Gewalttätige Ausschreitungen Rechtsextreme randalieren in Grossbritannien – über 90 Festnahmen
In mehreren Städten sind britische Ultranationalisten bei gewalttätigen Demonstrationen mit der Polizei zusammengetroffen. Mehrere Polizisten wurden verletzt, es kam zu grossen Sachbeschädigungen.
In Grossbritannien haben sich die Proteste rechtsradikaler Gruppen infolge eines tödlichen Messerangriffs auf Kinder zu den gewaltsamsten Ausschreitungen seit rund 13 Jahren ausgeweitet. Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, gab es am Wochenende bei Kundgebungen in zahlreichen Städten mehr als 90 Festnahmen. Immer wieder gab es gewaltsame Zusammenstösse zwischen Protestierenden und Polizisten. Die britische Regierung kündigte ein hartes Vorgehen gegen die Randalierer an.
Am Samstag kam es unter anderem in Liverpool, Hull, Leeds und im nordirischen Belfast zu Protesten. In einigen Fällen warfen Demonstranten Ziegelsteine, Flaschen und Leuchtraketen auf die Polizei – wobei mehrere Beamte verletzt wurden. Unter den Rufen islamfeindlicher Parolen plünderten Randalierer Läden und brannten diese nieder. Immer wieder kam es auch zu Zusammenstössen mit Teilnehmern von Gegendemonstrationen.
Reaktion auf tödlichen Angriff eines 17-Jährigen auf Kinder
Hintergrund der Gewaltausbrüche ist der Messerangriff eines 17-Jährigen in der nahe Liverpool gelegenen Küstenstadt Southport, bei dem am vergangenen Montag drei Kinder getötet und acht weitere sowie zwei Erwachsene verletzt wurden. Dabei drang der Verdächtige in ein Gebäude ein, in dem gerade ein Kinderferientanzkurs zur Musik von US-Star Taylor Swift stattfand.
Der Angriff erschütterte Grossbritannien. Im Internet kursierten zudem schnell Spekulationen und Falschinformationen über den Hintergrund des Verdächtigen, dessen Familie der BBC zufolge aus Ruanda stammt.
Bereits unmittelbar nach der Tat randalierten in Southport rund hundert Rechtsextreme. Sie griffen unter anderem eine Moschee an. Später kam es in weiteren Städten zu Ausschreitungen. Nach teils gewaltsamen Protesten am Amtssitz von Premierminister Keir Starmer in der Londoner Downing Street wurden 111 Menschen festgenommen. Hunderte Moscheen in Grossbritannien verschärften ihre Sicherheitsmassnahmen.
Die Polizei machte Anhänger der sogenannten English Defence League, einer vor 15 Jahren gegründeten Anti-Islam-Organisation mit Verbindungen in die Hooligan-Szene, für die Gewalt verantwortlich. Unter dem Motto «Genug ist genug» wurde auf rechtsextremen Kanälen in Onlinemedien für die Kundgebungen geworben. Bei den Veranstaltungen selbst schwenkten Menschen die britische und englische Flagge und skandierten Slogans wie «Stoppt die Boote» – eine Anspielung auf Migranten, die illegal über den Ärmelkanal nach Grossbritannien kommen.
Antifaschistische Kundgebungen in mehreren Städten
In zahlreichen Städten organisierten Menschen antifaschistische Gegenkundgebungen. In Leeds zogen die Demonstranten etwa mit Rufen, wie «Nazi-Abschaum raus aus unseren Strassen» durch die Stadt.
Es handelt sich um die schlimmsten Ausschreitungen seit Protesten im Jahr 2011, nachdem der schwarze Familienvater Mark Duggan im Norden Londons von der Polizei erschossen worden war. «Wir hatten schon früher Unruhen und Zusammenstösse dieser Art, aber sie waren auf bestimmte Gegenden des Landes beschränkt», sagte Tiffany Lynch vom Polizeiverband für England und Wales der BBC. Die aktuellen Ausschreitungen breiteten sich jedoch über die grossen Städte aus.
Die britische Regierung erklärte, der Polizei «alle erforderlichen Mittel» zur Verfügung zu stellen. Das ganze Justizsystem sei bereit, «so schnell wie möglich Verurteilungen zu erlassen», sagte Justizministerin Shabana Mahmood. Die für die Polizei zuständige Ministerin, Diana Johnson, sagte am Sonntag dem Sender BBC News, die Ausschreitungen würden «nicht toleriert», stattdessen werde es «Strafen und Konsequenzen» geben. Die Regierung werde alles tun, was nötig sei, um die Randalierer vor Gericht zu stellen.
Erste politische Krise von Keir Starmer
Für Premierminister Keir Starmer stellen die Ausschreitungen nur einen Monat nach seinem Amtsantritt die erste politische Krise dar – umso mehr, weil seiner Labour-Partei im Wahlkampf immer wieder vorgeworfen wurde, in Einwanderungsfragen zu lax zu sein. Nach einem Krisentreffen mit Mitgliedern seines Kabinetts sagte Starmer am Samstag, es gebe «keine Rechtfertigung für Gewalt». Die Regierung unterstütze die Polizei dabei, alle nötigen Vorkehrungen zu treffen, um «unsere Strassen sicher zu halten», hiess es.
Bereits zuvor hatte er sich deutlich hinter die Sicherheitskräfte gestellt und sich gegen den «rechtsextremen Hass» ausgesprochen.
Allerdings wurde auch Kritik an der Regierung laut: Im Onlinedienst X schrieb die konservative Ex-Innenministerin Priti Patel, die Regierung laufe Gefahr, «von den Ereignissen mitgerissen zu werden, anstatt sie unter Kontrolle zu halten». Die einwanderungsfeindliche Partei Reform UK warf Labour vor, «lasch gegenüber Kriminellen» zu sein.
AFP/aeg
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