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Vorwürfe gegen Ex-Kirchen-Präsident
Gottfried Lochers Übergriffe bestätigt

Gottfried Locher, ehemaliger Präsident der Evangelischen Kirche Schweiz.
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Der abrupte Rücktritt Gottfried Lochers als Präsident der Evangelischen Kirche Schweiz (EKS) liegt über ein Jahr zurück. Der Grund blieb nebulös. Man wusste lediglich, dass eine ehemalige Angestellte ihm in einer Beschwerde Grenzverletzungen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses vorwarf.

Jetzt bestätigt ein vom Parlament der EKS in Auftrag gegebener 30-seitiger Untersuchungsbericht, dass die Vorwürfe der Beschwerdeführerin gegen Locher «glaubwürdig und berechtigt» seien. Durch sexuelle Belästigung und Eingriffe in die geistige Integrität sei sie in ihrer Persönlichkeit verletzt worden. Ein Teil der «Verletzungen der sexuellen, psychischen und spirituellen Integrität» habe im Rahmen des Anstellungsverhältnisses stattgefunden. Locher habe Geschäftliches und Privates nicht getrennt. Obendrein sei seine «unkooperative Haltung» beim Krisenmanagement weder akzeptabel noch professionell: «Er hat in seiner Fürsorgepflicht versagt, und seine Einschüchterung des Rates ist eines Präsidenten einer kirchlichen Institution unwürdig.»

Locher nicht kontaktiert

Das Kirchenparlament hatte letztes Jahr die Zürcher Anwaltskanzlei Rudin Cantieni mit der rechtlichen Untersuchung der Vorwürfe beauftragt. Gestützt darauf verfasste eine kircheninterne Untersuchungskommission den Bericht. Deren Präsidentin, Marie Claude Ischer, betonte am Mittwoch vor den Medien, es handle sich nicht um eine strafrechtliche, sondern eine administrative Untersuchung. Locher, der die Vorwürfe stets bestritt, habe alle Appelle und Anrufe der Kanzlei unbeantwortet gelassen. Die Untersuchungskommission selber indessen habe nicht mehr versucht, ihn zu kontaktieren, bestätigte Ischer.

Während der letztjährigen Krise hiess es auch, der EKS-Rat, die Exekutive, habe nicht angemessen reagiert, ja Fakten vertuscht. Auch dieser Vorwurf wurde untersucht – mit ambivalentem Ergebnis. Die Kommission stellt fest, dass der Rat im Umgang mit der Beschwerde umsichtig gehandelt habe, gestützt auf die damals geltenden Regeln. Handkehrum heisst es, der Rat habe «unter einer Aussenperspektive nicht optimal gehandelt» und mangelhaft kommuniziert.

Insbesondere Pfarrerin Sabine Brändlin, die damals im EKS-Rat für das Thema Beschwerde zuständig war, habe es an Transparenz fehlen lassen. Sie selber hatte ein intimes Verhältnis mit Locher und trat, erst Wochen nachdem sie sich der Beschwerde angenommen hatte, aus der Exekutive zurück.

Nicht im Bericht steht, was letztes Jahr Ratsmitglied Ulrich Knöpfel publik machte: Hätte man von der Beziehung zwischen Locher und Brändlin gewusst, wären beide 2018 nicht mehr in den Rat gewählt worden. Unter vorgehaltener Hand heisst es jedoch, man habe im Rat sehr wohl um das brisante Verhältnis gewusst.

Und die weiteren Belästigten?

Auch geht der Bericht kaum darauf ein, dass letztes Jahr insgesamt sieben Frauen Locher psychische und sexuelle Grenzverletzungen im kirchlichen Umfeld vorwarfen. Sie wandten sich über kirchenleitende Personen an die Medien. Die Frauen seien dann aber nur zum Teil und meist anonym an die eigens eingerichtete Meldestelle der EKS gelangt, hiess es am Mittwoch vor den Medien.

Rund 400’000 Franken hat der Skandal die EKS bisher gekostet. Die Aufwendungen für Lochers Abgang sind darin nicht enthalten.

Der Bericht listet zahlreiche Massnahmen auf, welche die EKS im Nachgang der Krise umsetzen soll: ein Konzept für Krisenmanagement und Krisenkommunikation, einen Ethikkodex, zwei externe Ombudsstellen oder Weiterbildungen in Sachen Mobbing.

Lochers Nachfolgerin, die Zürcher Pfarrerin Rita Famos, zeigte sich vor den Medien erleichtert über die Untersuchung. Beschwerden sollten in der EKS nicht vertuscht, sondern professionell aufgearbeitet werden. Famos hatte bereits 2018 als Präsidentin gegen Locher kandidiert. Ihre Kandidatur wurde von Locher-Getreuen aber mit einer Art feministischem Komplott in Verbindung gebracht.