Grammy AwardsMänner sind hier nur zu Gast
Wenn die Grammy Awards eines gezeigt haben, dann dies: Es ist die Welt von Taylor, SZA, Billie, Miley, Lana, Lizzo, Lainey, Dua, Olivia, Beyoncé, Mariah und Celine. Es ist die Welt der Frauen.
Es war 18.32 Uhr, als Taylor Swift dafür sorgte, dass bei Millionen Menschen der Herzschlag aussetzte und sie kurz den Atem anhielten. Ja, sei ja schön und gut, dass sie diesen Grammy Award für das beste Pop-Album gewonnen habe, und ja, sie danke der Akademie auch herzlich dafür – aber es gehe bei Musik doch um die Fans. Denen wolle sie jetzt etwas schenken: ein neues Album, am 19. April soll es erscheinen, «The Tortured Poets Department». «Ich werde das Cover gleich posten», sagte sie, und um die Dimensionen zu verstehen, in denen das passiert: 30 Minuten danach hatten mehr als fünf Millionen Leute dieses Bild auf Instagram mit einem Like-Herzchen versehen.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Erinnert sich noch jemand an den Typen, der bei einer Award-Show die Bühne stürmte und Swift für ihren Sieg dissen wollte? Nein? Stimmt, lange her. Die Welt hat sich seitdem verändert. Es ist nun die Welt von Taylor Swift, alle anderen leben nur darin; und als hätte es noch einen weiteren Beweis gebraucht: Sie gewann mit «Midnights» in der Kategorie «Album des Jahres» zum vierten Mal in ihrer Karriere, häufiger als jede andere Person. Dreimal haben gewonnen: Frank Sinatra, Stevie Wonder, Paul Simon. Swift schwebt von nun an in ihrer eigenen Sphäre.
Es ist aber auch die Welt von SZA; der Künstlerin, deren Stimme so klingt, als würde man Karamellsosse über Softeis kippen. Sie gewann insgesamt drei Trophäen, darunter den für das beste R’n’B-Lied. Es ist die Welt von Billie Eilish, deren Lied «What Was I Made For?» aus dem Barbie-Film als bester Song des Jahres ausgezeichnet wurde.
Es ist die Welt von Miley Cyrus, die für «Flowers» den Award als beste Pop-Künstlerin bekam, diesen Song kurz darauf zum ersten dritten Mal live aufführte, zum ersten Mal im TV, und darüber sagte: «Für wen ich das mache? Für mich! Ich will am 5. Februar aufwachen und gucken, wie ich bei den Grammys aufgetreten bin!» Als sie dann noch für Best Record ausgezeichnet wurde, stellte sie klar, dass sie sich freue; aber: «Mein Leben war gestern auch schon schön.» Sie kam rüber wie jemand, die mal ein bisschen Sass auf die Welt streuseln und quasi nebenbei ein paar Awards abholen wollte: «Ich hoffe, ich habe jetzt nichts und niemanden vergessen. Na ja, Unterwäsche vielleicht.»
Es ist die Welt von Taylor, SZA, Billie, Miley – Leute, bei denen allein der Vor- oder Spitzname reicht, sie eindeutig zu identifizieren. Es ist die Welt von Mariah und Celine, beide auf der Bühne, um Trophäen zu verleihen. Es ist die Welt von Beyoncé, mit 32 Awards die meistdekorierte Künstlerin der Geschichte – aber noch ohne Trophäe fürs beste Album. Ein grober Fehler in der Award-Matrix (oder Hinweis darauf, wie unsinnig solche Awards sind, wenn man mal darüber nachdenkt), auf den Beyoncés Ehemann Jay-Z nach seiner Auszeichnung für seine Verdienste um die Musikindustrie hinweisen musste: «Wenn ich nervös bin, sage ich die Wahrheit.» Natürlich ging es dabei um Rassismus bei Awards, Jay-Z sprach auch über sich und das Duo Will Smith / Jazzy Jeff, deren Ehrung 1989 nicht im TV gezeigt wurde – aber es ging eben auch um Beyoncé.
Deren Blick wandelte sich von stolzer Partnerin zu dem von Jada Pinkett Smith, nachdem Ehemann Will geglaubt hatte, bei den Oscars 2022 auf einen geschmacklosen Witz über seine Frau mit einer Ohrfeige reagieren zu müssen. Der Blick, damals von Jada, nun von Beyoncé: Warum ist etwas, das mich betrifft, jetzt dein Martyrium? Und nur, damit keine Gender-Ungenauigkeit auf Deutsch passiert, im Englischen sagt man ja einfach «Artist»: Beyoncé ist die über Geschlechter hinweg meistdekorierte Person der Grammy-Geschichte.
Männer sind nur zu Gast
Es ist die Welt von Beyoncé und Taylor, von Lana, Lizzo und Lainey, von Dua und Olivia (beide mit grandiosen Auftritten: Lipa zu Beginn, Rodrigo später mit «Vampire»). Es ist die Welt von Frauen, wie Moderator Trevor Noah gleich zu Beginn des Abends feststellte, als einige Promis – Swift und Schauspiel-Legende Meryl Streep etwa – noch im Regen-Verkehr von Los Angeles steckten: «Sieben von acht Nominierten fürs beste Album sind Frauen. Sie haben dieses Jahr dominiert.» Und es kam gleich noch eine neue hin zu, deren Welt es nun auch ist. Victoria Monét wurde als beste neue Künstlerin ausgezeichnet und sagte: «Man kann diese Industrie für schmutzig halten – oder aber als Nährboden für einen Traum.»
Männer sind nur zu Gast in dieser Welt, in Liedern (Justin Bieber zum Beispiel in SZAs «Snooze»), an diesem Abend. Es war auffällig, dass die meisten der männlichen Live-Peformer, allesamt Legenden freilich, in etwa so alt sind wie diese Verleihung: U2 waren live zugeschaltet aus The Sphere in Las Vegas, Stevie Wonder sang das In Memoriam auf die Verstorbenen, Billy Joel präsentierte seinen ersten neuen Song in mehr als 30 Jahren: «Turn the lights back on.» Nein, das war kein Hinweis darauf, dass diese Männer alt seien; die Grammys sind jung; oder wie Noah sagte: «66 Jahre, deutlich jünger als der künftige Präsident der USA.»
Die Verkohlung der beiden wahrscheinlichen Kandidaten war einer von nur drei politischen Momenten an diesem Abend. Die anderen: Annie Lennox rief nach ihrem Tribut auf Sinnead O’Connor (sie sang eine fantastische Version von «Nothing Compares to You») zu «Waffenstillstand und Frieden» auf. Academy-Chef Harvey Mason jr. sagte, dass «Musik ein sicherer Ort» sein müsse. Er erwähnte Festivals, auf denen Leute gestorben sind; jenes 2017 in Las Vegas oder Tribe of Nova im Oktober in Israel. Es folgte der Auftritt eines Streichquartetts mit israelischen, palästinensischen und arabischen Künstlern.
Es war nicht der Abend für Politik. Es war auch nicht der Abend für Skandale, auch wenn Rapper Killer Mike in der Arena in Los Angeles nach Handgreiflichkeiten verhaftet (und wieder freigelassen) wurde. Es war der Abend von Taylor, SZA, Billie, Miley, Lana, Lizzo, Lainey, Dua, Olivia, Mariah, Beyoncé und Celine.
Fehler gefunden?Jetzt melden.