Messerattacke im ICE«Ich bin krank. Ich brauche Hilfe»
Ein 27-jähriger Syrer, der in Bayern in einem Zug vier Menschen verletzt hat, wurde in die Psychiatrie eingewiesen. Laut Behörden gibt es bislang keinerlei Hinweise auf islamistische Hintergründe.
Der ICE 928 fuhr am Samstagmorgen kurz vor neun Uhr mit 208 Passagieren zwischen Regensburg und Nürnberg, als ein junger Syrer unvermittelt mit einem Klappmesser auf den Kopf eines 26-jährigen Mannes einstach. Dann fügte er einem 60-jährigen Mann Schnitte an Kopf und Oberkörper zu und verletzte einen weiteren 60-Jährigen, der ihn daran hindern wollte.
Danach ging der Täter vom fünften in den vierten Waggon und griff erneut einen Mann an. Der 39-Jährige erlitt Stichverletzungen am Oberkörper. Als der Zug kurz darauf notfallmässig anhielt, stiegen alarmierte Polizisten zu und nahmen den Syrer mit vorgehaltener Waffe fest. Kurz davor hatte der Täter laut Polizei gerufen: «Ich bin krank. Ich brauche Hilfe.»
Die beiden schwer verletzten jungen Männer lagen am Sonntag noch im Spital, die anderen waren bereits entlassen worden. Lebensgefahr bestand nicht. Ein im ICE mitfahrendes Ärzteehepaar hatte den Opfern schnell Erste Hilfe geleistet.
Syrer fühlte sich verfolgt und bedroht
Der Leitende Oberstaatsanwalt von Nürnberg-Fürth, Gerhard Neuhof, teilte den Medien am Sonntagnachmittag mit, der Täter sei laut einer ersten Untersuchung psychisch krank und zur Tatzeit wohl «schuldunfähig» gewesen. Er sei deswegen nicht in ein Gefängnis, sondern in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen worden.
Ein «sehr erfahrener» psychiatrischer Gutachter, so Neuhof, habe nach einem Gespräch mit dem mutmasslichen Täter eine akute paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Der Syrer habe sich nach eigener Aussage seit einiger Zeit verfolgt gefühlt. Die Polizei habe Menschen geschickt, die ihn beobachteten und verrückt machen wollten. Deswegen habe er zuletzt stets ein Messer auf sich getragen.
Von seinem ersten Opfer im Zug, so sagte der Syrer laut Staatsanwalt, habe er sich bedroht gefühlt. Der habe ihn töten wollen. Um dies zu verhindern, habe er ihn selbst angegriffen. Die weiteren Taten habe er dann «wie im Traum» begangen.
Sabine Nagel, die ermittelnde Kriminaldirektorin, erklärte, trotz umfangreicher Ermittlungen in mehreren Bundesländern habe man bisher kein anderes Motiv finden können. Insbesondere gebe es bislang keinerlei Hinweise auf islamistische Hintergründe.
Der Syrer war 2014 nach Deutschland geflüchtet und erhielt 2016 Asyl. Anders als seine Eltern und Geschwister, die offenbar in Nordrhein-Westfalen leben, wohnte er stets in Niederbayern. Bis jetzt sind den Behörden keine Hinweise auf frühere psychiatrische Behandlungen bekannt. Laut Kriminaldirektorin Nagel war der Mann berufstätig, hatte aber am Tag vor der Tat seine Arbeit verloren.
Erinnerungen an die Attacke von Würzburg
Die Tat im Zug hat am Wochenende in Deutschland breites Entsetzen ausgelöst. Norbert Zink, Polizeidirektor der Region Oberpfalz sagte, das Sicherheitsempfinden vieler Menschen leide unter solchen Vorfällen stark, selbst wenn es sich um seltene Einzelfälle handle.
Ende Juni war es in Bayern bereits zu einer ähnlichen, noch folgenschwereren Attacke gekommen, als ein 24-jähriger Somalier in Würzburg drei Frauen erstach und sechs weitere schwer verletzte. Das zunächst vermutete islamistische Motiv bestätigte sich nicht, dafür erklärten mehrere Gutachter den Täter als psychisch krank und schuldunfähig. Auch der Somalier wartet in der Psychiatrie auf seinen Prozess.
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