Schweizer Schwimmer startet durchJérémy Desplanches gewinnt historische Medaille
An den Olympischen Spielen in Tokio holt der 26-jährige Genfer Bronze – die erste Schweizer Medaille im Schwimmen seit fast 40 Jahren.
Und dann, als die Kamera bei der Siegerehrung auf den Zweitplatzierten fokussierte, wischte sich Jérémy Desplanches am anderen Ende des Podestes doch noch eine Träne aus den Augen. Eben hatte er sich – coronakonform – die Bronzemedaille vom Tablett nehmen und sie sich umhängen dürfen. Es war ein historischer Moment für den Schweizer Schwimmsport im Aquatics Centre von Tokio. Der 26-jährige Genfer gewann erst die zweite Olympiamedaille für das Land, die Premiere hatte vor 37 Jahren Étienne Dagon in Los Angeles geschafft. Dieser hatte über 200 m Brust ebenfalls Bronze gewonnen.
Was er über 200 m Lagen gezeigt hatte, bezeichnete Desplanches später als wohl «perfektes Rennen, ich habe mir zwar das Video noch nicht angeschaut, aber ich wüsste nicht, was ich besser hätte machen können». Sicher konnte er sich über den Ausgang des Rennens jedoch nicht sein. «Als ich angeschlagen hatte, musste ich mehrmals auf die Tafel schauen, welche Bahn, welcher Name, welcher Rang, weil es am Schluss superknapp geworden war», sagte er und schmunzelte. In 1:56,17 hatte in Schweizer Rekordzeit angeschlagen und die eigene Bestmarke von der WM 2019, als er Silber gewonnen hatte, um 39 Hundertstel unterboten.
Es war ein Krimi, der erst auf den letzten Metern entschieden wurde. Desplanches hatte auf den letzten 50 Metern, der Crawl-Distanz, mit dem japanischen Weltmeister Seto Dayia gleichgezogen – schlug aber fünf Hundertstel vor diesem an. Olympiasieger wurde der Chinese Wang Shun (1:55,00).
Desplanches, der 2018 auch schon Europameister geworden war, hatte bereits im Vorlauf mit 1:56,89 angedeutet, dass er in Hochform ist – danach aber Nerven gezeigt. «Ich habe vor dem Halbfinal sehr schlecht geschlafen, bin um ein Uhr nachts nochmals aufgestanden, um mir die Konkurrenten nochmals anzuschauen. Jetzt aber, vor dem Final, war alles gut.»
Der Genfer, der 2014 nach Nizza gezogen ist und sich dort der Trainingsgruppe des renommierten Trainers Fabrice Pellerin anschloss, hat damit und nach EM-Silber im Mai in Budapest bereits seine vierte Medaille an internationalen Wettkämpfen gewonnen – damit ist er endgültig der erfolgreichste Schwimmer des Landes. Desplanches bedauerte, dass sein Trainer nicht vor Ort ist. «Er ist nicht geimpft und wollte keine Risiken eingehen, wir haben per Whatsapp und Telefon kommuniziert.» Der Athlet betonte, einen schönen Anteil an dieser Medaille habe auch Pellerin.
Als die erste Euphorie verflogen war und er wieder einigermassen klare Gedanken fassen konnte, erzählte Desplanches, wie sehr er diese Medaille gewollt hatte: «Seit fünf Jahren und Rio war das eine Obsession. Ich dachte dauernd daran und bezog alles darauf. Das war besonders hart, als letztes Jahr die Corona-Pandemie ausbrach und wir zwei Monate nicht trainieren konnten.» Das sei nicht bei allen Gegnern so gewesen, andauernd habe er sich Gedanken darüber gemacht, dass diese vielleicht Fortschritte machen und er nicht.
Tatsächlich war er dann an der EM im Mai in Budapest noch nicht in bester Verfassung. «Als ich da nur Zweiter wurde, wusste ich, dass ich mich gewaltig steigern muss, wenn ich in Tokio eine Medaille gewinnen will», sagte er. Da sei er erst für die ersten 150 Meter bereit gewesen und habe das Rennen am Schluss verloren, «jetzt war ich bereit für die ganze Distanz, ich schwamm Rekord und gewann die Medaille wohl auf den letzten fünf Metern.» Er sei glücklich, dass Seto ziemlich viel kleiner sei als er, deshalb habe er eher angeschlagen. Und: Offenbar habe er seine Aufgaben besser gemacht als der Europameister. Denn der Spanier Hugo Gonzalez, der ihn dort noch bezwungen hatte, verpasste den Olympiafinal.
Desplanches dachte im eigenen Triumph aber auch an das ganze Team. «An den Spielen 2016 verzeichneten wir ganze zwei Halbfinalqualifikationen, jetzt sind wir schon bei drei Finals und einer Medaille», sagte er. Und diese sei auch für seine jungen Teamkollegen wichtig. Noè Ponti, der erst 20-jährige Tessiner, der sich am Freitag mit Schweizer Rekord für den Final über 100 m Delphin vom Samstag qualifizierte, wird wohl schön träumen vor seinem grossen Auftritt.
In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass Dano Halsall der zuvor einzige Schweizer gewesen sei, der an Olympia eine Schwimm-Medaille geholt habe. Richtig ist aber Étienne Dagon.
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