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Politik und Corona
Die «Schweinerei» von fünf italienischen Abgeordneten

Stolzes Haus, niedere Motive? Im Palazzo Montecitorio in Rom ist die Abgeordnetenkammer untergebracht. In Italien verdienen Deputierte im Monat 12’439 Euro.
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Die Italiener haben wieder einmal allen Grund, sich über ihre politische Klasse zu ärgern. Diesmal ist es sogar etwas mehr. Von einer «schifezza» schreibt die Mailänder Zeitung «Corriere della Sera», die sonst um eine nüchterne Sprache bemüht ist. Von einer Schweinerei also, einer Widerwärtigkeit, die sich manche Politiker da geleistet hätten. Die Überschrift des Kommentars auf der ersten Seite: «Die Ohrfeige der Gefrässigen».

600 Euro, dann 1000 Euro

Mitten in der akuten Phase der Seuche, als Italien mit Corona rang, Ärzte und Pfleger in Spitälern im Norden fast daran zerbrachen und viele Bürger im Lockdown und Shutdown nicht wussten, wie sie ihre Familien ernähren sollten, dachten fünf noch namenlose Mitglieder der italienischen Abgeordnetenkammer an eine persönliche Bereicherung. Sie beantragten den Bonus, den die Regierung in aller Eile für Härtefälle bereitgestellt hatte: 600 Euro für März und April, 1000 Euro für Mai. Drei von ihnen erhielten das Geld.

Illegal war das nicht, moralisch aber zumindest verwerflich. Die zuständigen Ministerien hatten es versäumt, den Bonus an eine Einkommenslimite zu koppeln. Ausgeschlossen waren nur Rentenbezüger. Um sich für das Hilfsgeld zu bewerben, reichte zum Beispiel eine Mehrwertsteuernummer, die den Bittsteller als selbstständig Erwerbenden auswies, dazu der ausgeübte Beruf.

Roberto Fico, Vorsitzender der «Camera», ruft die fünf betroffenen Abgeordneten auf, sich bei ihm freiwillig und direkt zu melden – möglichst bald.

Eine solche Steuernummer haben auch Parlamentarier, die Firmen und Kanzleien besitzen. Ihre Ausfälle hielten sich aber in engen Grenzen, der Staat entrichtete nämlich den gewählten Volksvertretern auf allen Verwaltungsebenen ihre vollen Bezüge. In Italien verdienen Abgeordnete der Republik so viel wie sonst nirgends in Europa: 12’439 Euro im Monat, brutto, dazu kommen Privilegien, etwa Gratisreisen und verbilligtes Essen.

«Sie sollen mich anrufen, das Geld zurückgeben und sich entschuldigen.»

Roberto Fico, Präsident der Abgeordnetenkammer

Bekannt gemacht hat die Affäre der «Schlaumeier des Bonus», wie die Medien sie nun nennen, die Zeitung «La Repubblica». Sie konnte sich auf einen Rapport der internen Anti-Betrugs-Behörde des Istituto Nazionale della Previdenza Sociale berufen, der nationalen Sozialversicherungsanstalt. INPS hatte insgesamt 4,4 Millionen Gesuche erhalten und davon 3,3 Millionen berücksichtigt. Offenbar waren neben den fünf Deputierten 2000 weitere Politiker dabei: kommunale und regionale, auch von Gouverneuren ist die Rede. Und von Anwälten, Notaren, sogar von bekannten Fernsehmoderatoren – alle ohne Not.

Am schwersten wiegen aber die Fälle aus der Politik. Die Namen der betroffenen Abgeordneten sind nicht bekannt, und wahrscheinlich wird das vorderhand so bleiben: Beim INPS gelten strenge Regeln für den Datenschutz. In den sozialen Netzwerken werden die Namen aber mit eigenem Hashtag gefordert: #fuoriinomi – #rausmitdennamen. Roberto Fico, Präsident der Abgeordnetenkammer und Mitglied der Cinque Stelle, appellierte «offiziell» an die Herrschaften, sie mögen sich freiwillig melden. «Sie sollen mich anrufen, das Geld zurückgeben und sich entschuldigen», sagte Fico.

Salvini zunächst laut, dann etwas stiller

Noch harscher ist die Kritik der Parteichefs. Alle meldeten sich aus den Ferien, weil, nun ja, dieser neue Kratzer am ohnedies schon lädierten Image der Politik allen schadet. Besonders wortreich gab sich Oppositionsführer Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega. Die betroffenen Parlamentarier, welcher Partei sie auch angehörten, müssten zurücktreten, sagte er. Eine Schande sei das, wo doch viele Arbeiter noch immer auf ihren Bonus warteten.

Als dann «La Repubblica» die mutmassliche Parteizugehörigkeit der fünf Abgeordneten herausgefunden hatte, wurde Salvini etwas stiller: Drei sollen von der Lega sein, einer von den Cinque Stelle und einer von der Zentrumspartei Italia Viva. Letztere dementierte scharf. Salvini wiederum sprach nun nicht mehr von Rücktritt, sondern nur noch von Suspendierung.

Auch für die Cinque Stelle wäre es ein harter Schlag, würde sich herausstellen, dass tatsächlich einer der Ihren zu den «Schlaumeiern des Bonus» gehört. Die Bewegung war einst angetreten, das Parlament «wie eine Thunfischdose» zu öffnen und die «Kaste» darin zum Teufel zu jagen.