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Sperrung des Grundbucheintrags
«Grüezi, Sie kennen mich nicht, aber …»: Was Hausbesitzende gegen Anrufe wildfremder Investoren tun können

Besorgte ältere Frau mit kurzem grauem Haar telefoniert in einem Wohnzimmer.
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In Kürze:
  • Die elektronische Dateneinsicht auf Wohnhäuser kann an manchen Orten gesperrt werden, um Datenmissbrauch zu verhindern.
  • Makler und Investoren versuchen womöglich systematisch, Immobilien von älteren Besitzerinnen aufzukaufen.
  • Die Sperrung des Grundbucheintrags soll vermögende und vulnerable Einzelpersonen schützen.

Martin Steiger liess die elektronische Dateneinsicht zu seinem Wohnhaus sperren, sobald dies möglich war. Also letzten Monat. Das Risiko sei zu gross, dass professionelle Datensammler sich bedienten, begründete der bekannte Anwalt für Recht im digitalen Raum in der NZZ seinen Entschluss.

Tatsächlich ermöglicht das digitale Grundbuch missbräuchliche Massenabfragen von Eigentümerdaten und öffnet Datenhändlern, Werberinnen und auch Betrügern den Weg zu halbwegs vermögenden und womöglich vulnerablen Einzelpersonen. Auch in Basel habe man die Zugriffsmöglichkeiten aufs digitale Grundbuch beschränkt, nachdem die Behörden stark erhöhte Zugriffszahlen aus dem Ausland festgestellt hätten, schreibt das Newsportal «Tsüri». Allerdings gingen in Zürich bisher erst relativ wenig Sperranträge ein – und das praktisch nur von Privatleuten, nicht von Immobilienkonzernen.

Viele Akteure versuchen, das letzte Stück Boden zu ergattern

Dies könnte mit genau solchen systematischen Abfragen zu tun haben. Denn grosse und kleinere Immobiliengesellschaften, Makler, Architekturbüros, sie alle versuchen offenbar mit wachsendem Nachdruck, Privatpersonen in attraktiven Städten das letzte Stückchen Grund und Boden abzuluchsen. Das bestätigen mehrere Hausbesitzerinnen. Ist es Zufall, dass es sich dabei stets um nicht mehr ganz junge Frauen handelt, Menschen, die im Alter durch eine Hypothek, statistisch gesehen, rascher in eine Wohnsackgasse geraten können und sich allenfalls leichter verängstigen lassen?

Eine mit der Autorin befreundete Hausbesitzerin hat in einer grossen Schweizer Stadt ein Mehrfamilienhaus mit Garten, aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Es ist nicht schön, nicht speziell, nicht historisch, nicht zentral, ohne Blick aufs Wasser, an keiner privilegierten Adresse. Also nichts Tolles. Aber eben ihres, und sie wohnt dort seit Jahrzehnten. Sie hat eine Menge reingesteckt, Nerven, Geld, Herzblut. Hat saniert, umgebaut, geträumt und es als Erbe für ihren Nachwuchs instand gehalten. Dieser ist in dem Haus aufgewachsen; eines ihrer Kinder liegt auf dem nahe gelegenen Friedhof begraben. Kurz: Sie will da nicht weg.

Website des Notariats Kanton Zürich zur elektronischen Eigentümerauskunft mit Navigationsmenü und Formularansicht.

Darum hat sie das Haus auch nie irgendwo inseriert. Trotzdem erreichen sie regelmässig persönlich adressierte Briefe von Maklern, die ihre Dienste anpreisen («vor einem Monat haben wir ein Haus in Ihrer Strasse erfolgreich verkauft» samt Foto). Nicht überrascht war sie auch vom Übernahmeangebot jener Pensionskassen-Stiftung, die nebenan gerade ähnliche Mehrfamilienhäuser mit günstigen Mietwohnungen abgerissen hat und nun ein einziges wuchtiges Teil mit deutlich schickerem Wohnraum hochgezogen hat – ein ausuferndes Gebäude, von dem der zuständige Architekt sagt: «In 30 Jahren wird das wieder ersetzt durch etwas Neues.»

Dass aber selbst wildfremde Investoren die Frau extra herausgesucht haben, um sie mit Kaufangeboten einzudecken, empfindet sie als ein bisschen unheimlich. «Wir würden Ihnen auch nur das Dach abkaufen», bot einer neulich gar als Alternative zum kompletten Hauskauf an. Klar, dass er dabei auf einen invasiven Totalausbau des Dachraums und die Vermietung von Wohnungen direkt über ihrem Kopf schielte.

In einem anderen Brief hiess es: «Wir sind eine Familie mit einem kleinen, menschlichen, nachhaltigen Immobilienportfolio. Wenn Sie das Haus an uns verkaufen, erhalten Sie dort selbstverständlich bis zum Lebensende ein Wohnrecht und sind gleichzeitig befreit von allen administrativen und sonstigen Aufgaben rund ums Haus.» – «Da schmecke ich ja grad das Arsen in meinem Kaffee», kommentierte die Frau diese Spekulation auf ihr baldiges Ableben, die sich für sie so übergriffig anfühlte, dass sie Herzklopfen bekam. Das klinge arg nach Wolf im Schafspelz, und Berichte über schiefgelaufene Wohnrechtsdeals gebe es genug.

Das Ziel heisst Ersatzneubau

Jammern auf hohem Niveau? Schon. Aber es zeigt auch, wie wichtig der digitale Datenschutz sein kann, trotz der dadurch etwas eingeschränkten Transparenz (per Telefon oder persönlich sind Eigentümer-Abfragen weiterhin möglich). Das wahre Ziel potenzieller Häuseraufkäufer ist sowieso das Grundstück: Das Daheim der zitierten Hausbesitzerin würde, so schnell es geht, einem Ersatzneubau weichen, allen samtigen Worten über das angeblich hübsche Haus zum Trotz. Letzte Woche schliesslich klingelte bei ihr das Handy, dessen Nummer nicht öffentlich ist. Und das Gespräch, das das Fass zum Überlaufen brachte, lief wohl in etwa so ab:

– «Ja?»

– «Grüezi, hier ist Samuel Wenger (Name geändert). Sie kennen mich noch nicht. Ich bin Architekt und bin gerade zufällig an Ihrem schönen Haus vorbeispaziert und …»

– «Stopp! Nein, ich will nicht verkaufen. Und ich finde es schon etwas grenzwertig, dass ich wegen so etwas einfach so auf dieser Nummer angerufen werde. Tut mir leid, dass Sie das jetzt abkriegen, aber das geht wirklich zu weit.»

– «Aber wieso denn? Wie soll ich Ihnen denn sonst kundtun, dass ich an Ihrem Haus Interesse habe?»

– «Wie wäre es, wenn es unbedingt sein muss, mit einem Brief, den man einfach wegwerfen kann wie die Briefe der anderen Kaufinteressenten auch?»

– «Wenn ich auf der Strasse eine schöne junge Frau sehe, muss ich es ihr ja auch gleich sagen, sonst weiss sie gar nicht, dass ich interessiert bin, oder? Und jetzt habe ich eben Ihr Haus gesehen …»

– «Ernsthaft? Sie machen das so bei jungen Frauen auf der Strasse? Langsam reden Sie sich in Teufels Küche.»

– «Warum? Sie haben Ihr Haus doch auch irgendwie gekauft.»

– «Wir haben uns damals auf das Inserat von jemandem gemeldet, der sein Haus verkaufen wollte, und nicht ungebeten Privatleute angerufen, deren Haus uns ‹zufällig› gefallen hat. Wenn Sie ein cooles Auto auf der Strasse sehen oder ein süsses Baby im Kinderwagen, fragen Sie dann auch gleich nach, ob Sie sich das holen können? So ein eigenes Zuhause ist ja fast wie ein Baby. Woher hatten Sie überhaupt die persönliche Nummer?»

– «Wer sucht, der findet.»

Schon deshalb sollten die Daten nicht ganz so leicht zu finden sein.