Auswirkungen der Corona-KriseHörbehinderte fordern Spezialmasken
Wer mit Hörbehinderten zu tun hat, soll transparente oder halb transparente Masken tragen, fordern verschiedene Verbände. Der Bundesrat müsse die Versorgung der Branchen unterstützen.

Die Mutter eines gehörlosen Sohns meldete sich vor ein paar Tagen besorgt bei Pro Audito, der Organisation für Menschen mit Hörproblemen. Ihr Sohn lese alles über die Lippen ab und habe nun Angst, dass er vieles nicht mehr mitbekomme. Denn immer mehr Leute tragen Masken, um sich vor dem Corona-Virus zu schützen, und verdecken damit die Mundpartie. Solche Zuschriften haben sich in den vergangenen Tagen bei der Organisation gehäuft. «Es darf nicht passieren, dass Menschen mit einer Schwerhörigkeit oder Hörbehinderung, Informationen nicht verstehen können», betont Georg Simmen, Präsident von Pro Audito, selber schwerhörig.
Dringlicher Appell
Zwar hat der Bundesrat am Mittwoch keine generelle Maskentragpflicht erlassen. Aber ab nächsten Montag sind viele Läden und Dienstleistungsbetriebe wieder offen. Eine der wichtigsten Auflagen des Bundes: Wer in nahen Kontakt mit Kunden kommt, soll eine Maske tragen. Deshalb richtet Pro Audito einen dringlichen Appell an Coiffeure, Physiotherapeutinnen oder Spitäler: «Alle Branchenverbände, die eine Maskentragpflicht von ihren Verbandsmitgliedern fordern, sollen einen bestimmten Anteil an transparenten oder halb transparenten Masken einsetzen.» So werde ein befriedigender Austausch mit Menschen mit einer Schwerhörigkeit oder einer Hörbehinderung ermöglicht. Und das sind viele: Laut pro Audito leiden in der Schweiz rund 1,3 Millionen Menschen unter diesen Beeinträchtigungen.
Und die meisten Spezialmasken seien nicht wesentlich teurer als die normalen Hygienemasken, betont Irene Verdegaal, Geschäftsleiterin von Pro Audito. Sie hat selber 400 solche auf dem US-amerikanischen Markt eingekauft, für 1.50 Franken das Stück. Sollten weiterhin Engpässe bei der Lieferung bestehen, fordert die Organisation den Bundesrat auf, die Branchen bei einer adäquaten Beschaffung und Verteilung zu unterstützen.
Informationen verbessert
Der Bund für Gehörlose (SGB) seinerseits arbeitet an einem Flyer, der die Spitäler dazu anhalten soll, durchsichtige Masken zu erwerben, um den barrierefreien Zugang zur Gesundheit für gehörlose Menschen sicherzustellen. Bereits kurz vor Ostern habe sich der Verband mit einem Brief an die Spitäler, die Dachorganisation der Ärzte (FMH) und die Physiotherapeuten gewendet, betont Sandrine Burger vom SGB: «Wir haben schon damals versucht, auf die Problematik des Lippenlesens hinzuweisen.»
Erfreut zeigt sich der Verband, dass inzwischen vor allem Informationen für Hörbehinderte leichter zugänglich seien. So habe etwa das Bundesamt für Gesundheit (BAG) rund ein Dutzend Videos für sie aufgeschaltet. Auch der Fernsehsender SRG übersetze inzwischen die Medienkonferenzen des Bunds in Gebärdensprache. Laut Pro Audito lasse aber die Liveuntertitelung, wovon mehr als 1,3 Millionen Schwerhöriger profitieren würde, schon längere Zeit auf sich warten.
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