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Die Rolle des Iran
Die Mullahs haben die palästinensische Sache gekapert

Iranian students and demonstrators protest in support of Palestinians in front of the British embassy in Tehran, early morning on October 18, 2023. Hundreds of protesters gathered outside the British and French embassies in Tehran in the early hours of October 18, 2023, an AFP correspondent said, as regional anger grew over a deadly strike on a Gaza hospital. (Photo by ATTA KENARE / AFP)
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Ein Wort fällt immer wieder in diesen Tagen, in Gesprächen, in Artikeln, das Wort ist überall: Abschreckung. Es ist ein wenig wie während des Kalten Krieges, als es darum ging, dass die Gegenseite die Konsequenzen ihres eigenen Angriffs fürchtet. Damals ging es um Russland, heute, im Nahen Osten, geht es um den Iran.

Der Iran, die Macht im Hintergrund. Teheran finanziert die Hamas, rüstet und bildet sie aus. Ebenso ist es mit der libanesischen Hizbollah. In Syrien bewegen sich iranische Einheiten und Milizen ungehindert, es sei denn, sie werden zum Ziel eines israelischen Luftangriffs. Der Iran war mit Sicherheit eingeweiht in die Angriffspläne der Hamas, generell dürfte sowohl in Gaza als auch bei der Hizbollah ohne Zustimmung aus Teheran wenig geschehen. 

«Das Regime in Teheran muss um sein eigenes Überleben fürchten.»

Jonathan Schanzer, Terrorexperte

Aber geht es weiter, falls Israel mit Bodentruppen in den Gazastreifen eindringt – was der Iran und die Hizbollah als rote Linie sehen? Was könnte das Regime in Teheran daran hindern, vom Libanon aus eine zweite Front zu eröffnen? Was würde die Mullahs, schon wieder das Wort: abschrecken?

Es geht um Israels Abschreckungspotenzial

«Das Regime in Teheran muss um sein eigenes Überleben fürchten», sagt der amerikanische Analyst Jonathan Schanzer im Gespräch. Oder zumindest annehmen, dass ein Krieg zerstören würde, was es über Jahre an militärischer Präsenz aufgebaut hat, im Libanon, in Syrien, in Gaza. Präsident Bidens Besuch in Israel sei genau dazu gedacht gewesen, glaubt Schanzer. Denn letztlich gehe es nicht nur um Israels Abschreckungspotenzial, sondern vor allem um jenes der USA. 

Biden hat den Iran nicht nur gewarnt. Er hat auch zwei Flugzeugträger mit Tausenden Marines ins östliche Mittelmeer entsandt, ein Signal an den Iran und die Hizbollah. Ob es ankommt? Schwer zu sagen, was in den inneren Zirkeln in Teheran gedacht wird, in den Runden der Kleriker, dort, wo die Entscheidungen fallen. «Im Moment wirkt das iranische Regime eher unbeeindruckt», sagt Schanzer. «Es hat definitiv weniger Angst vor den USA als vor einigen Jahren.» 

Eine direkte Konfrontation mit Israel, meint Schanzer, würde der Iran wohl eher vermeiden wollen. Wahrscheinlicher sei ein Eingreifen der Hizbollah, einer, wie Schanzer sagt, «Filiale der iranischen Revolutionsgarden». Einer Filiale mit Tausenden Raketen, um einiges gefährlicher für Israel als die Hamas. Bisher hat sich die Hizbollah mit Beschuss auf Israel eher zurückgehalten – so, als wolle sie sich noch nicht entscheiden, wie es weitergeht.

Israel lässt sich auf eigenem Boden treffen

Ebenso der Iran. Vom Aussenminister der Islamischen Republik kam am Dienstagabend die Aussage, ein «Präventivschlag» sei «innerhalb von Stunden» zu erwarten. «Die Zeit ist um», sagte Hossein Amir-Abdollahian. Es geschah dann nichts. Die iranische Vertretung bei der UNO liess wissen, man wolle keinen Krieg mit Israel, solange man selbst nicht angegriffen werde.

Die Chancen, dass Israel von einem Einmarsch in Gaza absehe, lägen bei «annähernd null»: Der amerikanische Analyst Jonathan Schanzer.

Aus iranischer Sicht hat der Überfall der Hamas schon jetzt geholfen. Er hat die Balance im Nahen Osten verändert, zuungunsten Israels, zum Vorteil des Iran. Der Iran habe in dieser Krise bereits vieles gewonnen, schrieb vergangene Woche Hanin Ghaddar vom Washington Institute, die sich seit Jahren mit der Hizbollah und dem Iran beschäftigt. Israel wirke schwächer als zuvor, besonders die Geheimdienste. Der Iran, so Ghaddar, habe bewiesen, dass es Israel treffen könne, auf israelischem Boden. 

Dazu hat sich etwas verschoben, was im iranischen Interesse liegt: Die arabischen Staaten waren gerade dabei, sich mit Israel anzufreunden, der Situation der Palästinenser zum Trotz. Saudiarabien, das Gespräche mit Israel führte, wird diesen Prozess nicht fortführen können, jedenfalls nicht auf absehbare Zeit, der Druck gegen einen Deal mit Israel ist zu hoch.

Die Frage ist: Wie rational handelt das iranische Regime?

Die Macht, die den Kampf der Palästinenser bestimmt, ist der Iran. Es ist fast, als hätten die Mullahs die palästinensische Sache für sich gekapert. Die ist damit eng verbunden mit der geopolitischen Lage im ganzen Nahen Osten, so eng wie seit Jahrzehnten nicht mehr. 

«Möglich, dass der Iran schon viel bekommen hat, was er sich vom Hamas-Angriff erhofft hatte, und es dabei belässt.»

Hanin Ghaddar, Nahostexpertin

«Möglich», so Hanin Ghaddar, «dass der Iran schon viel bekommen hat, was er sich vom Hamas-Angriff erhofft hatte, und es dabei belässt – jedenfalls für den Moment.» Für Jonathan Schanzer ist klar, dass der Iran «die Auslöschung Israels» anstrebe, das hätten die Mullahs immer und immer wieder klargemacht.

Der gegenwärtige Moment ist einer des Abwartens. Die Chancen, dass Israel von einem Einmarsch in Gaza absehe, sagt Schanzer, lägen bei «annähernd null». Zu oft habe Israel nun angekündigt, die Hamas zu zerschlagen. Nun nicht zu handeln, sagt Schanzer, könne sich Jerusalem kaum leisten. Israel ist darauf angewiesen, seine Gegner zu ängstigen, vor allem das iranische Regime. Für den jüdischen Staat ist die Angst seiner Feinde überlebenswichtig. 

Die israelische Regierung muss also in der Region den Eindruck wiederherstellen, dass man sich mit Israel besser nicht anlegt. Ja, eine Invasion des Gazastreifens sei zu erwarten, sagt Analyst Schanzer, «aber die muss ja nicht als Erstes passieren. Die Israelis können uns immer noch überraschen.» Etwa mit Luftschlägen wie jenen vor einigen Tagen auf die Flughäfen von Damaskus und Aleppo, auch auf einen iranischen Konvoi an der Grenze zwischen dem Irak und Syrien. 

Ganz offenbar will Israel mit solchen Attacken zeigen, dass seine Geheimdienste noch immer funktionieren, trotz des Versagens an der Grenze zu Gaza – und dass seine Armee jederzeit und überall zuschlagen kann.

«Gerade beäugen sie sich», sagt Jonathan Schanzer. Er meint Israel und den Iran.