Nawalny ein Jahr in Haft«Ich bereue es keine Sekunde und mache weiter»
Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny sitzt seit einem Jahr in Haft. Trotz des harten Vorgehens der russischen Regierung gegen ihn und seine Organisationen bereut er seine Rückkehr nach Russland nicht.
Alexej Nawalny zeigt sich auch ein Jahr nach seiner vom Westen scharf verurteilten Festnahme auf einem Moskauer Flughafen ungebrochen und kämpferisch. Bei Instagram kommuniziert der Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin aus dem Straflager mit der Aussenwelt – über Botschaften, die er Anwälten und Besuchern mitgibt. So erklärt der 45-Jährige da zu einem Bild mit seiner Frau Julia am Montag, dass es wichtig für ihn sei, vor sich selbst ehrlich zu sein: «Ich bereue es keine Sekunde und mache weiter.»
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Aus dem Straflager musste Nawalny zusehen, wie die Behörden seine über Jahre aufgebaute Anti-Korruptions-Organisation in einer beispiellosen Repressionswelle zerschlugen. Die Internetseiten Nawalnys sind in Russland blockiert. Seine Mitstreiter von einst werden vom Kreml als «Extremisten» und «Terroristen» gebrandmarkt.
Auch Putin behauptete erst unlängst wieder, diese Kräfte versuchten, Russland von innen zu zersetzen. Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch konterte bei Twitter, dass Putin selbst das Land zerstöre – durch sein «korruptes Regime» und Machtmissbrauch. Sie bezeichnete den Kremlchef zudem als «Feigling» und «Mörder».
Putin: Westen hat keinen Beleg für «angebliche Vergiftung»
Putin nutzte seinen Auftritt bei der Jahrespressekonferenz im Dezember auch dazu, um einmal mehr Vorwürfe wegzuwischen, er habe seinen schärfsten Widersacher im August 2020 vergiften lassen. Der Westen habe bisher keinen Beleg für die «angebliche Vergiftung» mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok vorgelegt. «Nichts. Null», sagte Putin, der Nawalny nie beim Namen nennt. Mehrere Labors, darunter eins der Deutschen Bundeswehr, hatten nach offiziellen Angaben das Nervengift allerdings nachgewiesen.
Anders als Nawalny haben zahlreiche Putin-Gegner Attentate nicht überlebt. Der Oppositionsführer wirft einem unter Putins Befehl agierenden Kommando des Inlandsgeheimdienstes FSB vor, ihm das Gift in Sibirien verabreicht zu haben. Nawalny brach damals im Flugzeug zusammen. Der Pilot brachte die Maschine in Omsk auf den Boden. Dort wurde der Oppositionelle von Rettungskräften und in einer Klinik behandelt, bevor eine Sondermaschine aus Deutschland ihn abholte. Sie brachte ihn nach Berlin zur rettenden Behandlung in die Charité.
Nawalny machte die Namen der mutmasslichen FSB-Attentäter öffentlich, recherchierte mit Hilfe von Investigativjournalisten selbst das Verbrechen. Doch die russische Justiz lehnt es bis heute ab, ein Ermittlungsverfahren in dem Fall einzuleiten. Auch Sanktionen des Westens beeindrucken Russland nicht.
Die Bilder von Nawalnys Festnahme auf einem Moskauer Flughafen vor einem Jahr, am 17. Januar, gingen um die Welt. Die Maschine war im Landeanflug, als russische Behörden sie angesichts von Tausenden Anhängern des Putin-Gegners auf einen anderen Hauptstadt-Airport umleiten liessen, um Nawalny keine Bühne zu geben. Dass der Politiker dann für mehrere Jahre in Haft kam, weil er Meldeauflagen in einem anderen Strafverfahren nicht erfüllt haben soll, ist international als politisch motivierte Justizwillkür verurteilt worden.
Nawalny meinte nun, es sei angesichts drohender weiterer Verfahren unklar, wann er in Freiheit komme. Im ersten Jahr seiner Haft erhielt er mehrere Auszeichnungen, darunter den nach dem russischen Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow benannten Menschenrechtspreis des Europäischen Parlaments.
Gleichzeitig fordern westliche Staaten und Organisationen weiterhin die Freilassung des Kreml-Kritikers. Amnesty International erklärte am Montag, das Jahr in Russland seit Nawalnys Verhaftung sei von einer «beispiellosen Kampagne der Repression» geprägt gewesen. «Am Jahrestag seiner Verhaftung befinden sich Nawalny und die mit ihm verbündeten politischen Aktivisten in einer regelrechten Hölle», erklärte die Amnesty-Direktorin für Osteuropa und Zentralasien, Marie Struthers.
Straflager lässt Nawalny nicht verstummen
Aus der Haft in Pokrow rund 100 Kilometer östlich von Moskau heraus weist Nawalny auf Folter und andere Missstände im Straflager-System hin. Der Familienvater beschreibt auch seine Gefangenenarbeit in einer Nähwerkstatt. Und er lästert etwa über das Staatsfernsehen, das offenbar nur Moskaus Forderungen bringe, die Nato möge ihre Osterweiterung einstellen, weil sich Russland in seiner Sicherheit bedroht sehe. Dabei würden sich doch gerade die Propagandisten des Kreml selbst ein schönes Leben machen in den Nato-Mitgliedstaaten.
Nawalny kritisiert eine «Doppelzüngigkeit» russischer Politiker und Meinungsmacher, die zuhause Patriotismus predigten. In Wahrheit seien sie korrupt und bereicherten sich. Sie nutzten Bankkonten und kauften Grundstücke im Westen, liessen ihre Kinder dort ausbilden und genössen insgesamt liberale Gesellschaften in vollen Zügen, während sie in der Heimat Freiheiten zunehmend einschränkten (Lesen Sie dazu auch: Putins Göttikind darf nicht in die Schweiz). Seit langem fordern der Oppositionelle und seine inzwischen im Ausland aktiven Mitstreiter vom Westen, gegen diese Russen Sanktionen zu verhängen – auch gegen die Oligarchen, die das «System Putin» stützten.
Gerade erst bedankte der Gefangene sich dafür, dass der US-Sender CNN bald den Doku-Thriller «Nawalny» des Filmemachers Daniel Roher ausstrahlen wolle. Nawalnys Vertrauter Leonid Wolkow meinte dazu: «Und Putin wird dann sehr bereuen, dass er vor anderthalb Jahren den Befehl zur Vergiftung Nawalnys und vor einem Jahr den Befehl zu seiner Inhaftierung gegeben hat.» Ein Millionenpublikum werde den Streifen sehen. Ein Sendedatum gibt es aber noch nicht.
SDA/AFP/aru
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