82-jähriger AbenteurerEr reitet um die halbe Welt und schläft selbst im Heu
Herbert Kollmannsberger stieg einst auf den Montblanc und lief auf Ski durch die Eiswüste. Dann sattelte er das Pferd und galoppierte über 4000 Meter hohe Gipfel in Kirgistan.
Pferde waren Herbert Kollmannsberger lange nicht geheuer. Reiten lernte er erst mit 46, als er genug hatte von seinem Leben als Draufgänger. In jungen Jahren war er mit dem Rennvelo vom bayerischen Hallertau nach Chamonix gefahren, hatte den Montblanc bestiegen – und war wieder heimgestrampelt. Mit den Langlaufski kämpfte er sich durch Teile Sibiriens, er machte Wildwasserexkursionen, organisierte als Bergführer Hochtouren.
Mittlerweile ist der Deutsche 82, hoch zu Ross hat er in den letzten drei Jahrzehnten Eindrückliches erlebt. Kollmannsberger hat sich einen Namen gemacht als Reiter, der extreme Distanzen zurücklegt: Erst gewann er mehrere Wettkämpfe über 80 Kilometer, später ritt er durch Polen, Dänemark und Portugal. Durch Marokko, Norwegen und nach Südtirol. Nach Wien, Venedig, Paris. Ja sogar nach Kasachstan zog es ihn, vor drei Jahren war er in Kirgistan und China.
Geht nicht? Gibts bei ihm nicht.
Er suchte die abgelegensten Schleichwege
Nicht immer ist er von seiner Heimat in Bayern losgeritten. Durch Zentralasien beispielsweise reiste er auch nicht mit dem eigenen Pferd, «viel zu mühsam und unbequem fürs Tier wäre der Transport gewesen», sagt Kollmannsberger. Unberührte Landschaften habe er dafür gesehen in Kirgistan, prächtig und schön, über 4000 Meter hohe Gipfel sei er geritten.
Die Reisen durch Europa plante Kollmannsberger minutiös. Erst fuhr er fast alle Strecken mit dem Mountainbike ab, etwa jene nach Meran, Wien, Venedig und zum Schloss Fontainebleau nahe der französischen Kapitale. Es war ein intensives Rekognoszieren, galt es doch, abgelegene Wege zu finden. Nach Paris ritt er durch dichte Wälder, nach Venedig gar über die Alpen, da half ihm die Erfahrung als Alpinist.
Auf bis zu 50 topografischen Karten plante Kollmannsberger seine Abenteuer, er wählte Strecken abseits der Städte, die Pferde sollten sich nur wenn nötig auf Teer fortbewegen, jene Schleich- und Umwege aber kennen oft selbst die Ortskundigen nicht. Seine eigens kreierten Routen übertrug er auf ein GPS-Gerät, er konstruierte gar eine spezielle Halterung für die Satteltasche, damit er beim Reiten immer den Blick darauf richten konnte.
Die Gesundheit des Pferdes sei bei allen Plänen immer an erster Stelle gewesen, sagt Kollmannsberger, der sich Zeit nimmt, Vorwürfe von Tierschützern anzuhören, und sie zu entkräften versucht. Gerade weil er mit Tieren reiste, war exakte Planung umso bedeutender: Er suchte Reiterhöfe mit entsprechender Ausstattung, denn das Pferd sollte ordnungsgerecht geputzt und gefüttert werden.
Auf der Reise nach Paris war Kollmannsberger maximal 50 Kilometer pro Tag unterwegs, wobei er knapp ein Drittel davon zu Fuss bewältigte, um das Pferd zu schonen. Dieses trug schliesslich auch noch das rund 30 Kilo schwere Gepäck.
Als sich das Pferd verliebte
«Auf Abwegen» lautet der Titel des Buchs, das Kollmannsberger über seine vielen Abenteuer geschrieben hat, er lässt darin die Kraft der Bilder sprechen, erzählt aber auch witzige Anekdoten: etwa jene, wie sich sein russischer Vollblut-Araberhengst im Nirgendwo einer Berglandschaft in eine Stute verguckt hatte, ausbüxte und eine Zeit lang nicht mehr gesehen war. Über acht Stacheldrahtzäune war er gesprungen, er blutete stark, konnte zwei Tage später aber bereits wieder eingesetzt werden.
Die Bürokratie raubte dem Rentner hin und wieder den letzten Nerv, fürs Durchqueren bestimmter Nationalparks brauchte er Bewilligungen, auch mit Forstämtern und Landbesitzern und sogar Klosterbrüdern musste er sich arrangieren – was nicht immer reibungslos verlief. Fürs Überschreiten der Landesgrenzen wiederum ist der Equidenpass notwendig, vor der Abreise schaute in Bayern jeweils der Amtstierarzt nach dem Pferd.
Das Erlebte erzählt Kollmannsberger in Vorträgen, die Einnahmen spendet er für wohltätige Zwecke. Er selbst brauchte bei den Reisen kaum Geld, rund 15 Franken kostete im Schnitt die Übernachtungsmöglichkeit fürs Pferd, der Reiter schlief oft im Heu, ein Bett leistete er sich selten. In Kirgistan nächtigte er in Zelten, ansonsten auch mal neben Nomaden.
63 war Kollmannsberger, als er seinen Handwerksbetrieb im oberbayerischen Moosburg verkaufte und begann, in alle Himmelsrichtungen zu reiten. Dann und wann war er in kleinen Gruppen unterwegs, meistens aber blieb er für sich, nur er und das Pferd, die Beziehung zum Tier ist entsprechend eng. Passiert ist fast nie etwas, nur kurz vor Paris wurde er einmal abgeworfen. Die Schmerzen waren heftig.
Meran heisst sein Pferd, mit dem er an so viele Flecken dieser Welt geritten ist. 31 ist es mittlerweile und im Ruhestand, «es geht nur noch raus auf die Weide», sagt Kollmannsberger. Auch er selbst nimmt es ruhiger, die Abenteuer sucht er nicht mehr ausser Landes. Er sagt: «Ich war lange genug verrückt.»
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