Reaktion auf Omikron-VarianteIsrael schottet sich ab
Wenige Wochen nach der Wiedereröffnung der Grenzen für den Tourismus sind die israelischen Grenzen wieder dicht. Doch eine Ausnahme gibt es.
Kaum war die Nachricht von der neuen Covid-Variante namens Omikron ins Land geschwappt, da beschloss das zuständige Corona-Kabinett sogleich, die Grenzen für Ausländer zu schliessen. Und für israelische Reiserückkehrer gibt es verschärfte Quarantänevorschriften. Israel igelt sich ein.
Es ist das jähe Ende der gerade erst zum 1. November zelebrierten israelischen Wiedereröffnung für den Tourismus, auch wenn die neuen Regeln zunächst nur für zwei Wochen verhängt wurden. Die Regierung in Jerusalem will damit eine klare Botschaft senden: Die Welt ist in Sorge – und wir handeln.
Premierminister Naftali Bennett liess es sich zu Beginn der wöchentlichen Kabinettssitzung am Sonntag nicht nehmen, zu betonen, dass Israel «der Welt voraus ist im Sammeln von Informationen und im Treffen schneller Entscheidungen». Wieder einmal – oder eher noch: wie immer –, soll das heissen.
Denn von Beginn an hat sich das Land als globaler Vorreiter im Kampf gegen die Pandemie verstanden und inszeniert – angefangen bei der schnellen Abschottung über harte Lockdowns bis zur generalstabsmässig durchgezogenen Impfkampagne einschliesslich früher Boostershots und Kinderimmunisierung.
«Entscheidend ist, vorsichtig zu sein und das Risiko zu minimieren, bis wir mehr wissen.»
Diesem Kurs, den der frühere Premier Benjamin Netanyahu vorgegeben hat, folgt nun auch Bennett, ohne zu zaudern oder auf abschliessende Untersuchungen zur Gefährlichkeit der Omikron-Variante zu warten. «Wir befinden uns in einer Zeit der Unsicherheit», erklärte er. «Entscheidend ist es dabei, vorsichtig zu sein und das Risiko zu minimieren, bis wir mehr wissen.»
Ein ganzes Bündel an Massnahmen wurde deshalb sofort nach dem Ende der Sabbatruhe in der Nacht zum Sonntag beschlossen. Neben dem grundsätzlichen Einreiseverbot für Ausländer gilt auch, dass ganz Afrika mit Ausnahme des Nordens nun als rote Verbotszone geführt wird. In diese insgesamt 50 Länder darf kein Israeli mehr reisen. (Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «Südafrika sieht sich ungerecht behandelt».)
Wer von dort aus jetzt noch zurückkehrt, muss zunächst zur Quarantäne in ein staatlich geführtes Corona-Hotel. Heimkehrer aus allen anderen Ländern müssen, selbst wenn sie dreimal geimpft sind, für mindestens 72 Stunden in häusliche Quarantäne. Befreit wird man daraus erst nach zwei negativen PCR-Tests.
Ein Omikron-Fall und rund zehn Verdachtsfälle
Das Ziel ist ein Zeitgewinn, um die Ausbreitung der neuen Mutante hinauszuzögern. Die Abschottung nach aussen soll es ermöglichen, im Innern bis auf weiteres die relative Normalität nach dem Abklingen der vierten Corona-Welle zu erhalten. Schliesslich gibt es in Israel derzeit nur noch rund 7400 aktive Fälle. 128 davon werden als ernst eingestuft.
Als gute Nachricht wurde am Sonntag noch verbreitet, dass der am 12. Dezember in Eilat angesetzte Miss-Universe-Schönheitswettbewerb wie geplant stattfinden soll. Die Kandidatinnen dürfen mit Sondergenehmigungen einreisen.
Ein erster Omikron-Fall plus ein knappes Dutzend Verdachtsfälle sind bis zum Wochenende gemeldet worden in Israel. Entdeckt wurde die neue Mutante bereits am Freitag bei einer 34-jährigen Gastarbeiterin aus Malawi, die nach ihrer Landung in Tel Aviv per Bus noch quer durchs Land bis nach Eilat gereist war.
Israel führt die umstrittene Handy-Überwachung durch den Geheimdienst wieder ein.
Um neue Infektionsketten aufzuspüren, soll nun auch wieder der Inlandsgeheimdienst einbezogen werden. Er hatte gleich zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 schon einmal den Auftrag erhalten, das Virus mittels Handytracking der Bürger aufzuspüren. Der Shin Bet, der sich sonst mit Terrorabwehr beschäftigt, fühlte sich selbst höchst unwohl damit, und zwischenzeitlich ordnete das oberste Gericht nach vielfältiger Kritik ein Ende dieser als ineffizient bezeichneten Massnahmen an.
Nun betont die Regierung, dass es beim neuen Tracking um einen zeitlich befristeten Einsatz allein zur schnellen Aufspürung möglicher Omikron-Infektionen gehe. Diese Massnahme soll nur für Infizierte mit der neuen Corona-Variante und vorerst bis zum 2. Dezember gelten.
Mehrere Minister kritisieren eigene Regierung
Doch selbst aus der Koalition heraus kam schon Kritik. «Wir können nicht einfach die schlimme Politik der früheren Regierung normalisieren», sagte der für strategische Planung zuständige Minister Eli Avidar. Anderen wie dem Justizminister Gideon Saar geht gleich der gesamte Kurs gegen den Strich. Die nun beschlossenen Massnahmen seien vorschnell und unbegründet, sagte er in einem Interview. Deshalb habe er bei der Sitzung des Corona-Kabinetts dagegengestimmt, beuge sich aber nun der Mehrheitsentscheidung.
Ran Balicer, Leiter des Corona-Expertenbeirats der israelischen Regierung, sagte dem Radiosender Kan, auch die umstrittenen Massnahmen seien nötig, um dem «Nebel des Krieges» zu begegnen, der die neue Variante umgebe. Es sei «besser, früh und streng zu agieren», um deren Ausbreitung einzudämmen.
Ein schwerer Schlag ist das erneute Einreiseverbot für Ausländer für die Tourismusindustrie, die gerade erst wieder langsam in Gang gekommen war. Im Armeeradio sprach ein Reiseleiter von einem «Todesstoss» für die Tourismusbranche Israels. Die Regierung kündigte Kompensationen an, ohne aber Details zu nennen. Ob Touristen doch noch Weihnachten im Heiligen Land feiern können, wird vor Ablauf der jetzigen Massnahmen in zwei Wochen zu entscheiden sein.
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