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Wetterextreme in Madagaskar
Innert vier Wochen vier Wirbelstürme

Der Zyklon Batsirai traf Anfang Februar mit einer Spitzengeschwindigkeit von über 200 Kilometer pro Stunde den Inselstaat Madagaskar. 
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Während der Blick der Welt auf den Krieg in der Ukraine gerichtet ist, kämpft weit weg von Europa ein Inselstaat gegen die unbändige Natur. Das alleine wäre zwar noch keine Geschichte wert, weil Trockenheit und Stürme für die Menschen auf Madagaskar zum Leben gehören. Doch diesmal ist es anders: Innert eines Monats – zwischen dem 22. Januar und dem 22. Februar – trafen vier starke Wirbelstürme die Insel praktisch am gleichen Ort: Ana, Batsirai, Dumako, Emnati. 

Für die Bevölkerung hat sich die Krise im Land weiter verschärft, weil vor allem der Süden immer noch unter den Folgen der mehrjährigen Dürre leidet. Madagaskar ist das tragische Beispiel, für das der Weltklimarat IPCC kürzlich in seinem neuen Klimabericht den bürokratischen Begriff der «komplexen Krisen» schuf. Mit anderen Worten heisst das: Verschiedene Katastrophen passieren gleichzeitig oder kurz nacheinander. 

Die Wahrscheinlichkeit für solche Krisen erhöhe sich mit der Häufung von Extremereignissen, sagt der Schweizer Klimaforscher und IPCC-Vizepräsident Andreas Fischlin. Für Madagaskar heisst das konkret: «Es gibt zu einem bestimmten Zeitpunkt zu viel oder zu wenig Wasser», sagt Julia Randimbisoa, Helvetas-Programmleiterin in Madagaskar, auf Anfrage. 

Schweiz half notfallmässig

Es ist ein Teufelskreis. Entweder zerstören Hochwasser durch die Wirbelstürme Häuser, Ernten und Infrastruktur. Oder Dürren machen den Boden unfruchtbar und lassen Wasserquellen versiegen. Der Zyklon Batsirai fegte im Februar mit einer Spitzengeschwindigkeit von über 200 Kilometer pro Stunde über das Land. Mehr als 180’000 Menschen waren betroffen. «Die Wirbelstürme in den letzten Wochen haben an der Südostküste der Insel die meisten Häuser und öffentlichen Gebäude zerstört, mehrere Strassen wurden unterbrochen», sagt Julia Randimbisoa.  Die Schweiz schickte deshalb notfallmässig eine Delegation mit Fachleuten nach Madagaskar, um sauberes Trinkwasser sicherzustellen und damit eine Ausbreitung von Krankheitserregern zu verhindern.  

«Der Reichtum ist ungleichmässig verteilt.»

Chasper Sarott, Botschafter in Madagaskar

Es sind die Ärmsten, die als Erste unter dem Klimawandel leiden werden, sagt der IPCC seit langem voraus. Madagaskar gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. «Obwohl es genügend fruchtbaren Ackerboden und Bodenschätze hätte, ist der Reichtum ungleichmässig verteilt», sagt Chaspar Sarott, Schweizer Botschafter in Madagaskar. Längere Dürreperioden habe es in der Geschichte des Inselstaates schon mehrere gegeben, in den letzten vier Jahren seien sie jedoch intensiver als früher. «Heute sind jedoch viel mehr Menschen davon betroffen, weil die Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten massiv gewachsen ist», sagt der Botschafter. 

Die Fläche des Inselstaates ist knapp fünfzehnmal so gross wie die Schweiz, und gut 28 Millionen Menschen leben auf der Insel. Etwa 90 Prozent der Menschen überleben mit weniger als 2 Dollar pro Tag. Die Einnahmen kommen zum grössten Teil aus der Landwirtschaft. Die Hälfte der Kinder unter 5 Jahren ist unterernährt und leidet an Durchfallerkrankungen.

Nationalstrasse im Süden von Madagaskar. Dieser Landesteil leidet seit Jahren unter strengen Dürreperioden. 

Jede Naturkatastrophe verursacht neues Leid. Extreme Dürren wie in den letzten Jahren treten zwar bis jetzt selten auf. Eine Studie des World-Weather-Attribution-Netzwerkes zeigt, dass sich die vergangene Trockenperiode statistisch betrachtet nur einmal in einem Jahrhundert ereignet. Man kann das extreme Naturereignis also noch nicht mit Sicherheit dem Klimawandel zuordnen. Die Niederschläge im Süden der Insel schwanken zu stark, und es gibt noch zu wenige Extremereignisse, um bereits den Klimaeinfluss des Menschen herausfiltern zu können. 

Noch ist es gemäss Studie die Armut und der regenabhängige Anbau, der das Land nach einer Dürre nicht aus der Krise bringt. Die Klimaforschenden betonen aber, dass sich Extreme mit einer weiteren Erderwärmung häufen werden. Der Temperaturanstieg im Vergleich zur vorindustriellen Zeit beträgt im Süden von Madagaskar im Durchschnitt 2 Grad; das ist heute schon deutlich höher als der globale Mittelwert. 

Abholzung für Kochkohle

«Die lange Dürreperiode hat in der Bevölkerung zu einem verstärkten Bewusstsein für das Klimaproblem geführt», glaubt Botschafter Chasper Sarott. Die Regierung wolle die Insel mit Wiederaufforstungen wieder grüner machen. Das ist eine der grossen Herausforderungen in den nächsten Jahren. Denn immer noch verwenden mehr als 80 Prozent der Bevölkerung Holz, um Kohle zum Kochen herzustellen.

Vor 60 Jahren gab es im Süden noch Wälder, die reichlich Grundwasser speicherten und Schatten spendeten. Sie wurden durch die Abholzung zerstört – und Westwinde brachten zusätzlich Sand, der die abgeholzten Flächen zudeckte und die Böden vollends austrocknete. 

Dieser Tank in einem Dorf im Süden von Madagaskar war einst mit Regenwasser gefüllt, heute ist er ausgetrocknet. 

Es gibt zahlreiche arme Staaten auf dem afrikanischen Kontinent und in Südostasien, die ähnlich dem fortschreitenden Klimawandel ausgesetzt sind wie Madagaskar. Der Weltklimarat IPCC hat deshalb vor zwei Wochen dazu aufgerufen, verwundbare Staaten müssten sich so rasch wie möglich an die Folgen der Klimaveränderung anpassen – sonst würden diese Länder in ihrer Entwicklung immer wieder zurückgeworfen.

Die Schweiz hat Madagaskar im letzten Jahr mit 2 Millionen Franken unterstützt. Damit wurde das Ernährungsprogramm gegen eine sich anbahnende Hungersnot mitfinanziert. Ein Pipelinesystem soll zudem Dörfer mit sauberem Grundwasser beliefern. Auch Schweizer Entwicklungsorganisationen wie Helvetas sind unter anderem daran, Trinkwassersysteme und sanitäre Einrichtungen zu fördern. Zusammen mit der Schweizer NGO MedAir hat Helvetas zudem ein Sturm-Frühwarnsystem eingeführt. 

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