Jahresrückblick 2023Was wir 2023 zum allerersten Mal gemacht haben
Noch nie am Züri-Fäscht? Und warum war Schwamendingen immer ein blinder Fleck? Die Redaktion hat in den letzten 12 Monaten in Zürich Dinge getan, von denen sie sich fragt: Warum hats so lange gedauert?
Knall auf Fall in der Rollschuhdisco
In pinken Leggins zu Madonnas «Vogue» auf Rollschuhen tanzen? Kann man im X-tra. Die Rollschuhdisco findet seit 2011 regelmässig statt, das 80er-Jahre-Motto war Grund für mich und meine Freundinnen, endlich mal zu gehen. Die Begeisterung war gross. Und mein übermütiger Startschwung auf Rädern nicht zu bremsen: Ich falle, zum ersten von vielen Malen, auf den Holzboden. Trotz grösseren und kleineren Verletzungen haben wir unglaublichen Spass. Auch gibts Cocktails, meine Gruppe bleibt aber bei Wasser. Nach sechs Stunden – und mit ein paar blauen Flecken – machen wir schon für die nächste Rollschuh-Party ab. Auf jeden Fall werden wir Knieschützer und Helme mitnehmen. (spo)
Nächste Rollschuhdisco: Fr, 5.1., Limmatstr. 118, Tickets (inkl. Rollschuhverleih) 25 Franken
Herzklopfen am Züri-Fäscht
Wäre ich in Zürich aufgewachsen, hätte es das erste Mal vielleicht schon gegeben, obwohl ich schon sehr früh Grossanlässe mied. Dieses Jahr spülte es mich an das Stadtfest, das drei Tage dauerte. Nicht nur weil der «Tages-Anzeiger» einen Stand mit coolen Zürcher DJs und dem besten Barpersonal betrieb, auch sonst fand ich den Besuch Fun. Und wow, was für ein gigantisches Feuerwerk. Ja, wir sind in Zürich, und da muss bekanntlich alles das Grösste und Beste sein, aber mein Herz sprang vor Freude bei jedem Knall, vergessen war die poppige Begleitmusik. Klar ist, ans nächste Züri-Fäscht werde ich wieder gehen. Doch gibt es überhaupt ein nächstes? (moi)
Ob und wann das nächste Züri-Fäscht stattfindet, steht noch in den Sternen.
Neues Sehen in der Pauluskirche
«Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück», schrieb Franz Schubert, der in seinem Leben immer ein bisschen unglücklich war. Zur Schubertiade lud der Schwule Männerchor Zürich, kurz Schmaz, Anfang Januar, eine glückliche Entdeckung war nicht nur die Musik, sondern auch der Ort, wo das Konzert stattfand: die Pauluskirche im Milchbuckquartier, Baujahr 1934. Mächtig wirkt das Äussere mit der monumentalen Fassade und den monumentalen Figuren zwischen den Kirchentüren: Zwingli, Luther, Calvin, Bullinger. Das neue Sehen lehrt das Innere. Der Raum ist eine Sinfonie in Grau, mit warmen, ruhigen Tönen, man fühlt sich hier aufgehoben, trotz aller Grösse. Eben schlichte Sachlichkeit. Besonders schön sind die Lampen in Becherform, es ist hier wirklich zum Protestantischwerden. (bu)
Pauluskirche, Milchbuckstr. 57, Mo bis Fr, 9 bis 17 Uhr
Treiben lassen auf der Limmat
Was habe ich mich schon über die Limmat-Böötler genervt: Erwachsene lassen sich in Flamingos und Donuts, bei meist grauenhafter Musik, volllaufen und von der Sonne verbrutzeln. Trotzdem sagte ich zu, als eine Freundin mich diesen Sommer fragte, ob ich Lust auf eine Gummibootfahrt hätte. Aber ohne Komasuff, Horror-Sound und Sonnenbrand, sondern zusammen mit den Kindern und Chips, Wasser, Sonnencreme und – okay – Bier im Gepäck. Wir holten das über die Vermietplattform Sharely organisierte Boot ab, legten los, lachten bei kleinen Stromschnellen, genossen die Ruhe auf dem Wasser, kühlten uns darin ab, kletterten zurück ins Boot, kenterten einmal beinahe und verbrachten einfach einen verdammt grossartigen Tag zusammen. (nia)
Start z. B. beim Landesmuseum, Ausstieg spätestens beim Grillplatz Allmend Glanzenberg, Dietikon. Zurück mit Zug ab Bahnhof Glanzenberg. Vorsicht beim Höngger Wehr: Signalisierung befolgen.
Essen beim Koch des Jahres
Natürlich sind die Erwartungen hoch. Das Rosi ist bis auf den letzten Tisch besetzt, wie es sich für das Lokal des frisch zum Gault Millau Aufsteiger des Jahres gekürten Markus Stöckle gehört. An der Bar finden wir aber noch einen Platz, um uns durch die verrückte Kochwelt des Allgäuers zu essen. Dieser lässt uns an diesem Abend mehrfach staunen: Wie er es schafft, Humor in einzelne Gerichte hineinzubringen (ein fluoreszierender Laubfrosch!). Das wagt sonst niemand in der Spitzengastronomie. Wie er die herzhafte süddeutsche Heimatküche (Käsespätzle! Dampfnudeln!) auf ein Spitzenniveau hebt. Und wie er dazwischen stimmig international abgeschmeckte Gerichte packt (etwa: Spinat auf Seidentofu und Sesam). (ebi)
Rosi, Sihlfeldstr. 89, 8004 Zürich, rosi.restaurant/de
Ruhe an der Badenfahrt
Erstaunlich, wie toll ich das Stadtfest in Baden fand. Weil das Züri-Fäscht zum Beispiel, na ja, das trage ich mir jetzt nicht fett in die Agenda mit dem Zusatz «Vollgeil!» ein. Grund für den ersten Besuch der Badenfahrt war ein Auftritt des Musikers Stereo Luchs. Nicht nur war sein Konzert dort eines seiner besten, das ich bis jetzt von ihm gesehen habe, auch die zuvor in Baden mit meiner Begleitung verbrachten Stunden waren grossartig. Das in die Feier gesteckte – lokale – Herzblut, die liebevoll gestalteten und geführten Bars und Stände, das nette Personal auf dem Festgelände, die Verpflegungsmöglichkeiten an der Limmat: Da herrschte immer eine Ruhe in dem ganzen Lärm und Rummel. (nia)
Die nächste Badenfahrt findet (voraussichtlich) 2027 statt.
Tratschen im Pedalo
Dass ich seit zwei Jahren in Zürich wohne und noch nie Pedalo fahren gegangen sei, gehe gar nicht, sagt mir eine Freundin kopfschüttelnd. Keine andere Sommeraktivität sei so «Züri», meint sie. Also ab an den Utoquai, wo die Tretboote vermietet werden. Wir entscheiden uns für die bescheidenere Variante ohne Rutschbahn. Nach einigen Minuten unsicheren Strampelns bekomme ich das gelbe Böötli in den Griff und lasse, pedalierend, den Zürisee an mir vorbeiziehen. Wenn es uns zu anstrengend wird, springen wir in den See oder lassen das Pedaloboot eine Weile auf dem Wasser gleiten, während wir genüsslich tratschen – in Hörweite ist schliesslich niemand. (spo)
Lago Zürich am Utoquai, ab 30 Franken für eine Stunde und vier Personen
Die Entdeckung Schwamendingens
Für Schwamendingen braucht es eine besondere Brille. Eine Schwami-Brille bietet der Optiker am Schwamendingerplatz an – «urban style für Schwamendinger». Wie diese Brille denn aussehe?, fragte mein Kollege Jean-Marc Nia, der mit mir im Juni den Kreis 12 erkundete. Die Antwort: ganz gewöhnlich, wie eigentlich das ganze Quartier. Und doch: Hier entdeckt man einen ganzen Kontinent, es ist Vorstadt-Avantgarde, vom Schuhservice an der Saatlenstrasse (Stempel, Gravuren, Autonummern) bis zur Wirtschaft Ziegelhütte (Kegelkonzerte!). Man muss nur einen Nachmittag im Café Jasmin verbringen und sieht, wie hier die Menschen miteinander umgehen. Man kennt sich. Oder kennt sich nicht. Schwamendingen ist eben überall. (bu)
Mit Billie Eilish im Museum
Als junge Frau machte ich in der Dachkantine und der Toni-Molkerei die Nacht zum Tag. Jahrzehnte später hat sich die ehemalige Milchfabrik zum Campus der Zürcher Hochschule der Künste verwandelt. Ich war ab und zu da, um dort zu essen oder jemanden zu treffen. Aber ins Museum für Gestaltung hatte ich es noch nicht geschafft. Die «Game Design Today»-Ausstellung sollte das ändern. Im Februar ging ich mit kindlicher Neugier auf Entdeckungsreise durch eine Welt, die mir bisher fremd war. Zwar fehlt mir nach wie vor der Zugang zu Videogames. Aber dank dieser Ausstellung kam ich in den Genuss eines Videos, in dem die Musikerin Billie Eilish von einem KI-Roboter interviewt wurde. Die gewiefte Art, wie der Roboter sie befragte, ging mir noch lange nach, und ich fragte mich, was ich davon für zukünftige Interviews mitnehmen kann. (cju)
Museum für Gestaltung, Pfingstweidstr. 96, Di–So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr, Mo geschlossen
Entschleunigung im ÖV
Die Tatsache, dass in Zürich eine Trambahn zum Flughafen fährt, fasziniert mich schon lange. Ich nehme trotzdem immer die S-Bahn. Vom Hauptbahnhof aus dauert die Reise mit dem Tram etwa 35 Minuten. Aus Neugier und auf der Suche nach Entschleunigung steige ich an einem sonnigen Sonntag in die Linie 10. Die Fahrt führt an der Uni vorbei, bei der Seilbahn Rigiblick überlege ich kurz, meine Route zu ändern, und verwerfe die Idee. Ich stelle fest, dass bei Sonnenschein auch Oerlikon schön ist. Wir fahren am Glattpark vorbei, ich schau aus dem Fenster und denke, dass Kloten-Balsberg einen eigentümlichen Charme hat. Dann sind wir da. Und weil in diesem Fall der Weg mein Ziel ist, setze ich mich im nächsten 10er-Tram auf einen sonnigen Fensterplatz und fahre tiefenentspannt zurück in die Stadt. (ish)
Tram Linie 10, Zürich Bahnhofplatz / HB – Zürich Flughafen / Fracht
Gewinnen im Billardino
«Ihr kommt zum Billard?» – «Nein, wir wollen Minigolf spielen.» Den faulen Spruch hätte man mir durchaus übel nehmen können. Nicht so im Billardino Zürich-West. Die Flachserei zwischen dem Mann hinter der Bar und mir geriet fast ins Absurde. Noch besser als der Humor des Gastgebers sind die Tische, die selbst der harten Konkurrenz meines Stammlokals, des Billard-Centers Zypresse, standhalten können. Die Effets zeigen den gewünschten Effekt und für das Girlie in mir hats auch rosa Balls. Ausserdem ist die Atmosphäre im Saal schon am Nachmittag herrlich schummrig, was einfach zu diesem Spiel passt wie ein rauchiger Whisky. Und natürlich habe ich gewonnen. Das allein steigert die Laune fast ins Unermessliche. (tif)
Billardino Zürich Westside, Heinrichstr. 245
Stand-up-Paddeln mit Hund
Das Leben von Redaktionshund Cola besteht nur aus ersten Malen. Das erste Mal mit auf dem Motorrad, das erste Mal am Filmset, das erste Mal mit dem Zug nach Berlin, das erste Mal Kanufahren, das erste Mal bei Karl (9 J.) übernachten. Erste Male meistert die zweijährige Hündin mit gekonnter Lässigkeit. Stand-up- Paddeln auf dem Zürisee? Kein Ding. Besonders wenn wir so gut betreut werden wie diesen Sommer von Melinda Braunke. Die Hundetrainerin bietet das Mini-Adventure speziell für Mensch-Hund-Teams an. Auch für durchschnittlich abenteuererprobte Rudel ein Riesenspass. (si)
Pawsitively.ch, während der Sommermonate
Staunen im ZSC-Stadion
Eishockey ist mir egal. Was der ZSC gegen den HC Davos spielte, weiss ich nicht mehr. Es war kein gutes Spiel. Und trotzdem ist mir dieser Abend in Erinnerung geblieben. Der Hauptgrund: 100’000 Tonnen Beton. Die neue Swiss-Life-Arena ist mächtig, ohne prunkvoll zu sein. Brutal und zart zugleich. Kurz bewunderte ich, wie die Hockeyspieler über das Eis flogen. Dann schaute ich wieder die Wände an. Vor dem Spiel assen wir mit Freunden grillierte Hackfleischröllchen aus dem Balkan in Jack’s Cevap House. Danach tanzten wir an einer Party im Koch-Areal, das damals noch besetzt war, und verschwanden im Nebel. Dazwischen: Beton. Viel schöner Beton. (tiw)
Swiss-Life-Arena, Vulkanstr. 130, nächste Spiele: Do 21.12. (gegen EV Zug), Sa 23.12. (gegen Fribourg-Gottéron), So 7.1.2024 (gegen SC Rapperswil-Jona Lakers)
Schaukeln im Seebad Enge
Fast zwanzig Jahre lang sind Berichte über die Sauna im Seebad Enge an mir abgeperlt wie Schweisstropfen. Ich mag eigentlich das gemeinsame Schwitzen, ich mag den See, und trotzdem. Es war da ein innerer Widerstand. Anfang des Jahres stand ich plötzlich in dieser kleinen, schwimmenden Wellnessoase. Schwitzte, redete mit netten, nackten Menschen, tauchte im eiskalten Wasser ab und ass zum Abschluss eine Karottensuppe im Bistro. Ich sass mitten auf dem Wasser an der grossen Fensterfront, blickte auf die verschneiten Berge und den wintergrauen Zürichsee. Der Boden unter mir schwankte sanft, und ich konnte schlichtweg nicht fassen, dass ich hier nie zuvor gewesen war. (ish)
Seebad Enge, Mythenquai 9, beim Hafen Enge; Mo 10–23 Uhr (nur Frauen), Di–Sa 10–23 Uhr (gemischt/Frauen), So 10–23 Uhr (nur gemischt)
Storm Watching in der Flussssbar
Die Badi Unterer Letten gehört zu meinen frühen Erinnerungen an Zürich – auch ich bin im Wasser gegen die Gitterstreben geknallt. Eine Taufe für Neuzuzüger. Aber es brauchte zwanzig Jahre bis zum ersten Besuch der Flussssbar. Es ist schon sehr gemütlich, einen Caipi zu schlürfen und dem Rauschen der Limmat zuzuhören. Zumindest war das der Plan. Tatsächlich brach einer der grossen Gewitterstürme des Sommers los, kaum dass ich meinen Drink in der Hand hatte. Jeder Donnerschlag war so laut, dass alle Gäste erschrocken sind. Aber wir waren geschützt. Der denkwürdigste Barbesuch des Jahres. (ggs)
Mai bis August, dienstags ab 20.15 Uhr, Badi Unterer Letten,Wasserwerkstr. 141
Korrektur vom 29.12.2023, 9:30 Uhr: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass die Tramlinie 10 am Glattzentrum vorbei fährt. Sie passiert allerdings den Glattparkt und hält dort auch an.
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