Interview zum Fall Windisch«Ich habe schon bessere Verschwörungstheorien gehört»
Der Aargauer Regierungsrat Jean-Pierre Gallati stand diese Woche in der Kritik. Im Gespräch nimmt er nun Stellung zu den Vorwürfen.
Herr Gallati, der «Fall Windisch» hat diese Woche die Schlagzeilen beherrscht. Wie war Ihre Woche?
Es war eine normale Arbeitswoche.
Sie wurden als zuständiger Regierungsrat kritisiert – auch von Ihrer eigenen Partei, der SVP. Inzwischen haben Sie um Entschuldigung gebeten. Wen und wofür genau?
Ich bitte um Entschuldigung dafür, dass der kantonale Sozialdienst unterschätzt hat, was Wohnungskündigungen auslösen. Das Geschäft war unsorgfältig vorbereitet, die Kommunikation mangelhaft.
Zu Beginn schwiegen Sie, während falsche Informationen zirkulierten. Warum haben Sie den Sachverhalt nicht gleich klargestellt?
Wir haben am Montagabend mitgeteilt, dass ich mich später äussere – und dass ich mit dem Gemeinderat von Windisch nicht via Öffentlichkeit kommuniziere. Ich musste erst abklären, was Sache ist, ob die Vorwürfe des Gemeinderates zutreffen oder nicht.
Der Gemeinderat von Windisch teilte mit, Mieterinnen und Mieter müssten wegen Asylsuchenden aus ihrer Wohnung. Doch den Mietern wäre ohnehin gekündigt worden, weil die Gebäude abgerissen werden. Richtig?
Ja, das ist richtig. Ich wusste bis am Dienstag aber nicht, ob ein Abbruch der Gebäude geplant ist oder eine Sanierung. Es ist besser, den Sachverhalt zu klären, bevor man sich zum Fenster hinauslehnt. Was eine Behörde kommuniziert, muss stimmen.
«Ich bin nicht Sprecher der SVP. Ob das meiner Partei in die Hand spielt oder nicht, müssen Sie beurteilen. Vielleicht spielt es auch anderen Parteien in die Hand.»
Der Gemeinderat von Windisch ist auch eine Behörde. Er sollte also nichts Falsches mitteilen.
Da haben Sie recht. Aber ich will mit den aargauischen Gemeinderäten ein vernünftiges Verhältnis pflegen – auch dann, wenn ein Gemeinderat das Gesundheitsdepartement öffentlich angreift. Wenn ich öffentlich zurückgeschossen hätte, wäre das eskaliert.
In den Wohnungen sollen bis zum Abriss unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) untergebracht werden. Fehlt es an Plätzen für UMA?
Im Kanton Aargau sind zurzeit 230 Minderjährige untergebracht. Die UMA-Unterkünfte sind überbelegt. Ich habe kürzlich eine Unterkunft besucht, die Verhältnisse sind wirklich extrem eng. Bis Ende Jahr benötigen wir laut Prognosen 160 bis 180 zusätzliche UMA-Plätze.
Aus Sicht des Kantons ist die Zwischennutzung also sinnvoll. Welchen Vorteil bringt sie der Immobilienfirma?
Die Immobilienfirma wird uns nach der Zwischennutzung zu einem bestimmten Zeitpunkt los. Bei 32 Verträgen geht das nicht, da erhalten gewisse Mieter bis zu zwei Jahren Erstreckung, andere nur wenige Monate.
In den Köpfen bleibt oft die erste Geschichte hängen: Mieter müssen Flüchtlingen weichen. Das ist im Sinne Ihrer Partei, der SVP.
Ich bin nicht Sprecher der SVP. Ob das meiner Partei in die Hand spielt oder nicht, müssen Sie beurteilen. Vielleicht spielt es auch anderen Parteien in die Hand.
«Das Ganze ist eine Fehlleistung meines kantonalen Sozialdiensts. Dafür übernehme ich die Verantwortung. Was daraus in der öffentlichen Debatte entsteht, dafür fühle ich mich nicht verantwortlich.»
Was sagen Sie zum Vorwurf, die SVP kritisiere ein Chaos, das sie selber geschaffen habe?
Ich habe schon bessere Verschwörungstheorien gehört.
Wurden mit der ursprünglichen Geschichte Ressentiments gegen Flüchtlinge geschürt?
Das Ganze ist eine Fehlleistung meines kantonalen Sozialdiensts. Dafür übernehme ich die Verantwortung. Was daraus in der öffentlichen Debatte entsteht, dafür fühle ich mich nicht verantwortlich.
Gehört der Aargau zu jenen Kantonen, die kaum noch freie Plätze für Asylsuchende haben?
Nein, nur die Plätze für die Minderjährigen sind belegt. Aktuell haben wir noch zwischen 500 und 1000 freie Plätze. Weil sich aber in wenigen Monaten eine Überbelegung abzeichnet, hat der Regierungsrat im Januar die Notlage im Asylwesen beschlossen. Es werden weitere Unterkünfte eröffnet.
Was sind Ihre Lehren aus dieser Woche?
Wir müssen erstens bei neuen Unterkünften die Auswirkungen besser planen und zweitens die Kommunikation mit allen Involvierten verbessern. Ich werde die internen Abläufe überprüfen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.