Einsatz von Pflanzenschutzmitteln Glyphosat wird zunehmend unbeliebter
Die Pestizidverkäufe gehen zurück. Doch ob die Landwirtschaft die vorgegebenen Ziele erreichen kann, bleibt offen.
Der Abwärtstrend geht weiter. Auch letztes Jahr ist die Menge der verkauften Pflanzenschutzmittel rückläufig gewesen, gegenüber dem Vorjahr sank sie auf 1930 Tonnen, ein Minus von 23 Tonnen. Die Landwirte greifen zudem zunehmend auf Biomittel zurück. Dort beträgt das Plus seit 2008 51 Prozent. Gegenläufig ist die Entwicklung bei den Produkten, die nur in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt werden dürfen: Die Verkäufe nahmen im gleichen Zeitraum um 41 Prozent ab.
Nach unten zeigt der Pfeil auch bei Glyphosat, das für Umweltschützer Sinnbild ist für eine Landwirtschaft, die ihre Erträge ohne Rücksicht auf die Umwelt maximieren will. Seit 2013 ist der Absatz um 61 Prozent gesunken. Die Zukunft des Herbizids ist ungewiss. Wird der Bund den Einsatz weiter erlauben? In der EU ist es noch bis Dezember 2022 zugelassen. Die EU-Behörden haben die Neubeurteilung noch nicht abgeschlossen. Bis dahin äussert sich auch das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) nicht zu dieser Frage. Die Denkfabrik Vision Landwirtschaft hält es für «absehbar», dass Glyphosat bald verboten werde. «Deshalb wäre es in der Schweiz sehr wichtig, jetzt nach Alternativen zu suchen», sagt der stellvertretende Geschäftsführer Ralph Hablützel.
Biomittel gefragt
Die skizzierten Tendenzen haben zwei Gründe. Zum einen steigt die Zahl der Biobetriebe, sie liegt mittlerweile bei rund 7500, dies bei total etwa 50’000 Höfen. Zum anderen setzen konventionelle Bauern häufiger Produkte ein, die auch in der Biolandwirtschaft erlaubt sind. In dieses Bild passt, dass fünf der zehn meistverkauften Substanzen im letzten Jahr in der biologischen und konventionellen Landwirtschaft anwendbar sind, unter anderem Schwefel, Kupfer und Paraffinöl.
Die Zahlen, die das BLW am Dienstag publiziert hat, bestätigen, dass sich die Landwirtschaft wandelt. Allerdings ist noch unklar, ob sie das Ziel, das ihr die Politik vorgibt, erreichen wird. Bis 2027, so hat es das Parlament beschlossen, sollen die Risiken des Pestizideinsatzes um 50 Prozent sinken, dies gegenüber dem Schnitt der Jahre 2012 bis 2015.
Ab 2022 einsatzbereit
Das BLW wertet die Entwicklung insgesamt als «positiv». Wie gross die Reduktion der Risiken bislang ist, können die Fachleute von Agrarminister Guy Parmelin aber nicht sagen – die nötigen Grundlagen sind noch nicht vorhanden. Die landwirtschaftliche Forschungsanstalt des Bundes (Agroscope) ist daran, sie zu entwickeln. Das Problem: Die verkauften Mengen allein lassen keine Rückschlüsse auf die Risiken zu. Es braucht weitere sogenannte Indikatoren, dazu gehören auch die Toxizität der einzelnen Wirkstoffe sowie die Massnahmen, welche die Einträge dieser Stoffe in die Umwelt mindern, etwa Vorkehrungen gegen die Drift und Abschwemmung.
Die Zeit drängt jedenfalls: Bereits in fünf Jahren muss die angestrebte Halbierung der Risiken Realität sein. Je früher Politiker und Bauern um die genaue Entwicklung wissen, desto eher können sie reagieren, sollte sich zeigen, dass das 2027er-Ziel noch in weiter Ferne ist. Nächstes Jahr werden sie mehr wissen: Agroscope wird das neue Messinstrumentarium gemäss BLW bis Ende des ersten Quartals 2022 ausgearbeitet haben.
Vision Landwirtschaft fordert schon lange mehr Transparenz bei der Ausweisung des Risikos. «Zwar mögen die Verkaufszahlen der Pflanzenschutzmittel im Jahr 2020 gut aussehen, doch es lohnt sich, genauer hinzuschauen», sagt Ralph Hablützel. So sei etwa das Verkaufsvolumen von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen mit grossem Risikopotenzial in den letzten Jahren auf gleich hohem Niveau geblieben. Diese Substanzen hätten teilweise bereits in sehr kleinen Konzentrationen negative Auswirkungen auf unseren Hormonhaushalt und/oder könnten die Umwelt stark beeinträchtigen.
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