Mattarella will Nicht-PolitikerEx-EZB-Chef Draghi soll Italiens neuer Premier werden
Der Versuch, einer neuen Regierung mit dem alten Premier den Weg zu ebnen, ist gescheitert. Der Staatschef sucht nun Hilfe von aussen.
Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella hat den früheren Vorsitzenden der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, für Mittwochmittag in den Qurininalspalast geladen, um ihm einen Regierungsauftrag zu erteilen. Der 73-jährige Ökonomieprofessor aus Rom galt schon lange als möglicher Chef einer Technikerregierung in der Krise, die von weiten Teilen des italienischen Parlaments unterstützt werden könnte.
Dennoch kam die Entscheidung am Dienstagabend überraschend, nachdem es eine Weile so ausgesehen hatte, als könnten sich die zerstrittenen Partner des Bündnisses, das bisher Giuseppe Conte getragen hatte, im letzten Moment doch noch auf ein Weiterregieren einigen. Der Versöhnungsversuch misslang aber. Matteo Renzi von Italia Viva, der mit dem Rückzug seiner Ministerinnen vor drei Wochen die Regierungskrise ausgelöst hatte, gab sich am Ende nicht zufrieden mit den Konzessionen, die ihm seine früheren Verbündeten angeboten hatten.
Offenbar scheiterte das Einvernehmen auch an den Namen einiger Minister. Renzi forderte unter anderem die Ersetzung des Justiz- und der Bildungsministerin, von Alfonso Bonafede und Lucia Azzolina also, beide von den Cinque Stelle. Doch die Partei des Komikers Beppe Grillo mochte weder bei ihrem Personal noch bei ihren grossen Themen Abstriche machen. Ohne Renzi und die 17 Senatoren seiner Partei war es klar, dass Conte keine Mehrheit mehr haben würde im Parlament. Beide Seiten werfen sich nun vor, das Ende mit ihrer Starrköpfigkeit befördert zu haben.
Auch die Rechte trägt Draghi wohl mit
Und so musste Staatschef Mattarella einen Entscheid fällen. In seinem Auftritt vor den Medien sagte der Sizilianer, es gebe eigentlich nur zwei mögliche Lösungen der Krise: vorzeitige Neuwahlen oder eine Regierung «di alto profilo», wie er es nannte, also ein hochkarätiges Kabinett von anerkannten Fachleuten. Wahlen seien ein grosses Wagnis in dieser Zeit der Pandemie, sagte Mattarella. Italien könne es sich nicht leisten, nun monatelang in Wahlkampfmodus zu schalten, mit allen Risiken, die das beinhalten würde.
Ohne solide, handlungsfähige Regierung sei das Management der Pandemie kaum möglich, schliesslich stehe man mitten in der Impfkampagne. Ausserdem erwarte die Europäische Union, dass Rom bereits im April einen genauen Wiederaufbauplan präsentiere. Die 209 Milliarden Euro aus dem Recovery Fund seien für Italien «unabdingbar», sagte er. «Sie sind eine fundamentale Chance für die Zukunft unseres Landes.» Er richte deshalb einen dringenden Appell an das Parlament, dass es seine Initiative billige und einem solchen Kabinett alle Unterstützung zukommen lasse.
Gut möglich, dass nun auch ein Teil der rechten Opposition Draghi mitträgt. Silvio Berlusconis Partei Forza Italia zum Beispiel hat in jüngerer Vergangenheit immer wieder klargemacht, dass sie sich für eine renommierte Persönlichkeit wie Draghi gewinnen lassen würde. Auch die Lega von Matteo Salvini zeigte schon ihre Bereitschaft. Sogar die postfaschistischen Fratelli d’Italia wollen Mattarellas Vorschlag unterstützen – «zum Wohl der Nation», wie sie ausrichten liessen.
Contes bitteres Ende
Die Kritiker Contes sagten immer, sie wünschten sich eine «Regierung der Besten» und meinten damit prominente Alternativen zum parteilosen Anwalt aus Apulien. Die Frage ist nun, ob auch die früheren Systemkritiker, die Fünf Sterne, bei der Bildung einer institutionellen Regierung Draghis mitmachen mögen. Vielen Sternen gilt Draghi als Vertreter der Eliten, die sie einst bekämpften. Und nun?
Für Conte ist das ein bitteres Ende. Er hatte sich ausgerechnet, dass er es schaffen würde, auch einem dritten Kabinett in weniger als drei Jahren, einem Conte III also, vorstehen zu können. Er suchte dafür auch Senatoren aus der Opposition, die die «Renzianer» ersetzen sollten. Doch er fand nicht genügend Stimmen, die Offensive verpuffte. Am Ende unterlag er seinem Rivalen, der viel erfahrener ist im politischen Machtspiel.
Renzi führte immer politische Differenzen an, um seine Unzufriedenheit über Conte zu rechtfertigen. So warf er Conte vor, der habe keine Vision für Italien, keinen Plan für die Zukunft. Doch die beiden konnten sich auch nicht leiden, da spielten persönliche Animositäten mit. Renzi arbeitete zum Schluss kontinuierlich auf Contes Entmachtung hin. Und so stürzt nun also einer der populärsten Premiers der jüngeren italienische Vergangenheit, nach den jüngsten Erhebungen genoss er die Gunst von 55 Prozent der Italiener.
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