Felix Lobrecht in der Schweiz«Ihr könnt nicht mal Deutsch im Alltag»
Der erfolgreichste deutschsprachige Comedian ist auf Tour in der Schweiz – und macht vor keinem Tabu halt. Auch nicht vor dem Tod seiner Mutter.
Wie ein zum Leben erwecktes Instagram-Profil, so fühlt sich der rappelvolle Saal an diesem Abend an. Frisch gelockte Haare und scharf rasierte Bartkonturen, dazu weisse Sneakers und unifarbene Sweatshirts. Es riecht nach Popcorn und Parfüm. Die Klamotten der Menschen hier wurden im Onlineshop wohl nicht mit «grau» und «beige» angepriesen, sondern eher mit «anthrazit» und «cremefarben». Wer Muster trägt, fällt auf. Wer über 30 ist, auch. Hier sind also alle, die nicht mehr ins Uto-Kino gehen.
Hier, das ist die Eventlocation The Hall in Stettbach. An diesem Montagabend spielt der deutsche Comedian Felix Lobrecht für das Zürcher Publikum sein Programm «All You Can Eat». Die Show ist eine von zehn in der Schweiz, die Tour war nach weniger als einer Stunde ausverkauft.
Das verwundert nicht, denn Lobrecht ist ein Phänomen.
Tellerwäscher-Karriere
Der Berliner wuchs in bescheidenen Verhältnissen im Stadtteil Neukölln auf. Heute fährt er einen Mercedes, trägt eine Rolex am Handgelenk und an diesem Abend auf der Bühne ein Shirt von Louis Vuitton.
«Gegen Bern sieht Zürich so aus, als wäre Putin schon hier gewesen.»
Gemeinsam mit Moderator Tommi Schmitt macht er den Podcast «Gemischtes Hack», den erfolgreichsten Podcast im deutschsprachigen Raum. Lobrecht gewann zweimal den Deutschen Comedypreis, er schrieb den Bestseller «Sonne und Beton», der dieses Jahr als Verfilmung in die Kinos kam. Die «New York Times» veröffentlichte ein Porträt über ihn mit dem Titel «Bringing Some Cool to German Comedy».
Lobrecht polarisiert. Mit seinen Witzen, zum Beispiel über die toten Affen aus dem Krefelder Zoo, eckt er oft an. Gleichzeitig spricht er in seinen Formaten auch über ernste Themen wie seine Depressionen und den frühen Verlust seiner Mutter. Tabus, so scheint es, gibt es für den 34-Jährigen nicht.
Knutschfleck und Klinikaufenthalt
Lobrecht eröffnet den Abend mit einer Verbalattacke auf das Zürcher Publikum: «Gegen Bern sieht Zürich so aus, als wäre Putin schon hier gewesen.» Die Zuschauerinnen und Zuschauer lachen. Weiter geht es mit einer Anekdote zu einem Knutschfleck auf seinem Genital. Die Lacher im Publikum werden hysterisch.
Auch Lobrecht trägt weisse Sneakers, sein ganzes Outfit ist weiss. Wenn der Comedian sich schüttelt, klimpert sein Goldschmuck. Seine Miene ändert sich mit jedem gesprochenen Wort – im Gegensatz zu seinem Publikum hat er die volle Kontrolle über seine Gesichtszüge.
«Niemand hatte mehr Stress als Hitler, ever!»
In den 90 Minuten seiner Show reisst Lobrecht Witze über vietnamesische Namen, «dicke Pferdemädchen» und einen sterbenden 29-Jährigen. Er sagt «Missgeburt», «Schwuchtel» und «Schlampe». Er sagt: «Linke Demos sehen so aus, wie Nazis sich Deutschland wünschen» und «Als wenn es eine feministische Leistung wär, wenn man sich Silikon in die Muschi steckt». Und er macht sich natürlich über die Schweizerinnen und Schweizer lustig: «Ihr könnt nicht mal Deutsch im Alltag.»
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Der Comedian beendet seine Show mit einer Erzählung aus seinem dreimonatigen Psychiatrieaufenthalt Anfang dieses Jahres. Er habe seine Mutter als Vierjähriger an Krebs verloren und immer gedacht, keine Erinnerungen an sie zu haben. Doch in der Therapie, erzählt er, sei dann plötzlich eine hochgekommen: «Ganz kurz vor ihrem Tod: Meine Mutter sitzt heulend in den Armen ihrer Mutter.» Im Saal ist es still.
Tabus brechen
Egal wie derb die Jokes sind, Felix Lobrecht wird gefeiert und bejubelt. «Ich kann heute fix nicht schlafen, weil ich so lachen muss», sagt eine junge Frau im Publikum zu ihrer Freundin. Nur als Lobrecht zum dritten Mal einen Hitler-Witz bringt und ruft: «Niemand hatte mehr Stress als Hitler, ever!», meint die Frau: «Nein, da kann ich nicht klatschen.» Lachen muss sie trotzdem – so wie alle anderen im Saal.
Auffällig ist: Am allermeisten ziehen beim Zürcher Publikum nicht die raffiniertesten Pointen, die Lobrecht durchaus draufhat, sondern Witze, die direkt unter die Gürtellinie gehen. Als er den Eltern im Publikum zuruft: «Auch Ihre Tochter fickt!», liegt das Publikum in Tränen.
Tabus, das bestätigt der Abend, gibt es für Felix Lobrecht nicht. Tabus, die gibt es nur für seine Zuschauerinnen und Zuschauer. Sie sind an diesem Montagabend aus dem Instagram-Filter erwacht, haben ihre gemachten Haare vor Lachen geschüttelt und den einen oder anderen Aperol-Spritz auf ihre unifarbenen Sweatshirts gekippt. Je grösser das Tabu auf der Bühne, desto freier machte das Lachen.
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