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Meinung

Kims Hexenapotheke
Huldigt unsrer Königin!

«All diese Grenzen, die da zwischen meinen Arschbacken verlaufen»: Kim de l’Horizon.
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Ich sitze auf der Grenze, once again. Nein: auf Grenzen. Wenn ich nach rechts schaue, sehe ich das Österreich. Wenn ich nach links schaue, sehe ich das Deutschland. Und ich, mein kleiner Arsch, sitze in einem roten Röckchen im Alpenhof, St. Anton, Appenzell Innerrhoden. Genauer: einer Enklave des Innerrhodischen, ein äusseres Innerrhoden, quasi. Inmitten von katholisch-reformiertem Hickhack also trinke ich Hipster-Kaffee im coolen, urbanen Alpenhof. All diese Grenzen, die da zwischen meinen Arschbacken verlaufen. All diese unterschiedlichen Reiche und Räume, die sich hier reiben, aber wie eine Wunde vernarbt sind und eine Haut bilden. Unsere Haut. 

Hier sitze ich und frage mich wieder mal, was uns ausmacht. Was uns macht. Ist es nicht genau dieses ständig Auf-Grenzen-Sitzen? Wir sind sprachlich, ethnisch von unserer Mentalität her so divers – und stolz drauf! Wir sind geografisch betrachtet nur eine kleine Kopplungsstelle zwischen Frankreich, Deutschland, Österreich und Italien. Ich glaube, Schweizer:in zu sein (whatever that means) bedeutet eben genau, Unterschiedliches, Widersprüchliches in sich zu vereinen.

Unsere Körper sind auf besondere Art und Weise Länder der Schwellen. Das Bäuerische und das Reiche. Schokoladenplantagen und Häppäräbrägu (Rösti auf Senslerdeutsch). Die Viersprachigkeit, Vieldialektheit. Das russische Geld in Zug und die Neutralität – ach neee, das ist ja kein Widerspruch, sondern hat vielleicht ein Zusammenhänglein. Der Rohstoffhandel und das Rote Kreuz. Ja, ich glaube, ich trage das Erbe würdevoll weiter, wenn ich versuche das Sich-Widersprechende in meinem Körper zu verheiraten. Meine Schweizer Identität so betrachtet macht voll hart Sinn. 

Eine zentrale Widersprüchlichkeit: unser Verhältnis zu Geld. Eine Freundin mit Migrationshintergrund zeigt mir immer wieder auf, wie sehr das Geld in meinem Körper ist. Obwohl ich nicht aus einer wohlhabenden Familie stamme, gibt es ein dumpfes Gefühl von «Es-wird-schon-irgendwie-reichen». Ich habe irgendwas studiert, was kaum Geld bringen kann, obwohl mir meine Familie ärgstens davon abriet. Irgendeinen Nebenjob werd ich schon kriegen, dachte ich. Und irgendwelche Friends haben immer irgendwelche schönen Häuser, wo du gratis Ferien machen kannst. Das gilt aber nur für Leute, die seit mindestens zwei Generationen hier sind. Menschen, die das Schweizerische noch nicht so lange im Blut haben und damit das «Es-wird-schon-irgendwie-Reichen», machen kein Kunststudium, sondern Medizin oder Jura, eine Banken- oder Informatiklehre. Weil diese unbewusste Sicherheit fehlt.

Im Widerspruch zum Fact, dass wir in einem der reichsten Länder der Welt leben, leben wir auch immer danach, nicht zu viel zu verprassen. Das Gegengefühl: «Das-läppert-sich-schon-ziemlich-zusammen». Auch jetzt, wo ich zumindest für zwei, drei Jahre Geld habe, bin ich im Alltag oft davon geleitet, dass ich «schon ein wenig aufs Geld schauen – muss? Will? Soll?».

Wir meinen, wir regieren uns selbst. Aber es ist das Geld, das uns regiert, und es sind wenige Wirtschaftsmenschen, durch die das Geld wirkt.

Ich glaube, dass der schweizerische Körper einer ist, der durchs Geld gemacht wird. Durch des Geldes GESPÜRTEN Überfluss und durch seine GEGLAUBTE Knappheit. Ja, wir werden von Widersprüchen regiert, von Widersprüchlichen. Von einer bürgerlichen Politik, die nach 2008 die Banken nicht regulieren wollte, ständig nach Selbstverantwortung kräht, aber dann doch der UBS mit einem Viertel unseres BIP den Rachen ölt, damit sie die CS schluckt. Und hier kommen wir zum grössten Widerspruch. Wir meinen, wir regieren uns selbst. Aber es ist das Geld, das uns regiert, und es sind wenige Wirtschaftsmenschen, durch die das Geld wirkt. Einer der mächtigsten derzeit ist Karin Keller-Sutter (KKS).

Schon bevor die CS überhaupt wusste, dass das eine Möglichkeit war, sprach KKS mit der UBS über eine Übernahme. Garantiert durch den Staat. Wie das finanziert wird? «Es-wird-schon-irgendwie-reichen», oder? Neinein, auch KKS weiss: «Das-läppert-sich-schon-ziemlich-zusammen». Darum möchte sie bei der AHV sparen wie auch bei Kitas, Arbeitslosen, Witwen und der Bahn. 

Wir laufen in ein neues feudalistisches Zeitalter ein. Machthungrige Politiker:innen formen mit Grosskonzernen ein neoaristokratisches System. Monopole statt Throne. 

Endlich sehen wir das wahre Gesicht des Liberalismus: Unter dem Tarnmantel des Wettbewerbs werden monopolisierende Giganten geschaffen. Die Politik mauschelt mit der Wirtschaft. Wir laufen in ein neues feudalistisches Zeitalter ein. Machthungrige Politiker:innen formen mit Grosskonzernen ein neoaristokratisches System. Monopole statt Throne. 

Meine lieben Mit-Subjekte, es ist an der Zeit. Wir leben in einer der demokratischsten Demokratien der Welt, und wir haben eine Königin im Bundeshaus. Sie hat zwar eine Schelte bekommen vom Parlament, das nicht so happy war mit all dem verprassten Steuergeld. Aber das wird sie nur anspornen, ihre Wortverdrehungen weiterzudrehen («THIS IS NO BAIL-OUT» – der Staat habe nix mit der CS-Rettung zu tun).

Hier mein dritter Hexenspruch: 

Huldigung der KKS
Oh heil Euch, grosse Schatzmeisterin
Abbauerin der Almosen
Nehmet das Ersparte von den Mageren 
Und verteilet es unter den Reichen
Lasset Euch auf Eurem Klarpfad nicht beirren von Berater*innen
Sondern führet uns an unseren Nasen
Hinein in Euer neues Regime der Reichokratie 
Denn wir wissen ja: 
ES WIRD SCHON IRGENDWIE REICHEN
(Also reich machen)

Untertänigst verbeug ich mich vor Euren Kräften
Gebannt vom Zauberspruch des Freien Sinnes
DER MARKT WIRDS REGELN

Hier sitze ich und singe Euch Lob und Huld
Ich schau nach Deutschland
Schaue nach Österreich & erkenne keine Grenzen nicht
Der Freie Sinn ist überall im Gange
Königin Keller-Sutter, wirket Eure Macht
Ich sitze hier, mit anderen Grenz-Sitzenden
Und wir sehen die Alpen, sehen die Körper, die Macht. 
Wir sehen Euch zu
Gebannt von Eurer Wortmagie
Aber wir sehen.