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Deutschland gedenkt Corona-Toten
«Ihr seid nicht allein»

Geteiltes Leid: Anita Schedel spricht über ihren an Covid-19 verstorbenen Ehemann Hannes, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hört ihr zu.
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«Jeden Tag habe ich darum gebettelt, dass ich zu ihm darf.» Anita Schedel aus Passau, die sich nicht um ihren an Covid-19 sterbenden 59-jährigen Mann Hannes kümmern durfte, drückte aus, was so viele Angehörige in der Pandemie erlitten. Seit die Seuche zu Abstand zwingt, ist das Sterben einsam geworden – ohne Beistand, oft sogar ohne Abschied.

«Es war die Hölle», sagte die 28-jährige Finja Wilkens, die über ihren 53-jährigen Vater Hans-Gerd sprach, den sie nicht auf der Intensivstation besuchen durfte. Er starb nicht am Virus, sondern an Blutkrebs, wegen der Kontaktbeschränkungen aber ebenfalls allein. Sie und ihre Familie hätten das Gefühl gehabt, ihn beim Sterben «im Stich gelassen zu haben», sagte die Tochter. «Niemand sollte diesen Weg allein gehen müssen.»

Anita Schedel und Finja Wilkens zählten zu den Angehörigen, die am Sonntag in Berlin jenen Menschen ein Gesicht gaben, die während der Pandemie verstarben. Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte sie zusammen mit den Spitzen des deutschen Staates zu einer zentralen Gedenkfeier eingeladen.

Kerzen für die Toten: Frank-Walter Steinmeier hatte die Angehörigen und die führenden Repräsentanten des deutschen Staates zur zentralen Trauerfeier eingeladen.

80’000 Menschen sind in Deutschland bisher an oder mit Covid-19 gestorben, drei Millionen sind es in der ganzen Welt. Die Pandemie habe «tiefe Wunden geschlagen und auf schreckliche Weise Lücken gerissen», sagte Steinmeier in seiner Gedenkrede. Gerade weil viele Menschen von Corona ermüdet seien, «wundgerieben im Streit um den richtigen Weg», sei es der richtige Moment, um einmal innezuhalten und die «menschliche Tragödie» in den Blick zu nehmen.

«Wir wollen heute als Gesellschaft derer gedenken, die in dieser dunklen Zeit einen einsamen, oft qualvollen Tod gestorben sind.» Ihr Leid und dasjenige ihrer Angehörigen sei in der Öffentlichkeit oft unsichtbar geblieben. «Eine Gesellschaft, die dieses Leid verdrängt, wird als ganze Schaden nehmen.» Die höchsten Repräsentanten des Staates seien heute mit Angehörigen zusammenzukommen, um den Trauernden zu sagen: «Ihr seid nicht allein in eurem Leid, nicht allein in eurer Trauer.»

Beistand: Bundeskanzlerin Angela Merkel (links) begleitet Esrin Korff-Avunc, die ihren an Covid-19 verstorbenen Vater Necdet Avunc betrauert.

Die 75-minütige Gedenkfeier fand im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt statt und wurde im deutschen Fernsehen direkt übertragen. In einem grossen Halbkreis sassen Steinmeier und seine Gäste in weitem Abstand: Neben fünf Vertretern von Angehörigen waren dies insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Bundesratspräsident Reiner Haseloff und Stephan Harbarth, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts.

Mitgefühl: Die zentrale Gedenkfeier fand im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt statt.

Nach der Rede des Bundespräsidenten sprachen die Angehörigen über ihre Verstorbenen, begleitet von den Spitzen der fünf Verfassungsorgane entzündeten sie Kerzen. Zehn Musikerinnen und Musiker des Konzerthausorchesters spielten Trauermusik von Johann Pachelbel und Samuel Barber, die Europahymne sowie die deutsche Nationalhymne. Auf vier grossen Bildschirmen wurden Teile des gesungenen «Deutschen Requiems» von Johannes Brahms eingespielt. Die Flaggen aller öffentlichen Gebäude in Deutschland standen am Sonntag auf halbmast.

Trauermusik: Auf Bildschirmen wurden Teile des «Deutschen Requiems» von Johannes Brahms eingespielt, gesungen vom Rundfunkchor Berlin.

In vielen Ländern Europas hat es bereits zentrale staatliche Gedenkfeiern für die Opfer der Pandemie gegeben, unter anderen in Italien oder Spanien. In der Schweiz aber noch nicht. Bundespräsident Guy Parmelin rief Anfang März zwar zu einer Gedenkminute auf, Gleiches hatte die Vereinigte Bundesversammlung Anfang Dezember getan. Eine zentrale Trauerzeremonie der Eidgenossenschaft für die mehr als 10’000 Opfer fehlt jedoch bis heute.