Suchmaschinen-Chef im Interview«Die Leute müssen lernen, dass es nicht nur Google gibt»
Nach dem Monopol-Urteil gegen Google erklärt Andreas Wiebe, Chef der Suchmaschine Swisscows, wie der Konzern die Kleinen drangsaliert und uns alle beeinflusst.
Ein US-Bundesgericht hat Google Anfang Woche schuldig gesprochen, mit seiner Suchmaschine eine illegale Monopolbildung betrieben zu haben. Der Technologieriese habe den Wettbewerb abgewürgt, indem er Milliarden Dollar bezahlte, damit seine Suche standardmässig auf Handys und in Internetbrowsern erscheint.
Andreas Wiebe betreibt die alternative Suchmaschine Swisscows. Der Techunternehmer und Fachmann für künstliche Intelligenz (KI) erklärt, warum das Urteil wichtig ist – und warum es dennoch lange dauern wird, bis die Folgen auch wirklich spürbar sein werden.
Andreas Wiebe, freut Sie der Richterspruch aus den USA?
Er freut mich sehr, weil wir Kleineren dadurch die Möglichkeit bekommen, ebenfalls sichtbar zu werden. Bisher hat Google alle überboten. Wenn Google zum Beispiel bei Apple als Standardsuchmaschine im Safari-Browser erscheinen wollte, konnte ich mit meinem Schweizer Unternehmen einpacken. Jetzt geht es endlich in Richtung Gleichberechtigung.
Selbst grösseren Konkurrenten wie DuckDuckGo ist es nicht gelungen, das Google-Monopol auch nur zu ritzen. Gelingt das jetzt dem US-Gericht?
Das wird schwierig sein. Google ist ja längst nicht mehr einfach eine Suchmaschine, sondern verdient sein Geld mittlerweile mit Beratung. Konzerne und Regierungen können zu Google kommen und sagen: Wir wollen dieses Thema positionieren – was kostet das?
Haben Sie ein Beispiel?
Vor ein paar Jahren hielt ich einen Vortrag im Deutschen Bundestag zur Bedrohung der Demokratie durch Google, Facebook und Co, bei dem Abgeordnete aus 17 Staaten zugeschaltet waren. Da hat sich der Vertreter eines osteuropäischen Eurolandes gemeldet und berichtet, wie die Opposition in seinem Land immer stärker wurde. Google hat die Unruhen beendet, indem regimekritische Informationen nicht mehr in der Suchmaschine erschienen sind. Das Volk konnte sich diese nicht holen – und dann war Ruhe. So hat Google die öffentliche Meinung manipuliert.
Sie kritisieren nicht so sehr das Monopol der Google-Suchmaschine, sondern den Einfluss, den Google damit ausübt?
Die Suchmaschine ist letztlich das Werkzeug. Google hat Tausende von Firmen, seien es Onlineshops, Marketing- oder Werbeunternehmen, die es als Kanäle benutzt, um Informationen zu verteilen oder zu stoppen und so Menschen zu beeinflussen. Deswegen verstehe ich sehr gut, dass ein US-Gericht zum Schluss kommt, das sei ein unzulässiges Monopol. Jeder und jede von uns ist entweder auf iOS oder auf Android – aber überall ist Google drin.
Google hat über 180’000 Mitarbeitende weltweit und 8,5 Milliarden Suchanfragen pro Tag – wie viele hat die von Ihnen vor zehn Jahren geschaffene Suchmaschine Swisscows?
Wir wissen es nicht genau, denn wir haben keine Daten von den Usern. Aber wir gehen von etwa 25 bis 28 Millionen Suchanfragen pro Monat aus. Die Anzahl der Mitarbeitenden geben wir nicht bekannt.
Sind Sie nicht einfach nur neidisch, weil Ihre Suchmaschine sehr viel kleiner ist als Google?
Genau aus diesem Grund kann ich gar nicht neidisch sein. Neidisch kann ich nur sein, wenn jemand, der mit mir auf Augenhöhe ist, bessere Ergebnisse erzielt. Bei Google ist das eben nicht der Fall. Ich fühle mich aber unterdrückt, genauso wie tausend andere – das schon. Weil Google ein dermassen grosser Konzern ist, hat er die Möglichkeit, uns Kleinere zu unterdrücken.
Noch ist das Urteil nicht rechtsgültig, Google hat Berufung angekündigt. Was, wenn es hält: Werden die Suchanfragen auf Swisscows dann explodieren?
Ich denke nicht, dass das schnell geschehen wird. Letztlich geht es darum, dass es bei den Menschen ankommt. Die Leute müssen lernen, dass es nicht nur Google gibt, sondern auch eine Alternative. Das ist ein langer Prozess.
«Ich habe die Freiheit, eine Suchmaschine zu machen, die niemanden überwacht.»
Nachdem DuckDuckGo vor ein paar Jahren in Verruf geraten ist, haben Sie aber viele neue User aus den USA bekommen?
Sehr viele. Damals wurde publik, dass DuckDuckGo die User überwacht. Auf Twitter lief deswegen ein riesiger Shitstorm. Und die Menschen waren ja nicht auf DuckDuckGo, weil es eine besonders gute Suchmaschine wäre. Sondern weil sie eine Suchmaschine wollten, auf der ihre Daten sicher sind und die sie nicht überwacht. Als bekannt wurde, dass DuckDuckGo dasselbe tut wie Google, war die Enttäuschung gross. Bis jemand sagte, er nutze die Suchmaschine aus der Schweiz, bei der seien seine Daten sicher. Da kamen viele Amerikaner zu uns – und sie tun es bis heute.
Erwarten Sie nach dem US-Urteil eine viel breitere Absetzbewegung von Google zu Swisscows?
Davon bin ich überzeugt. Es wird sich herumsprechen, dass wir nicht verpflichtet sind, für unsere Aktionäre gute Zahlen zu schreiben. Wir sind nicht börsenkotiert. Also habe ich die Freiheit, eine Suchmaschine zu machen, die niemanden überwacht, keine Pornografie und keine Gewalt liefert. Die Grossen und auch DuckDuckGo sind alle von ihren Aktionären oder von der Börse getrieben – die müssen liefern. Da geschieht es halt, dass man plötzlich das Credo aufgibt.
Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis Sie den gleichen Fehler machen wie Google und Ihr Credo aufgeben, weil Sie zu gross geworden sind?
Nein, denn dazu müssten wir gierig werden und an die Börse gehen. Das wollen wir nicht; uns reicht, was wir haben.
Vor ein paar Jahren haben Sie aber einen Börsengang geplant, diesen jedoch wegen der Pandemie abgebrochen. Ist das wirklich kein Thema?
Das ist bei uns definitiv kein Thema mehr. Stattdessen haben wir Partizipanten: Inhaber von Anteilen, die aber anders als Aktionäre keine Stimmrechte haben und unsere Strategie nicht beeinflussen können.
Wenn Ihre Suchmaschine populärer wird, werden Sie vermutlich mehr Werbung verkaufen können?
Mag sein, aber nicht so, wie Google es tut. Google platziert vorzugsweise Werbung von Firmen, an denen Google selber beteiligt ist.
Kommt das Urteil nicht zu spät, da abzusehen ist, dass künstliche Intelligenz wie Chat-GPT traditionelle Suchmaschinen ohnehin überflüssig machen wird?
Nein, das ist eine völlig falsche Sichtweise. Mit der KI ist es wie mit der Intelligenz von uns Menschen: Jedes Mal, wenn wir über etwas nachdenken, suchen wir im Kopf nach den richtigen Argumenten. Dieser Suchprozess ist immer auf bestehenden Informationen aufgebaut, die wir angesammelt haben. Die Oberflächen der Suchmaschinen werden sich vielleicht verändern. Aber den Aspekt der Suche werden sie niemals verlieren. Chat-GPT wird Google nicht ablösen.
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