Eskalation im Nahen OstenHizbollah feuert erstmals Mittelstreckenrakete in Richtung Tel Aviv
Der Konflikt zwischen Israel und der Miliz im Libanon verschärft sich. Der UNO-Chef spricht von einem «Pulverfass, das die Welt in Brand zu setzen droht».
- Israels Luftwaffe bombardiert die Hizbollah im Libanon seit Tagen intensiv.
- Die Hizbollah schiesst zum ersten Mal eine Mittelstreckenrakete in Richtung Tel Aviv.
- Ein offener Krieg im Libanon könnte einen grossen Regionalkrieg nach sich ziehen.
- Israels Verbündete warnen die Netanyahu-Regierung vor einer Bodenoffensive.
Mit einer Mittelstreckenrakete in Richtung Tel Aviv hat die Hizbollah klargestellt, dass sie eine Eskalation im Krieg gegen Israel nicht fürchtet. Die aus dem Südlibanon abgefeuerte Qadr-1-Rakete konnte von der israelischen Luftabwehr zwar zerstört werden. Der Einsatz der ballistischen Rakete zeigt aber, dass die Militanten bereit sind, auch ihre weiter reichenden, auf Zentral-Israel zielenden Waffen einzusetzen. (Verfolgen Sie auch unseren News-Ticker zum Krieg im Nahen Osten.)
Der Konflikt mit der Hizbollah, der nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 begonnen hat, verschärft sich seit Tagen. Weltweit wird befürchtet, dass ein offener Krieg im Libanon einen Regionalkrieg im Nahen Osten nach sich ziehen wird. UNO-Generalsekretär António Guterres sprach in New York von «einem Pulverfass, das die Welt in Brand zu setzen droht».
Israels Luftwaffe bombardiert das Nachbarland seit Tagen intensiv. Die Armee und der Geheimdienst Mossad haben dabei inzwischen fast die gesamte Führungsspitze der schiitischen Organisation getötet und angeblich zahlreiche Munitionslager und Waffensysteme zerstört. Die Hizbollah selbst hatte bisher nur Kurzstreckenraketen abgeschossen – auf das nördliche Grenzgebiet und auf die nahe der Grenze gelegene Hafenstadt Haifa.
Netanyahu gewinnt an Rückhalt
Ein Raketenangriff auf Zentral-Israel mit der Metropole Tel Aviv, dem Wirtschaftszentrum des Landes, könnte Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu zur weiteren Eskalation verleiten.
Eine Bodeninvasion ist seit längerem im Gespräch: Ziel einer israelischen Invasion wäre die Errichtung einer Sicherheitszone auf libanesischem Boden. Diese würde bis zum etwa 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss reichen. So will das Militär erreichen, dass das nördliche Grenzgebiet Israels nicht länger von der Hizbollah beschossen werden kann. (Hören Sie auch unseren «Apropos»-Podcast zur Frage: «Was, wenn Israel im Libanon einmarschiert?».)
Direkt nach dem Hamas-Massaker hatte Netanyahu die rund 60’000 Bewohner des Nordens in Sicherheit bringen lassen. Eine knapp acht Kilometer tiefe Grenzzone ist seit mehr als elf Monaten menschenleer, landwirtschaftliche Betriebe mussten aufgegeben werden. Neben der Rettung der noch immer Dutzenden Geiseln aus dem Gazastreifen sind die Sicherung des Nordens und die Rückkehr der Einwohner das entscheidende innenpolitische Thema in Israel. Netanyahus Regierung steht zwar unter Druck, gewinnt aber an Rückhalt im Zug der jüngsten Schläge gegen die Hizbollah.
USA warnen Israel vor einer Bodenoffensive
Netanyahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant haben immer wieder mit der Zerstörung des gesamten Libanon gedroht, wenn die libanesischen Militanten ihre Unterstützung der Hamas in Gaza nicht einstellten: Die Hizbollah feuert ihre Raketen «zur Unterstützung der Hamas» nach Israel. Sie fordert ein sofortiges Ende des Gazakriegs und den Rückzug der israelischen Armee aus dem Palästinensergebiet am Mittelmeer.
Vor allem die USA als wichtigster Partner Israels sind entschiedener Gegner einer israelischen Bodenoffensive. Auch die UNO, Europa und die arabischen Staaten warnen Israel davor. Sie drängen auf eine diplomatische Lösung. Die Hizbollah macht aber ein sofortiges Ende des Gazakriegs zur Bedingung dafür, dass sie den Beschuss einstellt.
Huthi wollen Anti-Schiffs-Raketen aus Russland
Im Hintergrund zieht die Islamische Republik Iran die Fäden. Die Hizbollah ist Eckstein einer vom Iran angeführten «Achse des Widerstands». Diese Allianz gibt vor, die Palästinenser zu unterstützen. Neben der Hizbollah gehören dem antiisraelischen Bündnis auch die Palästinensergruppen Hamas und Islamischer Jihad an. Hinzu kommen Milizen in Syrien, im Irak und im Jemen.
Vor allem die Huthi im Jemen entwickeln sich zu einem Problem mit globalen Folgen. Die schiitischen Militanten, die den Norden des südarabischen Landes kontrollieren, beschiessen die internationale Handelsschifffahrt ins Rote Meer seit Monaten. Die Route durch den Suezkanal und das Rote Meer ist ein zentraler Bestandteil der globalen Schifffahrt. Bisher haben die Huthi nur wenige Frachter und Tanker getroffen, zwei Schiffe sanken.
Laut al-Arabiya verhandeln sie aber über die Lieferung weitreichender Anti-Schiffs-Raketen aus Russland. Dabei agiert der Iran als Vermittler. Moskau soll noch nicht entschieden haben, die zielgenauen Yakont-Raketen mit ihrer Reichweite von 300 Kilometern zu liefern. Die Hizbollah wiederum soll seit längerem über einige Yakont-Raketen verfügen.
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