Proteste in Israel«Woche des Widerstands» gegen Netanyahu
Zehntausende protestieren in Israel für eine Waffenruhe, um die Geiseln aus den Händen der Hamas zu befreien. Doch laut der Armee dauern die Angriffe auf Rafah noch «einige Wochen».
In einer gross angelegten, als «Woche des Widerstands» bezeichneten Protestaktion demonstrieren in Israel Zehntausende gegen die rechtsgerichtete Regierung von Premier Benjamin Netanyahu. Sie fordern unter anderem Neuwahlen sowie einen Deal mit der islamistischen Hamas über eine Waffenruhe, um die 120 israelischen Geiseln aus den Händen der Terrororganisation zu befreien.
Bei Sonnenuntergang versammelten sich am Montagabend laut der Zeitung «Haaretz» Tausende in Jerusalem vor der Knesset, dem israelischen Parlament. Yair Golan, der neue Chef der oppositionellen Arbeitspartei, rief die Demonstranten auf, nicht zu verzweifeln angesichts der Tatsache, dass diese Regierung immer noch im Amt sei: «Wir werden niemals aufgeben.» Wenig später wurden vor dem Haus von Premier Netanyahu in Jerusalem einige Plakate angezündet, woraufhin die Polizei Wasserwerfer einsetzte. Drei Menschen wurden verletzt, mindestens acht verhaftet.
Einige Gründe, um das Kriegskabinett aufzulösen
Die Auflösung des Kriegskabinetts durch Premier Netanyahu dürfte wenig bis nichts zur Beruhigung beitragen. Der Schritt war nach dem Rücktritt von Oppositionsführer Benny Gantz sowie Ex-General Gadi Eisenkot aus dem sechsköpfigen Gremium erwartet worden. Beide waren dem neu gegründeten Kriegskabinett im Oktober 2023 kurz nach dem Terrorüberfall der Hamas beigetreten, als etwa 1200 Israelis von den Islamisten getötet und mehr als 240 als Geiseln verschleppt wurden.
So wollte man der schockierten Gesellschaft Geschlossenheit demonstrieren. Seit Monaten werfen Gantz und Eisenkot Netanyahu jedoch vor, dass ihm die eigene Macht wichtiger sei, als etwa Pläne für eine Zeit nach dem Gazakrieg zu entwerfen oder durchzusetzen, dass auch ultraorthodoxe Männer Militärdienst leisten müssen.
Es gilt als sicher, dass Netanyahu das Gremium abgeschafft hat, um seine rechtsextremen Koalitionspartner nicht aufnehmen und besonders sicherheitsrelevante Themen mit Polizeiminister Itamar Ben-Gvir und Finanzminister Bezalel Smotrich nicht besprechen zu müssen. Unter Verweis auf die jahrzehntelange militärische Erfahrung Gantz’ und Eisenkots sagte der Politanalyst Mitchell Barak der «New York Times»: «Bisher hat Netanyahu sehr gewichtige Perspektiven gehört, nun arbeitet er noch mehr in einer Echokammer.»
Das alles spricht dafür, dass die Spannungen zwischen der rechtsgerichteten Regierung und der israelischen Armee andauern werden. Am Montag hatte das Militär mitgeteilt, dass seine Soldaten 60 bis 70 Prozent des Territoriums der Stadt Rafah unter «operativer Kontrolle» hätten und es gelungen sei, etwa die Hälfte der Kampfverbände der islamistischen Hamas zu zerschlagen, berichtet etwa die «Jerusalem Post».
Angeblich viele Hamas-Tunnel zerstört
Mindestens 550 Terroristen seien getötet und 200 Tunnelschächte zerstört worden. Zudem sei es gelungen, den letzten Vorrat an Raketen, den die vom Iran unterstützte Hamas besass, zu vernichten. Unabhängig lassen sich diese Angaben nicht überprüfen. Am Dienstag meldete Reuters unter Berufung auf Einwohner und Mediziner, nach israelischen Luftangriffen auf Rafah seien 17 Palästinenser gestorben.
Es werde noch einige Wochen dauern, bis die Militäroperation in Rafah an der Grenze zu Ägypten abgeschlossen sei, hiess es von der Armee. Die Offensive war im Mai trotz entsprechender Warnungen aus den USA und von europäischen Verbündeten mit dem Ziel begonnen worden, die letzten Kampfverbände der Hamas zu zerstören. Momentan ist eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas nicht in Sicht.
Verkompliziert wird die angespannte Lage dadurch, dass ohne einen Waffenstillstand in Gaza die schiitische Hizbollah-Miliz ihre Angriffe mit Drohnen und Raketen aus dem Süden des Libanon auf Nordisrael nicht einstellen wird. Um eine Eskalation zu vermeiden, hat US-Präsident Joe Biden seinen Sondergesandten Amos Hochstein zu Gesprächen nach Israel und in den Libanon geschickt. In Beirut sagte Hochstein am Dienstag, die Lage sei «sehr ernst».
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