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Im Helikopter abgestürzt
Raisis Tod hat Folgen für den Iran und den Nahen Osten

A handout picture provided by the Iranian presidency shows Iran's President Ebrahim Raisi (C) at the site of Qiz Qalasi, the third dam jointly built by Iran and Azerbaijan on the Aras River, ahead of its inauguration ceremony on May 19, 2024. A helicopter in the convoy of the Iranian president was involved in "an accident" in East Azerbaijan province on May 19, state televsion reported, without specifying if the president was on board. (Photo by Iranian Presidency / AFP) / === RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / HO / IRANIAN PRESIDENCY" - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS ===
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Nach dem Unfalltod von Staatspräsident Ebrahim Raisi bemüht sich die Islamische Republik Iran um den Anschein der Normalität. Präsident Raisi war am Sonntag beim Absturz seines Helikopters im gebirgigen Grenzgebiet zum Nachbarstaat Aserbaidschan ums Leben gekommen und erst nach einer vielstündigen Suchaktion aufgefunden worden. Mit ihm starben Aussenminister Hossein Amir-Abdollahian, weitere Offizielle und die Besatzung. (Lesen Sie das Porträt des iranischen Präsidenten: Wer war Ebrahim Raisi?)

Die Unfallursache ist noch unklar. Berichte über Fremdeinwirkung gab es bisher keine. Religionsführer Ayatollah Ali Khamenei hat fünf Tage Staatstrauer angeordnet.

Für einen Mordanschlag spricht bisher nichts

Angesichts der wegen des Gaza-Kriegs extrem angespannten Lage im Nahen Osten gewinnt der Tod des iranischen Präsidenten erhöhte Aufmerksamkeit. Ayatollah Ali Khamenei, geistlicher Führer und Staatsoberhaupt der Islamischen Republik, hatte die Iraner schon nach den ersten Meldungen über Unklarheiten im Zusammenhang mit Raisis Flug ermahnt, sich «nicht zu sorgen». Er versicherte gemäss Agenturberichten lange vor der offiziellen Bekanntgabe von Raisis Unfalltod: «Es wird keine Störung der Staatsgeschäfte geben.»

This grab taken from handout video footage released by the Iranian Red Cescent on May 20, 2024 shows rescuers recovering bodies at the site of President Ebrahim Raisi's helicopter crash in a fog-shrouded mountainous area of northwest Iran. Iranian President Ebrahim Raisi was declared dead on May 20, 2024, after rescue teams found his crashed helicopter in a fog-shrouded western mountain region, sparking mourning in the Islamic republic. (Photo by Iranian Red Crescent / AFP) / Israel OUT / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT – AFP/HO/IRANIAN RED CRESCENT - NO RESALE -  - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS  -NO ACCESS ISRAEL MEDIA/PERSIAN LANGUAGE TV STATIONS OUTSIDE IRAN/ STRICTLY NO ACCESS BBC PERSIAN/ VOA PERSIAN/ MANOTO-1 TV/ IRAN INTERNATIONAL/RADIO FARDA /

Bisher spricht alles für einen Unfall. Die Maschine des 63-jährigen Raisi war nach iranischen Medienberichten am Sonntagvormittag gemeinsam mit zwei weiteren Regierungshubschraubern unterwegs gewesen. Der Präsident und Aussenminister Amir-Abdollahian waren bei der Einweihung eines Staudammes mit Ilham Alijew, dem Präsidenten des Nachbarlandes Aserbaidschan, zusammengetroffen. Raisis Helikopter wurde dann auf dem Rückflug über einer bewaldeten Bergregion in der Provinz Ost-Aserbaidschan nahe der Stadt Jolfa als vermisst gemeldet.

Anfangs berichteten die staatsnahen Medien nur von «einer harten Landung» des Präsidentenhubschraubers. Sie riefen die Bürger zu diesem Zeitpunkt aber bereits zu Gebeten für Raisi auf. Innenminister Ahmad Vahidi mahnte die Bürger, nur dem Staatsfernsehen zu glauben und ausländische Medien nicht zu verfolgen.

Die Unsicherheit über das Schicksal des Staatspräsidenten und des Aussenministers hatte am Sonntag viele Stunden angedauert. Das ausgebrannte Wrack wurde erst nach einer mehr als zwölfstündigen Suchaktion bei starkem Regen und in dichtem Nebel entdeckt; gemäss offiziellen Angaben gab es keine Überlebenden.

Die beiden anderen Helikopter waren planmässig am Ziel angekommen. Gemäss dem iranischen Staatsfernsehen hatte eine türkische Drohne die ausgebrannten Wrackteile gesichtet. Die türkischen Behörden erklärten, eine ihrer Drohnen habe einen Brand in dem Wald und «die Trümmer eines Hubschraubers» gesichtet.

epa11354958 A view shows the wreckage of the crashed Iranian President helicopter, in the area of Varzaghan, Tabriz province, southwestern Iran, 20 May 2024. According to Iranian state media, President Raisi, Foreign Minister Hossein Amir-Abdollahian and several others were killed in a helicopter crash in the mountainous Varzaghan area on 19 May, during their return to Tehran, after an inauguration ceremony of the joint Iran-Azerbaijan constructed Qiz-Qalasi dam at the Aras river. Iran's first Vice President Mohammad Mokhber was appointed as the country's interim president following the death of Raisi, Iranian supreme leader Ayatollah Ali Khamenei announced in a condolence message on 20 May 2024. Mokhber will serve as caretaker president for a maximum period of 50 days before a presidential election must be held in Iran, the statement added.  EPA/AZIN HAGHIGHI/MOJ NEWS

Für einen Mordanschlag spricht bisher nichts. Wahrscheinlich ist technisches Versagen: Iranische Regierungsmaschinen sind wegen der seit Jahrzehnten geltenden Sanktionen völlig überaltert. Raisi soll in einem US-Hubschrauber vom Typ Bell 212 unterwegs gewesen sein. Modernisierte Varianten dieser in den späten Sechzigerjahren auf den Markt gebrachten Maschinen werden zwar bis heute auch bei der deutschen Polizei und der Bundeswehr geflogen. Die iranischen Maschinen stammen aber aus der Zeit vor der Islamischen Revolution von 1979. Sie konnten seitdem wegen Ersatzteilmangels infolge der amerikanischen und internationalen Strafmassnahmen nicht mehr systematisch gewartet werden.

Israel dementiert jegliche Beteiligung

Angesichts der nicht seltenen Attentate verschiedener militanter Oppositionsgruppen im Land ist der grundsätzliche Gedanke an einen Anschlag jedoch nicht abwegig. Auch Israel könnte – trotz eines sofortigen Dementis – als möglicher Saboteur unter Verdacht geraten. Die Geheimdienste des jüdischen Staates haben im Land immer wieder gezielte Tötungen iranischer Atomexperten verübt.

Als erklärter Feind Israels steht das iranische Regime seit Beginn des Gaza-Kriegs zudem unter maximaler Anspannung: Israel macht Teheran als Hintermann der Hamas für den Terroranschlag vom 7. Oktober mitverantwortlich. Teheran hatte Israel Mitte April zudem mit Hunderten Drohnen und Raketen attackiert. Vorausgegangen war der Tod mehrerer hoher iranischer Offiziere beim israelischen Bombardement des Geländes der iranischen Botschaft in Damaskus. Es war der erste militärische Angriff des Iran auf israelisches Staatsgebiet überhaupt.

epa11354321 Iranian people pray at the Vali-Asr square for Iranian president following his helicopter accident, Tehran, Iran, 19 May 2024. According to Iranian state media, a helicopter carrying Iranian President Ebrahim Raisi has suffered a 'hard landing', giving no further information about the incident. Raisi was returning after an inauguration ceremony of the joint Iran-Azerbaijan-constructed Qiz-Qalasi dam at the Aras River at the Iran and Azerbaijan shared border in north-western Iran.  EPA/ABEDIN TAHERKENAREH

Völlig offen ist, welche innenpolitischen Auswirkungen der Unfalltod des Präsidenten haben wird. Im Regierungssystem der Islamischen Republik nimmt nicht der Präsident, sondern der geistliche Führer die Rolle des Staatsoberhauptes ein. Dieser verfügt über allumfassende Richtlinienkompetenz. Der Staatspräsident ist dem geistlichen Führer untergeordnet und agiert als Regierungschef. Den Regeln der Islamischen Republik nach übernimmt nun der Erste Vizepräsident die Amtsführung, in knapp zwei Monaten wird ein Nachfolger im Präsidentenamt bestimmt.

Der in der Theologenstadt Mashhad geborene Raisi spielte aber eine wichtige Sonderrolle: Er galt als ein möglicher Nachfolger des greisen und angeblich schwer kranken Geistlichen Führers Ayatollah Khamenei, der bereits 85 Jahre alt ist. Auch wenn Raisis Rolle als Nachfolger nur als eine von mehreren Möglichkeiten galt, hätte der schiitische Geistliche in das derzeitige Set-up der Islamischen Republik gepasst: Als islamistischer Hardliner war er schon eine politisch massgebliche Figur der Revolutionsphase in den späten Siebziger- und in den Achtzigerjahren.

Raisi liess Hunderte hinrichten

Als für seine Härte berüchtigter Richter und Generalstaatsanwalt von Teheran und später als Generalstaatsanwalt des Iran zeichnete Raisi 1988 verantwortlich für die Massenhinrichtung Hunderter politischer Gegner des theokratischen Regimes. Auch bei dem landesweiten Aufstand der Frauen, der 2022 nach dem Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini ausgebrochen war, hatte sich der Präsident als theokratischer Betonkopf und Verteidiger des Kopftuchzwangs erwiesen.

Raisi war als Hojatolesalm ein hoher schiitischer Geistlicher und genoss zudem Ansehen als ein angeblicher Nachfahre des Propheten Mohammed. Den Titel eines Ayatollahs hatte er aber nicht inne. Dieser nur durch sehr lange theologische Studien erworbene Titel wäre Voraussetzung für die Übernahme des Amtes als geistlicher Führers gewesen. In dieser Frage hatte sich das theokratische System der Islamischen Republik allerdings früher pragmatisch gezeigt: Ayatollah Khamenei, der amtierende geistliche Führer, hatte den Titel trotz Zweifel an seiner theologischen Qualifikation im Schnellverfahren zugesprochen bekommen. Die Khamenei-Nachfolge ist jedoch völlig offen: Auch Khameneis Sohn Mojtaba soll Ambitionen zeigen.