Illegale PushbacksGriechische Küstenwache setzt Familien auf offener See aus
Videoaufnahmen der «New York Times» belegen zweifelsfrei, wie griechische Behörden Geflüchtete auf Lesbos zurück in türkische Gewässer abschieben. Darunter sind auch Kinder und ein Baby.
Seit Jahren werfen Menschenrechtsorganisationen Griechenland vor, Geflüchtete illegal wieder ausser Landes zu schaffen. Die griechischen Behörden streiten das ab, handfeste Beweise fehlen häufig. Die «New York Times» hat nun aber Videos veröffentlicht, die praktisch lückenlos belegen, wie die griechische Küstenwache Migrantinnen und Migranten zurück in türkische Gewässer verfrachtet.
Die Aufnahmen stammen vom österreichischen Menschenrechtsaktivisten Fayad Mulla und wurden vom US-Medium verifiziert. Mulla filmte am 11. April, wie auf der griechischen Insel Lesbos maskierte Männer zwölf Flüchtlinge aus einem weissen Lieferwagen holen, darunter Männer, Frauen, sechs Kinder und ein Säugling. Sie bringen sie auf ein Boot der griechischen Küstenwache, welche die Geflüchteten bis an die türkischen Meeresgrenze fährt. Dort setzen die Beamten sie in ein aufblasbares Floss und lassen sie in die türkischen Gewässer treiben. Das Floss verfügt über keine Motoren und kann nicht gesteuert werden. Später werden die Geflüchteten von der türkischen Küstenwache gerettet.
Die «New York Times» konnte elf der zwölf Personen daraufhin in einer türkischen Haftanstalt ausfindig machen. Sie stammen aus Somalia, Eritrea und Äthiopien und erzählten unabhängig voneinander dieselbe Geschichte. Sie alle waren mit Schlauchbooten aus der Türkei nach Griechenland gekommen. Dort seien sie von den maskierten Männern aufgegriffen worden. Diese hätten sich zuerst als Mitarbeiter von Ärzten ohne Grenzen ausgegeben, ihnen dann jedoch alle Wertgegenstände abgenommen und sie gezwungen, in den Lieferwagen zu steigen.
«Ich glaubte nicht, dass wir diesen Tag überleben würden. Als sie uns auf das aufblasbare Floss setzten, taten sie das ohne jegliche Gnade», sagte die 27-jährige Naima Hassan Aden aus Somalia gegenüber der NYT. Die Somalierin hoffte, in Europa eine Existenz für sich und ihr sechsmonatiges Baby aufbauen zu können. Gemeinsam mit acht anderen der auf dem Meer ausgesetzten Migrantinnen und Migranten wartet sie nun auf einen Entscheid der türkischen Behörden – was laut einem türkischen Anwalt jedoch Monate dauern kann.
EU-Beamte sind «besorgt»
Die griechischen Behörden wollten die Videoaufnahmen gegenüber der «New York Times» nicht kommentieren. Drei hohe Beamte der Europäischen Kommission in Brüssel zeigten sich gegenüber der Zeitung «besorgt» über das Filmmaterial. Sie würden dieses prüfen und die Angelegenheit mit den griechischen Behörden besprechen.
Laut der Europäischen Menschenrechtskonvention, die auch Griechenland unterzeichnet hat, haben alle Menschen das Recht darauf, ein Asylgesuch zu stellen. Ausserdem ist es verboten, Personen als Kollektiv auszuweisen, da jedes Asylgesuch individuell behandelt werden muss. Werden Asylsuchende gleich nach ihrer Ankunft wieder ausser Landes geschafft, wird gegen dieses Recht verstossen.
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