Merkels letzte Sommer-Medienkonferenz«Im Klimaschutz ist nicht ausreichend viel passiert»
Die scheidende deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat ihre Bilanz verteidigt: Sie habe sich sehr für den Schutz des Klimas eingesetzt – aber es genüge objektiv noch nicht.
Angela Merkel, vor einer Woche gerade 67 Jahre alt geworden, erschien in einem türkisfarbenen Blazer gut gelaunt und entspannt zu ihrem letzten Sommertreffen mit den Berliner Hauptstadtmedien. Zu Bilanzen ihrer 16-jährigen Kanzlerschaft war sie dennoch eher wenig aufgelegt: «Die werden dann andere schreiben», meinte sie lapidar. Und auch Fragen wie jener nach dem Regierungschef, mit dem sie sich persönlich am besten verstanden habe, verweigerte sie jede Antwort.
Nur beim Thema der Stunde, dem Kampf gegen die menschengemachte Klimakrise, kam die Bundeskanzlerin ausführlich auf ihr Wirken und ihre Versäumnisse zu sprechen. Seit sie unter Helmut Kohl 1994 Umweltministerin geworden sei, so Merkel, habe die Arbeit für Massnahmen gegen den Klimawandel ihr politisches Leben gekennzeichnet.
«Man soll also nicht so tun, wie wenn nichts passiert wäre.»
Der Kritik, sie habe gleichwohl fast nichts erreicht, entgegnete sie: «Deutschland hat vieles gemacht.» Als sie 2005 Kanzlerin geworden sei, habe der Anteil der erneuerbaren Energien an der deutschen Stromproduktion 10 Prozent betragen, heute seien es deutlich über 40 Prozent.
Auch das Tempo der CO₂-Reduktionen habe sich zuletzt erheblich beschleunigt. Zwischen 1990 und 2010 habe Deutschland seinen Ausstoss um 20 Prozent reduziert, im Jahrzehnt bis 2020 nochmals um 20 Prozent, und bis 2030 seien Reduktionen um 25 Prozent geplant. «Man soll also nicht so tun, wie wenn nichts passiert wäre.»
Dennoch sei sie sich bewusst, dass dies objektiv noch nicht genüge. «Gemessen am Ziel des Pariser Abkommens, die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad und möglichst nahe bei 1,5 Grad zu begrenzen, ist nicht ausreichend viel passiert.» Das gelte nicht nur für Deutschland, sondern für «sehr, sehr viele Staaten auf der Welt».
Das Tempo wird verschärft
Aus diesem Grund habe ihre Regierung den Kampf gegen den Klimawandel gerade noch einmal deutlich verschärft, unter anderem mit einem Bekenntnis zu Klimaneutralität in Deutschland bis 2045. Auch die Europäische Union habe ihre Gangart gerade drastisch beschleunigt. Auf diesem Weg müsse man nun weitergehen – immerhin handle es sich bei der Dekarbonisierung um die «tiefgreifendste Transformation unseres Wirtschaftens und Lebens, die wir kennen».
Auf die Frage, ob sie angesichts der Dringlichkeit der Krise nicht das Gefühl habe, gescheitert zu sein, sagte Merkel: «Ich habe für den Klimaschutz sehr viel Kraft aufgewendet.» Sie habe sich weltweit, in Deutschland und in der eigenen christdemokratischen Partei an vielen Widerständen abgearbeitet und kontinuierlich bemüht, politische Mehrheiten für mehr Klimaschutz zu finden. Insofern habe sie kein schlechtes Gewissen.
Was die Kanzlerin Luisa Neubauer antwortet
«Aktivistinnen wie Luisa Neubauer von Fridays for Future würden jetzt vielleicht sagen, dass ich mich eben nicht genug angestrengt habe. Ich würde antworten: Ich strenge mich an. Aber die Meinung von Fridays for Future ist eben nicht die einzige Meinung in Deutschland.»
Auf Versäumnisse oder Fehleinschätzungen angesprochen, nannte Merkel schliesslich doch zwei: Sie habe zu lange am sogenannten Kyoto-Protokoll festgehalten, an dessen Ausarbeitung sie 1997 mitgearbeitet hatte und das CO₂-Reduktionen für alle Länder rechtsverbindlich festschreiben wollte. Dies sei unrealisierbar gewesen und habe im Effekt eine freiwillige Übereinkunft wie das Pariser Abkommen von 2015 um Jahre verzögert.
Als zweites Versäumnis bezeichnete die Kanzlerin, dass es in Deutschland bisher nicht gelungen sei, auch die Bevölkerung auf dem Land von der Notwendigkeit und den Vorteilen des Klimaschutzes zu überzeugen. Diese Menschen sähen oft nur die Windräder und Strommasten auf ihren Feldern und sorgten sich vor teurerem Benzin oder Strom. Die Landbevölkerung auf diesem Weg nicht zu verlieren, sei neben der «sozialen Gerechtigkeit» eine der grössten gesellschaftlichen Herausforderungen auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft.
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