Tamedia-Umfrage zu CoronaSchweizer Impfstrategie steht – Junge und Frauen sind kritisch
Bald werden die Risikogruppen gegen das Coronavirus geimpft. Eine neue Umfrage zeigt allerdings Vorbehalte in breiten Bevölkerungsschichten.
Es ist eine Nachricht, auf die viele Menschen im Land gewartet haben: Die Schweizer Impfstrategie steht – und noch vor dem Frühling sollen die ersten Personen gegen Corona immunisiert werden. Im Fokus der Strategie stehen die Risikogruppen und ihre engen Kontakte. Das heisst: Menschen über 65 Jahre und solche mit Vorerkrankungen, aber auch ihre Mitbewohner und das Gesundheitspersonal.
Eine breite Durchimpfung der Bevölkerung ist derzeit noch nicht vorgesehen. Denn: Die Impfstoffe, die am weitesten fortgeschritten sind, können zwar vor Covid-19-Erkrankungen und schweren Verläufen schützen. Ob sie auch verhindern, dass das Virus von einem Menschen auf den anderen überspringt, ist aber noch offen. Genau das wäre jedoch nötig, um der Pandemie ein Ende zu bereiten.
«Das Ziel der aktuellen Impfstrategie ist es nicht, Corona auszurotten», hält Christoph Berger, der Präsident der Eidgenössischen Impfkommission, im Gespräch mit dieser Zeitung fest. Dennoch ist klar, dass zu einem späteren Zeitpunkt so viele Menschen wie möglich geimpft werden sollen. Denn solange das nicht gelingt, müssen die Schutzmassnahmen aufrechterhalten werden. (Lesen Sie hier das ganze Interview mit Christoph Berger.)
Impfkritische Frauen
Wie eine neue Umfrage von Tamedia und «20 Minuten» zeigt, ist es mit der Impfbereitschaft der Schweizer Bevölkerung derzeit allerdings nicht besonders weit her.
Laut der repräsentativen Befragung mit über 14’000 Teilnehmern wollen sich nur gerade 27 Prozent der Bevölkerung sicher gegen Corona impfen lassen, sobald ein Impfstoff verfügbar ist. Weitere 26 Prozent beantworteten die entsprechende Frage mit «eher Ja». Demgegenüber geben 42 Prozent an, dass sie sich den Impfstoff sicher oder eher nicht spritzen lassen wollen.
Besonders kritisch stehen jüngere und weibliche Befragte der Corona-Impfung gegenüber. So wollen sich 60 Prozent der Männer impfen lassen, aber nur gerade 46 Prozent der Frauen. Auch in der Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen möchte rund die Hälfte sicher oder eher auf eine Impfung verzichten.
«Es braucht gute Informationsarbeit»
Den Impfspezialisten Christoph Berger beunruhigen diese Erkenntnisse nicht. Da derzeit noch wenig über die Covid-Impfstoffe bekannt sei, hätten die Bürger noch kaum eine Grundlage, um sich für oder gegen eine Impfung zu entscheiden. Und dass gewisse Teile der Bevölkerung den Nutzen von Impfungen stärker hinterfragen als andere, sei bekannt. «Hier braucht es gute Informationsarbeit und individuelle Impfgespräche.»
Einen Einfluss auf die Impfbereitschaft hat laut Umfrage unter anderem, welche Partei eine Person wählt. Am impfskeptischsten sind die Wähler der SVP und der Grünen. Generell gilt: Je grösser das Vertrauen einer Person in den Bundesrat, desto höher ist die Impfbereitschaft.
Grundlegend gewandelt hat sich die Einstellung der Bevölkerung zu einer potenziellen Impfpflicht. Während des Lockdown im April sprachen sich drei Viertel dafür aus, die Covid-Impfung für obligatorisch zu erklären. Schon damals vermutete ein Politologe, dass der hohe Wert der momentanen Krisenstimmung geschuldet sein könnte. Tatsächlich ist die Zustimmung seither regelrecht eingebrochen – sie beträgt aktuell noch 22 Prozent.
Theoretisch wäre ein Impfobligatorium in der Schweiz, gestützt auf das Epidemiengesetz, möglich. Die Hürden dafür sind laut Staatsrechtlern aber hoch. Gesundheitsminister Alain Berset sowie andere Vertreter von Bund und Kantonen betonten zudem bereits mehrfach, dass keine generelle Impfpflicht geplant sei.
Dennoch sammelt ein Komitee seit Dienstag Unterschriften für eine Volksinitaitive unter dem Label «Stopp Impfpflicht». Zu den Aushängeschildern gehören die SVP-Nationalrätin Yvette Estermann, Komiker Marco Rima und Impfkritiker Daniel Trappitsch.
Viele wollen strengere Regeln
Neben einem institutionellen Obligatorium befürchten sie auch eine «indirekte Impfpflicht», dass also Ungeimpften beispielsweise der Zutritt zu Fussballstadien, Museen oder Flugzeugen verwehrt wird. Dazu sagt Christoph Berger nur: «Jeder Verein und jede Firma kann selber entscheiden, wem sie Zutritt gewähren.»
So lautstark sich die Kritiker der Corona-Massnahmen momentan Gehör verschaffen mögen: Aktuell ist laut Umfrage lediglich eine Minderheit von 18 Prozent der Meinung, dass die Corona-Politik von Bund und Kantonen zu weit geht. 40 Prozent bezeichnen die aktuellen Massnahmen als angemessen – für 41 Prozent dürften sie weiter gehen.
14’470 Personen aus allen Landesteilen haben vom 26. bis zum 29. November an der Corona-Umfrage von Tamedia und «20 Minuten» in Zusammenarbeit mit Lee Was teilgenommen. Die Resultate wurden nach demografischen, geografischen und politischen Variablen gewichtet. Der Fehlerbereich beträgt ± 1,5 Prozentpunkte.
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