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Krieg im Nahen Osten
Was wird nun aus den verbliebenen Geiseln in Gaza?

Kibbutz Kfar Azza members gather for hostages release screening in Shfaim, Israel - 26 Nov 2023 Kibbutz member holds his head as 15 years old Dafna Elyakim was recognized in the hostages release video as members of Kibbutz Kfar Azza gather to watch the screening of the kibbutz women and kids release from Hamas captivity after they were taken hostages from their houses on October 7th. Shfaim, Israel. Nov 26th 2023. Matan Golan / SOPA Images. Members of Kibbutz Kfar Azza gathered to watch the screening of the kibbutz women and kids release from Hamas captivity after they were taken hostages from their houses on October 7th. Shfaim Israel Copyright: xMatanxGolanx/xSOPAxImagesx _DSC5552-Enhanced-NR
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Bis Donnerstagmorgen sollen eigentlich die Waffen schweigen, das haben Israel und die Hamas vereinbart, und jeder Tag ist ein Gewinn aus humanitärer Sicht: Weitere Geiseln können in Freiheit kommen (lesen Sie hier die Reportage über Angehörige der Geiseln), die Bevölkerung im Gazastreifen ist sicher vor israelischen Angriffen, auch in Israel gibt es keinen Raketenalarm mehr, und dringend benötigte Hilfsgüter können in grösseren Mengen in den palästinensischen Küstenstreifen gelangen. Doch Waffenruhe ist brüchig und schnell bedroht, das zeigt ein Vorfall vom Dienstagnachmittag.

Da meldete Israels Armee, dass nahe einer ihrer Stellungen im Norden des Gazastreifens drei Sprengsätze explodierten. Mehrere Soldaten wurden leicht verletzt. Auch Beschuss hat es gegeben – und anschliessend eine Salve gegenseitiger Beschuldigungen. Jede Seite warf der anderen vor, zuerst die Waffenruhe gebrochen zu haben. Der Krieg, das ist klar, ist längst nicht zu Ende, und der Handlungsspielraum für die Diplomatie bleibt begrenzt.

Nicht nur im Gazastreifen kam es zu erneuter Gewalt. Bei Konfrontationen mit der israelischen Armee im besetzten Westjordanland sind nach palästinensischen Angaben drei Menschen getötet worden, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtete.

Nach Angaben der israelischen Armee kam es bei den Vorbereitungen für die Freilassung von Häftlingen als Teil des Abkommens zwischen Israel und der islamistischen Hamas in der Nähe von Ramallah zu Unruhen. Soldaten seien mit Brandflaschen und Sprengsätzen beworfen worden. Die Armee habe auch mit scharfer Munition geschossen, um die Unruhen aufzulösen.

Mindestens 164 Geiseln bleiben in Gaza

Nach der jetzigen Vereinbarung sollen am Mittwoch noch einmal jeweils 10 Entführte freigelassen werden, im Austausch gegen 30 palästinensische Häftlinge. Gemäss israelischen Angaben wären damit insgesamt 89 Geiseln befreit, 71 davon sind Israelis, die anderen Gastarbeiter aus Thailand und anderen asiatischen Staaten. In den Händen von der Hamas oder deren Handlangern im Gazastreifen verbleiben dann immer noch 164 Geiseln, um ihr Schicksal wird weiter gerungen.

Die Vermittler aus Katar verkünden, dass sich die getroffene Vereinbarung bewährt habe und deshalb ausbaufähig sei, bis hin zu einem stabilen und längerfristigen Waffenstillstand. Die Hamas hat das, vor dem Scharmützel, bereits aufgegriffen und ihr Interesse an einer neuen Vereinbarung bekundet, bei der nicht nur Frauen und Kinder freigelassen werden könnten, wie es derzeit der Fall ist. Zu erwarten ist allerdings, dass dann der Preis in die Höhe getrieben und der Austausch der Geiseln gegen eine grosse Zahl männlicher Häftlinge gefordert wird.

In Israels Führung zeichnen sich in der Frage einer Fortsetzung des Austauschs zwei Lager ab. Auf der von Benny Gantz, dem früheren Verteidigungsminister und jetzigen Mitglied des Kriegskabinetts, vertretenen Seite gilt offenbar die Devise, jetzt so viele Geiseln wie möglich freizubekommen, auch wenn dafür die Feuerpause immer wieder verlängert werden muss. Auf der anderen Seite fürchten Verteidigungsminister Yoav Gallant und die Armeeführung, Israels Kriegsmaschinerie könnte ins Stocken geraten, wenn die Kämpfe zu lange ausgesetzt werden. Man sieht dann das Momentum schwinden.

Geiseln sprechen von erbärmlichen Bedingungen

Druck zum Austausch weiterer Geiseln entfalten auch Aussagen der bislang Freigelassenen über ihre Gefangenschaft. Von Hunger und zumeist erbärmlichen Bedingungen berichten sie. Eine 84-Jährige war bei der Freilassung in so schlechtem Gesundheitszustand, dass sie nun in einem israelischen Spital ums Überleben kämpft.

Die Tante eines freigelassenen 12-Jährigen erzählte, er sei von den Entführern gezwungen worden, sich Videos vom grausamen Überfall am 7. Oktober anzuschauen. «Jedes Mal, wenn ein Kind weinte, bedrohten sie es mit einer Waffe, um es zum Schweigen zu bringen», sagte sie. Sie habe hoffen wollen, dass ihr Neffe in der Gefangenschaft gut behandelt worden sei. «Offensichtlich nicht», sagte die Tante. Die Kämpfer der Hamas seien «Monster».

Triumphgeste des Hamas-Chefs

Als Triumphgeste muss zudem verstanden werden, dass Hamas-Chef Yahya Sinwar gemäss einem israelischen TV-Bericht persönlich eine Gruppe von Geiseln aufsuchte, die in einem Tunnel gefangen gehalten wurde. Auf Hebräisch, das er während seiner mehr als zwanzig Haftjahre in Israel erlernte, habe er ihnen versichert, dass sie unter seinem Schutz stünden und ihnen nichts zustossen werde.

Kaum eine Rolle in der israelischen Debatte spielt – sieht man einmal von den asiatischen Gastarbeitern ab – die Staatsangehörigkeit der Geiseln. Im Ausland wird diese gerade oft betont, die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock zum Beispiel spricht gern von der Freilassung «deutscher Geiseln» oder «deutscher Teenager». In Israel gelten sie als Israelis.

Mehr als die Hälfte der Geiseln besitzt einen ausländischen Pass, Israels Regierung sprach im Oktober von 138 aus insgesamt 25 Ländern. Doch sind sie in der Regel Doppelbürger und haben ihren Lebensmittelpunkt in Israel, wohin Juden aus der ganzen Welt eingewandert sind. Manche konnten dabei ihre frühere Staatsbürgerschaft behalten und auch auf ihre Nachkommen übertragen. Im Fall Deutschlands haben all jene Israelis Anspruch auf einen Pass, die einen familiären Bezug zum Land und den Verbrechen der Nazis haben.