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Illegales Streaming
Filme schauen auf Tiktok? Ja, das geht

FILE - In this July 21, 2020 file photo, a man opens social media app 'TikTok' on his cell phone, in Islamabad, Pakistan. Walmart said Thursday, Aug. 27,  that it's interested in teaming up with Microsoft to buy the U.S. business of TikTok, the popular Chinese video app.  (AP Photo/Anjum Naveed, File)
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Seit dem Boom von Netflix, Disney+ und so weiter ist die Popularität illegaler Streamingseiten immer weiter zurückgegangen. Doch seit kurzem scheint sich dieser Effekt umzukehren. Es gibt inzwischen so viele Streaminganbieter, dass die wenigsten Nutzerinnen und Nutzer bereit sind, für alle zu zahlen.

Seit ein paar Jahren werden wieder mehr illegale Inhalte gestreamt, wie eine Studie des EU-Amts für geistiges Eigentum zeigt. Allerdings braucht es keine Piratenseiten, um Raubkopien zu finden: Auch bei Tiktok sind Hunderte Filme und Serien verfügbar. Illegal, ja, aber ohne Beschränkungen zugänglich.

Dabei ist die Video-App eigentlich kein attraktiver Ort, um Filme und Serien zu schauen. Leinwandfilme werden hier in das Hochformat eines 12-Zoll-Bildschirms gequetscht und – weil ein Tiktok-Video maximal drei Minuten lang sein darf – in Einzelteile zerlegt. Bei einem Blockbuster müssen die Nutzerinnen und Nutzer durch etwa 40 Kurzclips swipen, die häufig nicht einmal in der richtigen Reihenfolge angeordnet (aber oft durchnummeriert) sind.

Zu dem Clip-Wirrwarr kommen die Tricks, mit denen die Raubkopierer die Systeme zu umgehen versuchen, die automatisch urheberrechtlich geschützte Inhalte aufspüren und sperren sollen. Unter einigen Filmclips dudelt Liftmusik oder ein diametral zum Inhalt stehender Popsong. Andere sind gespiegelt, gezoomt oder verzerrt und häufig nicht einmal mit dem Namen des Films verschlagwortet. Geschaut werden sie trotzdem. Millionenfach.

«Frustrierende Versuche» statt Verhandlungen

Die Rechteinhaber wehren sich inzwischen gegen die Copyright-Verletzungen in der Video-App und nehmen dabei auch Tiktok in die Verantwortung. In einem Fall hat ein Gericht in München jetzt einer Firma aus Berlin recht gegeben und entschieden: Tiktok darf urheberrechtsgeschützte Werke auf seiner Plattform nicht unentgeltlich zeigen.

Geklagt hatte Nikita Ventures, ein Unternehmen, das Filminhalte in sozialen Medien zweitverwertet. Es kauft die Lizenzrechte von Filmemachern und Filmverleihen und veröffentlicht deren Inhalte dann auf den eigenen Social-Media-Kanälen. Kostenlos, aber werbefinanziert.

Das Unternehmen hatte Tiktok wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass seine Kurzfilme, Dokus und Konzertmitschnitte illegal auf der Plattform zu sehen waren, und die entsprechenden Nutzungsrechte zum Kauf angeboten – erfolglos. Tiktok löschte die Clips zwar, unterschrieb aber weder eine Unterlassungserklärung noch einen Lizenzvertrag. Antoine Schmidt-Roy, Geschäftsführer von Nikita Ventures, spricht von einem «langen Zeitraum frustrierender Versuche», mit Tiktok in Verhandlungen zu treten.

Wegweisendes Urteil zu Nutzungsrechten

Seit der Reform des Urheberrechts von 2021 sind Digitalplattformen verpflichtet, «bestmögliche Anstrengungen» zu unternehmen, die Lizenzrechte für geschützte Inhalte zu erwerben und die Rechteinhaber zu entlöhnen. Ebendiese Bemühungen habe Tiktok nicht gezeigt, entschied das Landgericht. Das Verhalten des Konzerns lasse «nicht das Ziel erkennen, alsbald zu einem beiderseits interessengerechten Ergebnis zu gelangen».

Das Gerichtsurteil ist wegweisend. Zum ersten Mal hat ein Gericht in Deutschland festgestellt, dass Tiktok urheberrechtlich geschützte Inhalte nicht einfach zeigen darf und – mehr noch – für die Lizenzverletzungen haftet. Der Konzern muss jetzt offenlegen, wie oft die Inhalte von Nikita Ventures auf seiner Plattform gestreamt und hochgeladen wurden und welche Einnahmen er daraus gezogen hat. Auf dieser Basis wird dann die Höhe der fälligen Schadenersatzzahlung festgelegt, zu der das Gericht Tiktok verurteilt hat.

Bisher ist das Urteil nicht rechtskräftig, Tiktok hat sich auf Anfrage dieser Redaktion nicht dazu geäussert.

Songs von Taylor Swift oder Lady Gaga entfernt

Auch der weltgrösste Musikkonzern Universal Music streitet zurzeit mit Tiktok über Lizenzverträge. Universal hat unlängst die Verhandlungen über die Verlängerung einer bisherigen Nutzungsvereinbarung für gescheitert erklärt. Der Konzern hat die Songs seiner Künstler, darunter Taylor Swift, Lady Gaga und die Rolling Stones, von der App entfernt. Videos, in denen die Lieder als Hintergrundmusik verwendet wurden, so wie es auf der App üblich ist, sind seitdem stumm.

Was die Filmclips angeht, gibt es Medienanwälte, die argumentieren, dass deren Veröffentlichung auf Tiktok auch etwas Positives für ihre Macher haben könnte. Schliesslich erzielen sie auf Tiktok teils unglaubliche Reichweiten und steigern somit die Popularität der entsprechenden Filme und Serien. Deshalb experimentieren einige Filmverleihe auch schon damit, ihre Inhalte legal auf der Videoplattform zu veröffentlichen.

Im Fall der Filmrechtefirma Nikita Ventures hatten die Macher hinter den Filmen allerdings wenig von den Raubkopien: «Unsere Inhalte wurden einfach genutzt, aber es kam nichts bei den Produzenten an», sagt Geschäftsführer Antoine Schmidt-Roy. «In vielen Fällen wurden weder die Urheber noch die Titel ihrer Werke richtig genannt.» Bei der Klage des Unternehmens sei es daher nicht nur um die wegfallenden Werbeeinnahmen gegangen, sondern auch noch um etwas anderes: Kreative sollen für ihre Arbeit angemessen entlöhnt werden. Auch auf Plattformen wie Tiktok.