdorf. Das genügte der Kommission nicht.
«Wir leben in einer Dreivierteldemokratie, und das hat mit unserer besonders strengen Einbürgerungspraxis zu tun.»
Ihre Einbürgerungsversuche seien «immer wieder in die Länge gezogen worden», sagt sie heute. «Das Vorgehen ist für alle Gesuchstellenden gleich», widerspricht Daniel Rüttimann von der Bürgerrechtskommission. Dass das zweite Gesuch von Frau Gashi abgelehnt worden sei, habe sogar das Bundesgericht gestützt. Das dritte, letztlich bewilligte Gesuch habe sich vor allem dadurch verzögert, dass notwendige Dokumente der Gesuchstellerin gefehlt hätten. Yllka Gashi bleibt dabei: Sie habe die Prozedur als schikanös und kleinlich erlebt. Und was das Bundesgericht betreffe, habe dieses einen Ermessensentscheid gefällt, mehr nicht.
Klar ist: In der Schweiz hat etwa ein Viertel der Bevölkerung keinen Schweizer Pass – auch weil das Volk mehrmals gegen die erleichterte Einbürgerung stimmte. «Wir leben in einer Dreivierteldemokratie», sagt Paul Rechsteiner, der St. Galler SP-Ständerat – «und das hat einiges mit unserer besonders strengen Einbürgerungspraxis zu tun.» Dass die Gemeinde einen so grossen Einfluss darauf nehme, sei in Europa einzigartig und längst nicht mehr zeitgemäss. Rechsteiner ist mit dem Vorschlag in seinem Rat unterlegen, für die Schweiz nach französischem, spanischem oder amerikanischem Vorbild das «ius soli» einzuführen, das Bürgerrecht bei der Geburt. Er hofft jetzt auf eine neue Initiative, die von der Aktion Vierviertel lanciert wird. Wer hier geboren und aufgewachsen sei, findet er, sei Teil der schweizerischen Gesellschaft und solle das Recht haben, Schweizer oder Schweizerin zu sein.
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