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Italiens Regierungskrise
Der Chefkuppler aus Neapel

Sie nennen ihn auch «roter Stern»: Roberto Fico, Chef des linken Flügels bei den Cinque Stelle – hier in einer Aufnahme von 2018.  
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Zuhören, besänftigen, neu verkuppeln. Wenn einer es schafft, die zerbrochene italienische Regierungskoalition zu flicken, dann ist das Roberto Fico, 46, Neapolitaner, Vorsitzender der italienischen Abgeordnetenkammer. So deutlich lässt sich das sagen. Als Mittler in der Krise ist der beliebte, auffällig allürenlose Süditaliener eine Idealbesetzung. Auch die zwei Duellanten im Gerangel um Italiens Macht, Giuseppe Conte und Matteo Renzi, schätzen den Politiker der Cinque Stelle, und zwar beide. Ein Wunder, ein Geschenk in der Fährnis.

Fico hat vom Staatspräsidenten ein sogenanntes Mandato esplorativo erhalten, ein Erkundungsmandat. Er soll also herausfinden, ob es zwischen den Bündnispartnern von Contes gescheiterter Regierung, dem Conte II, doch noch eine Basis für ein Weitermachen gibt – vielleicht sogar für ein Conte III: mit einer Rückführung des zurückgetretenen Premiers also. Es ist eine Erkundung in der Arktis, um beim Bild zu bleiben, eine Polarforschung. Nach allen bösen Worten, die in den vergangenen Wochen hin- und hergeflogen sind zwischen «Contiani» und «Renziani», ist das Klima fast unerträglich unwirtlich. Aber das ist Italien. In jedem «Nie wieder» steckt der Keim für Versöhnung, er will nur begossen sein.

Mit Bus 85 zur Arbeit – wohl auch ein bisschen inszeniert

Seit bald drei Jahren ist Fico als Parlamentspräsident die Nummer drei im Staat, eingezurrt in steife Protokolle und Formalismen. Doch gewöhnt hat er sich nicht daran. Man merkt dem früheren Linksaktivisten und Umweltschützer an, dass ihm Anzüge ein Zwang sind, die Krawatte hängt oft etwas locker, zumal für italienische Verhältnisse. Am Tag nach seiner Wahl zum Vorsitzenden im Palazzo Montecitorio fuhr er mit dem Bus zur Arbeit, Linie 85. Das war eine Sensation, die Fotos erschienen in allen Zeitungen. Allerdings wirkten sie auch ein bisschen inszeniert.

Kommunikationswissenschaftler Fico war ein Pionier des «Grillismo» in seiner Heimatstadt, ein Anhänger der ersten Stunde des politisierenden Komikers Beppe Grillo. 2005 gründete er in Neapel das erste «Meet-up», so nannte Grillo damals die Basiszellen seiner Bewegung. Man kämpfte vor allem gegen die Errichtung einer Kehrichtanlage und dafür, dass das Wasser der Stadt in öffentlicher Hand blieb. Weil Fico seit Beginn dabei ist, gilt er heute als Chef der «Orthodoxen», dem Flügel der Ursprünglichen. Man nennt ihn auch «roter Stern»: In allen grossen Fragen steht er links – weiter links als der grösste Teil der Bewegung.

Viele einst eiserne Prinzipien sind längst zerbrochen

Als die Cinque Stelle nach den Wahlen 2018 zunächst ein Jahr lang mit der fremdenfeindlichen Lega regierte, distanzierte er sich oft laut von deren Immigrationspolitik. Überhaupt: Als «Ortodosso» hätte er gar nie Allianzen mit Parteien des alten Establishments eingehen wollen. Früher war das ein Tabu. Nun, es ist längst gefallen, wie andere einst eisern gewähnte Prinzipien auch. Und Fico ist jetzt der Oberkuppler, schon zum zweiten Mal.

Für die Rolle des «Erkunders» gibt es selbst in der sonst durchritualisierten italienischen Republik keine festen Regeln, der Träger des Mandats interpretiert es nach seinem Gusto. Fico hat nur vier Tage Zeit erhalten, bis Dienstag. So legte er schon am Wochenende los, lud die Parteien einzeln zu sich ein, liess sie reden.

Namen sind sekundär? Nun ja.

Alle warteten auf Renzi, denn ohne den Florentiner und die Stimmen seiner Partei Italia Viva geht gar nichts. Und Renzi sagte, er wolle zunächst nur über Politik und Inhalte reden, über einen programmatischen Regierungspakt für den Rest der Legislaturperiode – alles schriftlich. Der Name des neuen Premiers käme erst danach, der sei sekundär. Das ist natürlich ein Scherz. Es ist immer noch nicht klar, ob Renzi einer neuen Regierung unter Conte stattgeben mag. Die anderen Bündnispartner drängen darauf.

Alle Hoffnung liegt auf Fico. Gelingt ihm die gruppentherapeutische Operation, legt er sich Meriten zu für noch höhere Weihen. Zum Beispiel als Premier. Gehandelt wird er schon lange.